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Ausgabe: | 1885 Nr. 6 |
Spalte: | 145-146 |
Titel/Untertitel: | Gottesgedanken. Nicht populär, sondern einfach. Dargestellt von einem Dr. th. & ph 1885 |
Rezensent: | Sachsse, Eugen |
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145 Theologifche Literaturzeitung. 1885. Nr. 6. 146
Gottesgedanken. Nicht populär, fondern einfach. Darge- I die fich übrigens feiten finden oder Bezugnahme auf
n. TU r lu q u n^irliprt ein k-affifches Mufikftück wohl zu billigen, trotzdem
ftellt von einem Dr. th. & ph. Erlangen, De.chert, , ^ ycrf ^ Predigten ^ cjnfache b*zeichnen.
1885. (XVI, 308 S. gr. 8.) M. 4. — Bei manchen Predigten drängt fich die Beobachtung
Wenn ein junger Schriftfteller, die Stürme der litera- 1 auf, dafs die Gedanken des Themas im Text nicht völlig
rifchen Befprechung fürchtend, ein ErftTingswerk unter | enthalten find (z. B. II, VII). Auch dürfte man einer
der Flagge der Anonymität ausfendet, fo hat er Anfpruch : refidenzlichen Schlofsgemeinde wohl heute nicht mehr
auf nachfichtige Beurtheilung. Auf diefe Wohlthat fcheint erzählen, dafs der grofse Kurfürft P. Gerhard um feines
aber der anonyme Verfaffer des vorliegenden Werkes treuen evangelifchen Bekenntnifses willen von Amt und
zu verzichten, da er fich wenigftens als einen Dr. th. et ph. Brod vertrieben und alle Macht aufgeboten habe, um
zu erkennen' giebt. Auch bedarf er folchcr Nachficht : den armen fchlichten Mann zu vernichten (p. 88).
nicht da fich die Arbeit als eine gereifte nach Form ! Doch derartige kleine Mängel verfchwinden gegen den
und Inhalt erweift. Aber warum dann anonym? fragen wohlthuenden und bedeutfamen Eindruck des Ganzen,
wir; zumal bei Predigten, die doch als perfönliche Zeug-
nifse vornehmlich wirken. Denn 31 Predigten werden
unter dem Titel ,Gottesgedanken' dargeboten. Verfaffer
erklärt den Titel in der Vorrede. Unter Gottesgedanken
Herborn. Prof. D. Sachfse.
Miscelle zu Hermas.
verfteht er mancherlei. Jeder Menfch ift ihm ein ver- ] Profeffor Rendel Harris hat in dem Jo/ins Hopkins
körperter Gottesgedanke, welcher erft in Verbindung mit University Circular, April 1884, nachgewiefen, dafs Herrn.,
dem ewigen Worte einen wahren Sinn giebt. Solche Vis. IV, 2, 4 aus Daniel, 6, 22 (23) genoffen ift, und dafs
Gottesgedanken find auch die Lebensführungen des Ein- fomit zu lefen ift: dt« zovzo 6 yivgioq anipteilev zhv
zelnen und der Organismus des Reiches Gottes. Wer äyyelov avzov zhv ini ziov i/ijoiwv ovza, ov zh ovouä
nun aber erwartet, dafs die Gottesgedanken in und an iaziv Seygi, y.ai evt ygai-ev zo Oto/ia avzov, ivet fu't
den Menfchen in irgend einer logifchen Reihenfolge ent- ae 3,vfidvn.(Daniel: DB 1301 TOScbtt nbt "VlbS); f. Neftle
wickelt werden, der findet fich getäufcht. Eine fyftema- in diefer Zeitung 1884 S. 357. Das bisher fo räthfel-
tifche Auswahl und Anordnung der Predigten ift nicht hafte &tygi ift damit emendirt und befriedigend erklärt,
zu entdecken; felbft die Anordnung nach dem Kirchen- j In der That find jene Worte des Hermas nur eine
jähr ift verfchmäht. Verfaffer erklärt dies damit, dafs er j Wiederholung der Worte Dan. 6, 22: 0 ,'hög fiov mit-
aus vielen Hunderten Predigten gerade diefe ausgewählt, 5 azeile zhv äyyekov avzov x«t Evlq?ga§e (130) zä
,veil nur von ihnen lesbare Niederfchriften vorhanden putza tüv Movzütv, y.ai ovx slifit'jvavzn ue. Nun
umhat
waren. Wir möchten glauben, dafs diefer Gefichtspunkt aber Profeffor Hort (Cambridge, England) darauf auffür
den Verf. nur einen geringen, für den Lefer aber merkfam gemacht, dafs Hermas hier mit dem Text des
gar keinen Werth hat. Eine fachlich begründete Aus- j Theodotion ftimmt; denn die LXX bieten 6, 18: o tobe
wähl und Anordnung darf wohl gefordert werden. dniy.l.Eio e za ozhuaza ziov he6vziov y.ai ov Tcagt^ vcöy-
Die Grundgedanken der Predigten find kurz folgende. 1 Xr^oav zvt Javnl, und 6, 22: olooixt ue h todg ünh
Als das Wefen des wahren Chriftenthums bezeichnet j tuv Hbvtiov. Alfo fchliefst Hort mit Recht: ,// follows
Verf. die perfönliche, herzliche Gemeinfchaft mit Chrifto; j that Hermas cannot bc carlier than Theodotion' {John
man ift noch kein Chrift, weil man, in chriftlicher Um- Hopkins University Circular, Decetnber 1884: ,Hermas
gebung aufgewachfen, mancherlei chriftliche Anfchau- ; and Theodotion'; a eommunication from Professor Hort).
