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Ausgabe:

1885 Nr. 3

Spalte:

62-64

Autor/Hrsg.:

Kattenbusch, Ferd.

Titel/Untertitel:

Luthers Stellung zu den oecumenischen Symbolen 1885

Rezensent:

Möller, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1885. Nr. 3.

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immer wieder reifliche Erwägung, ebenfo wie Bickell's ! geftellt hat, die hebräifchcn Dichtungen der äfthetifchen

Annahme, dafs noch andere Stellen des Buches von der
Hand des Epilogiften herrühren.

Eine unglückliche Rolle fcheint mir der zelotifche

Würdigung weiterer Kreife zu erfchliefsen.

Angefichts der Siegesgewifsheit, mit der B. auch in
diefer Schrift feine Ergebnifse vorträgt, darf man kaum

Gegner zu fpielen, der fchon vor der Verfetzung foll zweifeln, dafs, was hier mit (freilich fehr kurzen) gelehrten
eingegriffen haben. Zur Verwerfung feiner vermeintlichen J Erläuterungen den Fachgenoffen geboten ift, demnächft
Einfchübe in 12, 4. 5, welche dazu dienen follen, durch ihre
Unfchicklichkeit das Buch lächerlich und verächtlich zu
machen, fah fich B. wohl neben feinem Zartgefühl auch

ohne diefelben auch für den weiteren Kreis der Gebildeten
in des Verf.'s ,Dichtungen der Hebräer. Zum
erftenmal nach dem Versmafse des Urtextes überfetzt'

durch das vorausgefetzte Metrum und Strophenfchema ■ Aufnahme finden wird. Man kann folche verfrühte Popu-

veranlafst. Zum Anftofs an 11, 5 a ß, vortrefflich in den | larifirung höchft unficherer und einfeitiger Ergebnifse

Zufammenhang paffend, ift nach hebräifchem Gefühl gar wiffenfehaftlicher Arbeit wohl bedauern, mufs fie aber

kein Anlafs, was ein Feind damit hätte erreichen wollen, zugleich nur allzu begreiflich finden bei einem Manne,

nicht einzufehen. 8, I a foll geradezu einen Proteft ent- , dem es neben aller Gelehrfamkeit, Schulung, Begabung

halten: ,Wer ift denn diefer (fervile) Weife, und wer j fo fehr an der Fähigkeit mangelt, die Grade der Wahr-

weifs, was die (fchlimme) Sache (v. 3) bedeuten follr' Zu , fcheinlichkeit zu fchätzen, wie dies bei dem Verfaffer

dem Ende lieft B. ftatt EDnplD ''ja ! =3n Tp 152 und meint, I leider der Fall ift.

LXX hätten früher höe ooepog gehabt, das in das finn- Bonn. K. Budde,

lofe olöt aowovi corrumpirt fei. Schwerlich, denn das
aide ift aus dem nachfolgenden 'W durch Miss-

verftändnifs entnommen, und ,diefer Weife' hiefse Ilde
0 oncf os- Wie aber vollends B. die an fich nicht üble
Lesart 'n MT ">12 mit ,wer ift diefer Weife' überfetzen
kann, verftehe ich nicht. Die Ergänzung des ,fchlimme'

Kattenbusch, Prof. Dr. Ferd., Luthers Stellung zu den
oecumenischen Symbolen. Feftfchrift der Giefsener Uni-
verfität zur Lutherfeier. Giefsen, Ricker, 1883. (61 S.
Lex.-8.) M. U 60.

ift geradezu halsbrechend. Bleibt fo 8, ia, was es war, j Luther ftellt bekanntlich die alten ökumenifchen Sym-
eine harmlofc Ankündigung von Weisheitsfprüchen, fo : hole der Kirche fehr hoch und erklärt in den Schmalk.
wird endlich auch der vieldeutige Satz v. 5a zum Nach- Artikeln, dafs hinfichtlich der .hohen Artikel von der
weis jenes Zeloten nicht mehr genügen. göttlichen Majeftät' kein Zank und Streit zwifchen den

Viel beachtenswerther ift die Annahme eines pfeudo- Evangelifchen und ihren Gegnern fei, ,weil wir zu bei-
falomonifchen Interpolators in 1,1. 12. 16. 2, 7. 8. 9. ' den Seiten diefelben bekennen'. Der Verf. der obigen
[12]. Dafs der Epilog — ob von erfter oder zweiter Feftfchrift geht darauf aus, zu zeigen, wie diefe anzuer-
Hand thut nichts zur Sache ■— den Prediger blofs als ! kennende Thatfache noch kein Recht gebe, jene Anficht
Weifen kennt, ift jedenfalls fehr verdächtig, auch löfen | der dogmengefchichtlichen Entwicklung als eine lutheri-
fich die Salomo-Stücke unfehwer aus dem Zufammenhang j fche zu bezeichnen, wonach die Lehrbeftimmungen der
los (doch follte nbnp i~Qn als Ucberfchrift bleiben, auch , alten Symbole als das Erträgnifs gefunder Lehr-Ent-
t, 16 a n bis zum Zaqcph und die beiden erften Worte wicklung der noch ungefpaltenen Kirche die gemeinfame
von 2, 9, während 12 b ganz fallen müfste). Der Zweck Lehrbafis für Katholicismus und Proteftantismus bilden,
diefer Zufätze wäre aus der Gefchichte des Kanons leicht | .welche für beide Theile diefelbe Bedeutung habe', mit-
zu begreifen. hin zum confeffionellen Gegenfatz fich indifferent ver-

