Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1885 Nr. 6

Spalte:

135-137

Autor/Hrsg.:

Prowe, Leop.

Titel/Untertitel:

Nicolaus Coppernicus. 2 Bde in 3 Thln 1885

Rezensent:

Tschackert, Paul

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

135 Theologifche Literaturzeitung. 1885. Nr. 6. 136

Malereien gethan hat. Im Uebrigen dürfen wir die in Coppernicus die Grundzüge feiner berühmten Schrift
diefer Arbeit gegebenen Daten der anderen Bilder mit , ,de revoluüonibus orbium coelestinm (über die Kreisbewe-
den fchon allgemein angenommenen als übereinftimmend gungen der Himmelskörper,' verfafste, in welcher er fein
bezeichnen. aftronomifch.es Syftem wiffenfchaftlich bewies. Aber ein

Aufserdem find noch folgende in dem Werke ent- Gelehrter ohne Haft und Eile behielt er das Buch zu-
haltenen Auffätze anzuführen: La mosaique de Saintc- ' nächft als Manufcript bei fich, bis endlich, al»das ,nonum
Püdentienne a Rome; Seines de banquets peintes daris /es prämatur in annum1 mehr als drei Mal erfüllt war (I, 1.
catacombes romaines; Peintures d'un cubicule dans la cata- 343 und I, 2. 490 fr.), feine Freunde, die darum wufsten,
combe de Cyriaque, pres de Rome; Peintures d'un arcoseuillc 1542 von ihm das Manufcript erhielten, welches 1543 im
dans la catacombe de Santa Maria di Gesu, ä Syracnse; Frühjahr zu Nürnberg das Licht der Welt erblickte.
Le cimetiere chretien de Julia Concordia [Porto-Gruard) , Coppernicus, welcher von 1512 an, mit Unterbrechung,
en Venetie; Peintures inedites de l'eglise Saint-Nicolas a bis an feinen Tod 1543 (den 24. Mai) in Frauenburg
Saint-Victor, pres de S. Germano-Cassino {XII', XIIIe et 1 gelebt hatte, hat noch fterbend ein gedrucktes Exemplar
XIV' siede). feines Werkes in der Hand gehabt. (Den beften Text

Berlin. Otto Pohl. desfelben bietet die, mit Benutzung der lid. princeps und

des Originalmanufcripts hergeftellte Thorner Säcular-

aus Reue über fein wiffenfchaftlich.es Vorgehen felbft
gedichtet haben foll:

,Non parem Pauli gratiam requiro
Veniam Petri neque posco, sed quam
In crucis ligno dederas lalroni
Sedulus oro'.

Indefs, fchon von Hipler ift nachgewiefen, dafs diefc

Prowe, Leop., Nicolaus Coppernicus. 2 Bde in 3 Thln. Ausgabe von 1873.) — Fragen wir nun welches Ver-
u 1: vsr ,00. o, /wwTTT hältnifs Coppernicus zur Kirche hatte, fo zeigt fchon

Berlin, Weidmann, 1883 u. 84. (XXVIII, 413; 376 u. r • T u j r u • u.. ■ c u -a 7, „ .

' V • 1 j 1- r t J tr ,ein Leben, dals es ihm nicht eingefallen ift, am Beftande

VI, 552 S. m. 2 Lichtdr., 5 Fcfm.-laf. u. 1 Karte. der römifch-katholifchen Hierarchie zu rütteln; er hat
gr. 8.) M. 39. — als Domherr amtlich feine Schuldigkeit gethan; feine