ungen und Sitten angenommen hat. Auch nicht eine | Diefe Ifntdeckung ift für die Zeit der Abfaffung des
Lehre von Chrifto, fondern die Herzensgemeinfchaft mit Hirten des Hermas von höchftem Belang; denn wen 1
dem lebendigen Chriftus macht den Chriften. Sodann jn dem Buche bereits die Ueberfetzung des Theodotion
wird cbenfo nachdrücklich gefordert, dafs aus diefem gebraucht ift, fo kann dasfelbe fchwerlich, wie manche
Centrum durch fittliche Bethätigung fich ein chriftlicher Gelehrte trotz des Zeugnifses des Muratorifchen Frag-
Charakter bilden foll, der fich erweift in feftem Gott- , ments noch immer annehmen, bereits um d. J. IOO ge-
vertrauen, treuer Bcrufserfüllung, thätiger Nächftenliebe fchrieben fein, fondern ift mehrere Decennien fpäter zu
und Pflege der chriftlichen Gemeinfchaft. Es ift alfo ein 1 fetzen. Die Zeit des Theodotion ift allerdings nicht
edler Pietismus, der das Ganze erfüllt. Aus dem Pietis- , ficher feftzuftellen; aber in das erfte Jahrhundert hat ihn
mus flammt auch die Zurückftellung der ausgeprägten j m. W. noch Niemand verfetzt. Fraglich mufs bleiben,
dogmatifchen Begriffe und die oft zu ausführliche Schil- | ob &eygi wirklich in aeygi zu ändern ift, oder ob nicht
derung innerer Zuftände und feelifcher Entwicklungen, Hermas felbft bereits jene Form vorgefunden hat (der
die dem unverftändlich bleiben, der nicht Aehnliches 1 Sinait. bietet trtygei, das Apogr. Sim. ileygi, Tat.2 , Tegri',
durchgemacht. Dagegen ift Verf. weit entfernt von der I der Aethiope fTegerh; Latd bietet ,Hegrin'). Unzweifel-
pietiftifchen Unart des Richtens über Andere und legt eine haft las er die Stelle Dan. 6, 22 mit jenem Midrafch;
wohlthuende chriftliche Milde im Urtheil an den Tag. denn dafs er felbft den Grundtext aufgefchlagcn und
Er erkennt den Wahrheitstrieb auch in den irrenden die Worte ,zov gsri ztöv aijguov 'ovza, ov zh oro/.iu ioziv
Gewiffen an, welche ungenügende Begriffe von Chrifto ; toyot' hinzugefügt'hat, ift ganz unwahrfcheinlich. Wie
haben, welche fich von dem öffentlichen Cultus abwenden das ,.'>' entftanden ift, vermag ich nicht zu fagen;
und geht ihnen mit freundlicher Einladung nach. | Transfcription des ,0' durch ift bisher nicht nach-
Was die Form betrifft, fo verabfeheut Verf. jene gewiefen.
populariiirte Form, welche die abgegriffenen fchema- riief„pn A Hstflfl(,b
tifchen Begriffe lofe an den Text reiht, und ihnen durch "Jieisen- _ /v. narnacK
von Cuftos Dr. Johannes Müller,
Berlin W., Opernplatz, Künigl. Bibliothek.
grell aufgetragene Lebensfarbe, prunkende Bilderfprache,
gefuchte Gleichnif.se oder plump erfundene Gefchichten Bibliographie
den Schein der Wahrheit zu geben fucht. Von diefer
b orm der Predigt ift er denn auch weit entfernt und das
>ft gewifs ein Lob. Aber populär im edlen Sinn des
Wortes ift er auch nicht Jd Vjies ift n0Ch kein Tadel. Ccutfcbc «Literatur.
Wenn die ganze P"orm der Rede trotz aller Einfachheit Schwartz, W., Indogermanifcher Volksglaube. Ein Beitrag zur Religions-
beweift, dafs Verf. eine gebildete ftädtifche Gemeinde; gefchichte der Urzeit, lierlin, Seehagen, 1885. (XXIV, 280 S. gr. S)
^Tff^h ir' f° verräth eine gelegentliche Aeufserung j Sacki j Die on A]tifrael nach (len in der Bibel enthalten
(p. 04), dals er in der Schlofskirche einer Refidenzitadt , Grtmdzügen dargeftellt. Leipzig, Kriedrich, 1885. (VII, 178 S. 8.)
predigt, und da find denn Citate aus Geibel und Goethe, ] 3. —