Dafs übrigens die Schrift eines fo gelehrten und j halte, während dann im Proteftantismus andere Lehr-
geiftreichen Mannes auch fonft noch manches Beachtens- i artikel als der fpeeififche Ausdruck der reformatorifchen
werthe und Gute enthält, bedarf kaum der Erwähnung, j Principien und das Refultat der gefunden, von fchölaftifcher
Seine Bemerkungen über die Weltanfchauung des Pre- - Mifsbildung zurücklenkcnden reformatorifchen Entwick-
digers (S. 37 ff.) wird man nicht ohne Nutzen lefen, und j lung hinzuzukommen hätten. Allerdings würde diefe
für die Textkritik des Buches bietet B. neben vielem I herkömmliche Anficht vorausfetzen, dafs fich der Gegen-
Gewagten manches Werthvolle, ich erinnere an feine fatz der Confeffionen etwa nur auf den ,Weg zum Heile'
Vorfchläge zu 2, t. 5, 16. 6, 3. 2, 24. 25. 8, 12. 17. 9, (S. 52 Anm.) beziehe, nicht aber auf die Erkenntnifs der
I. 2. 17a. 4, 15 u. f. w., manches nach LXX und natür- Heilsbegründung in Gott und Heilsbefchaffung durch
lieh nicht alles neu. Auch zu den dichterifchen Ab- Gott, ja man wird wohl noch einen Schritt weiter zu
fchnitten fehlt es nicht an guten Vorfchlägen, obgleich gehen haben und mit dem Verf. fagen müffen, nicht auf
ich mich im Ganzen auch hier des tiefen Mitleids nicht
habe erwehren können, mit dem ich alle hebräifchcn
Stücke betrachten mufs, die B. auf das Prokruftesbett
feines metrifch-ftrophifchen Syftcms ftreckt. Da diefe
Seite der Arbeit beim Prediger in den Hintergrund tritt,
mag es mit diefem offenen Bekenntnifs genug fein. Nur

betreffs der Ueberfetzung jener Verfe noch ein Wort. I mithin die Totalanfchauung vom Chriftenthum von einem

die Erkenntnifs vom Heilsgut felbft, alfo von dem reli-
giöfen Werth der Offenbarung Gottes in Chriftus, wonach
fich das Bild von Gott und Chriftus zu geftalten habe.
Er bekämpft daher jene dogmenhiftorifche Anfchauung
von der Ueberzeugung aus, dafs die Idee des Heilsgutes
felbft im Proteftantismus eine andere fei, die Reformation

Angenommen, B. hätte den Versbau vollkommen richtig

neuen Grundfatzc aus erneuere. Hieraus könnte man

erkannt, die fämmtlichen Verfe im Prediger alfo beftänden folgern, und hat es auch oft gethan, dafs, wenn die junge
aus 3 Jamben und einer unbetonten fchliefsenden Silbe: proteftantifche Kirche im Drange des Kampfes und über-
was für einen Werth foll es nun haben, auch die deutfehe wiegend beftimmt durch die in diefem Kampfe in den
Ueberfetzung in diefen felben Vers von 7 Silben ein- Vordergrund tretenden Gcfichtspunkte, unbefehen die
zuzwängen, der nicht nur in feiner ewigen Wiederholung | alten Symbole ohne Weiteres aeeeptirte, fie damit eine
fehr unfehön ift, fondern auch zu einer Kürze des Aus- j unter den gegebenen Umftänden freilich fehr verzeihliche
drucks zwingt, unter der die Sprachrichtigkeit und die ! Unterlaffungsfünde begangen habe, indem fie die Auf-
Verftändlichkeit auf das fchwerftc leiden. Dafs B. auch | gäbe, von ihren Principien, d. h. von ihrer Erfaffung des

hier das Mögliche leiftet, foll nicht verkannt werden;
aber wer diefe Haufen Ichwerwuchtender Spondeen, die
kühnen Wortbildungen, die häufigen Auslaffungen des
Artikels und nöthiger Bindewörter u. dgl. m. überfchaut

wirrt allr>r_________ j* —T~1— Tr:«f.-r.rri nl.-i 1 n f

Heilsgutes aus zu reformiren, nicht umfaffend genug,
nicht weit genug zurückgreifend durchgeführt habe in
felbftändiger Erhebung der religiöfen Lehre von Gott
und Chriftus aus der Schrift. K. jedoch befchr-änkt fich,

wird aller Anerkennung die Goethe'fche Einfchränkung ohne hierauf näher einzugehen, darauf, zu betonen, dafs
folgen laffen müffen: ,Die Grazien find leider ausge- von der lutherifchen Kirche, indem fie das Bekenntnifs
blieben' — nicht zur Förderung der Aufgabe, die B. fich | der alten Kirche zu den ökumenifchen Symbolen fich