Von Coppernicus gilt gewifs, dafs fein Name im- I Neigung aber gehörte der Wiffenfchaft; als Menfch ftand
zählig oft genannt wird, während fein Leben faft unbe- er flttllch nicht ,ho,hreru als, der Durchfchnitt der dama-
kannt geblieben ift. Bisher hielt man fich nämlich meift i h&en römifch-katholifchen höheren Geifthchkeit (die voran
eine lateinifche Lebensbefchreibung desfelben aus der j liegende Forfchung wirft (I. Band, II Theil, S 362 ff.]
Feder des franzöfifchen Mathematikers Gaffendi. Erft 1 einen dunklen Schatten auf das fitthche Leben des
das 400jährige Jubiläum der Geburt des grofsen Refor- j Greifes); nirgends findet fich eine Spur rehgiöfer
mators der Aftronomie im J. 1873 gab zumal preufs. Aeufserung aus feinem. Munde. Vielbekannt ift
Gelehrten im Weichfeilande und Ermeland, Veranlaffung, allcrdjn^ £™f r°?eci!:/rvf.rX.ZM?}x!ll" rX-lxJ-J^^el^la.
feinem Wirken endlich genau nachzugehen und feine
Hauptfchrift zuverläffig herauszugeben. In dem vorliegenden
Werke begrüfsen wir daher um fo freudiger die
reife Frucht Decennien-langer Coppernicus-Studien; Leopold
Prowe's Leiftung ift ein Werk zähen, deutfehen
Fleifses aus der alten Vaterftadt des Aftronomen Coppernicus
; es beweift eine umfaffende Gelehrfamkeit, forg- fapphifche Strophe nicht von Coppernicus, fondern aus
fame, umfichtige Forfchung und gewählte Darftellung. j einer Ode des Aeneas Sylvius Piccolomini vom Jahre
Indem der Kronprinz des Deutfehen Reiches und von i 1444 flammt; ein Landsmann des grofsen Aftronomen
Preufsen die Widmung desfelben angenommen hat, ift ' fetzte fie unter ein Bild desfelben in der Pfarrkirche
dem Verf. von höchfter Stelle eine wohl verdiente An- St. Johann in Thorn (Prowe, I. Band, II. Theil. S. 135). —
erkennung zu Theil geworden. Auch diefe Zeilen follen 1 Um aber doch auf irgend einem Wege zu errathen, wie
nur dazu dienen, die Aufmerkfamkeit der Theologen und ! denn eigentlich Coppernicus religiös geftanden haben
befonders der Kirchenhiftoriker auf fein Werk zu lenken, mag, hat Prowe mit Recht die religiöfen Anfchauungen
Wir haben ja auch Innerhalb des Proteftantismus ein j aus dem Freundeskreife desfelben dargeftellt (I, 2. S.
lebhaftes Intereffe an dem Reformator der Aftronomie, 167 ff.). Da ergiebt fich, dafs im F Tauenburger Dom-
der doch gleichzeitig mit dem Reformator unferer Kirche capitel, als Sameland und Pomefanien lutherifch wurden,
lebte und wirkte. Wie verhält fich der Frauenburger eine Erasmifche Luft wehte, aber auch nichts weiter. —
Domherr zur Wittenberger Reformation, zu welcher fich Umgekehrt ift fchon längft bekannt, dafs die Witten-
doch feit 1525 das an das Bisthum Ermeland grenzende berger Reformatoren die Coppernicanifche Weltanfchau-
Herzogthum Preufsen bekannte? Wie verhielten fich ferner i ung verworfen haben. Luther hat fich über Tifche über fie
die Wittenberger Reformatoren zu ihm, deffen Welt- luftig gemacht, Melanchthon fie ernft bekämpft (I, 2. S.
anfehauung fie kennen gelernt haben? Prowe orientirt l 231 ff.). Darüber werden wir fie heut nicht tadeln; fie
uns über alle diefe Verhältnifse unter Beibringung des (landen eben in Sachen der weltlichen Wiffenfchaft noch
darauf bezüglichen Quellenmaterials. Sein Buch ift bio- j mit einem Fufse im Mittelalter. Die römifche Kirche
graphifch angelegt; er berichtet auf Grund des unendlich | darf fich aber deshalb nicht etwa als Vertreterin des
mühfam zufammengetragenen Quellenftoffes, wie Nicolaus wiffenfehaftlichen Fortfehritts geberden; 1616 wurde ja
Koppernigk, latinifirt Coppernicus, zu Thorn 1473, in Rom die Coppernicanifche Wiffenfchaft verdammt und
als Sohn eines dortigen Großhändlers geboren wurde, blieb verdammt, bis man fich im 19. Jahrhundert darüber
wie er bis 1491 feine Jugend dort verlebte, darauf aber 1 fchämte. Da verfchwanden ftillfchweigend (im Jahre
als junger Mann durch die Gunft feines Oheims, des Bifchofs ; 1835!) die Namen Coppernicus, Kepler, Galilei aus dem
vonErmeland Lucas Watzelrode, erft in Krakau 1491 —1494, j Index der verbotenen Bücher. Einer nur aus dem Kreife
dann, nachdem er ein ermländifches Canonicat zu Frauen- ' der Reformatoren, Andreas Oliander von Nürnberg, zeigt
bürg erhalten, noch faft zehn Jahre von 1496—1506 in j auch hier wieder den kühnen Flug feines originalen
Italien, auf der Univerfität Bologna, zu Rom und auf I Geiftes, indem er die neue Weltanfchauung als mathe-
der Univerfität Padua humaniftifche, mathematifch-aftro- 1 matifche Hypothefe billigte und fogar den Druck des
nomifche, medicinifche und juriftifche Studien machte. Coppernicanifchen Werkes 1542—43 in Nürnberg beforgte.
Im Jahre 1506 kehrte er als Doctor des canonifchen j Fün evangelifcher Prediger in einer evangelifchen Stadt
Rechts nach dem Ermelande zurück. Den hochgebil- j Corrector des Werkes des katholifchen Domherrn! 1 >as
deten, nunmehr zum 33jährigen Manne herangereiften i war noch 1542 in Deutfchland möglich. Ofiander hat
Neffen nahm Bifchof Lucas Watzelrode als perfönlichen i fogar zu dem Werke des Coppernicus eigenmächtig eine
Gehülfen auf fein Schlofs Heilsberg. Die hier in (liller Zu- | Vorrede (Prowe, Band II, p. 13—14) gefchrieben und
rückgezogenheit zugebrachten fechs Jahre von 1506—1512 dadurch den Schein erweckt, als ob der Aftronom felbft
find für die ganze Welt wichtig; denn hier war es, wo! feine Weltanfchauung für eine blofse Hypothefe gehalten