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Ausgabe:

1885 Nr. 24

Spalte:

586-587

Autor/Hrsg.:

Braun, Friedr.

Titel/Untertitel:

Glaubenskämpfe und Friedenswerke. Bilder und Skizzen 1885

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Literaturzeitung. 1885. Nr. 24.

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jenigen Erkenntnifs verfchloffen hat, welche die noth-
wendige Ergänzung der Marcushypothefe für die Löfung
des fynoptifchen Problemcs bildet: dafs nämlich unfer
erfler und dritter Evangelift gemeinfam, aber unabhängig
von einander noch eine zweite, apoftolifche Quelle ver-
vverthet haben, welche uns, wenn wir fie aus den beiden
Bearbeitungen zu reconflruiren verfuchen, das werthvollfle
Material zur Beflätiguhg und Ergänzung des Marcusberichtes
über die Wirkfamkcit Jefu bietet.

Heidelberg. H. Wen dt.

Schanz, Prof. Dr. Paul, Commentar über das Evangelium

des heiligen Johannes. Tübingen, Eues, 1884. (1. Abth.,
VI, 297 S. gr. 8.; M. 8. —

Mit dem vorliegenden Commentar, deffen zweite
Abtheilung in nahe Ausficht gcftellt wird, foll die Erklärung
der neuteftamentlichen Evangelien ihren Ab-
fchlufs gewinnen, welche der Verfaffer 1879 zu veröffentlichen
begonnen und H. Holtzmann in fortlaufenden
Befprechungen ihrer einzelnen Theile den Lefern der
Theol. Lit.-Ztg. (1880 S. 108 f., 1881 S. 276 f., 1883 S.
296 f.) bekannt gemacht hat. Den Charakter der früheren
Arbeiten haben wir hier wiedergefunden. Auch hier gefällt
Ach der Verfaffer nicht darin, leicht hingeworfene
TJrtheile auszufprechen: vielmehr ift er ernftlich bemüht,
der Gefchichte der Auslegung Rechnung zu tragen und
mit den Mitteln eines anerkennenswerth reichen exege-
tifchen Apparates die feftgehaltene Anficht zu begründen.
Selbftredend find hierbei in erfter Linie die älteren wie
neueren Arbeiten der römifchen Exegeten herangezogen;
aber mitBefriedigung ift wahrzunehmen, dafs kaum feltener
die proteftantifche Schriftauslegung berückfichtigt wird.
Schon von diefer Seite her kommt, wie Holtzmann (1881
S. 276) über den Commentar zum Marcus-Evangelium
fagte, auch dem vorliegenden eine gewiffe Unentbehr-
lichkeit in der Rüftkammer des Fachmannes zu.

Nach feinen Vorgängern kann es nicht überrafchen,
dafs der Commentar fich wefentlich in dem Rahmen des
Traditionellen hält, ohne für die Beurtheilung des Evangeliums
befonders neue Gefichtspunkte hervorzuheben.
Obwohl er z. B. über die Identität des Apokalyptikers
mit der Perfon des Evangeliften Johannes S. 12 f. unferes
Erachtens zu rafch Beruhigung fafst und die Beziehung
auf die chriftliche Taufe 3,5/. (S. 168 f.) wie auf das
Abendmahl 6, 52 (S. 285) nicht ausreichend ficher Hellt,
liegt der Werth in der fleifsigen Verarbeitung des Gegebenen
, in der forgfältigen Sichtung der fremden Meinungen
und der meift klaren Eormulirung des eigenen
Urtheils. Dafs das Intereffe am römifchen Dogma auch
bei der Betrachtung der evangelifchen Gefchichte nicht
fchweigt, beweift z. B. die zuverfichtliche Vertheidigung
des Mariendienftes, welche S. 147 an die Erklärung von
2, 4 angefchloffen wird. Doch geht der Verfaffer fichtlich
gern Problemen nach, die in der Sphäre der neueren
Schriftforfchung liegen. Er prüft (S. 22 f.) die Gefchicht-
lichkeit des johanneifchen Chriftusbildes, fragt (S. 26 f.)
nach der Urfprünglichkeit der johanneifchen Reden Jefu,
erörtert (S. 27 f.) den Zufammenhang diefer Reden mit
der johanneilchen Logosidee. Seine Stellung zu folchen
» Fragen kennzeichnen Aeufserungen wie S. 26: Johannes
hatte die Reden in aramäifcher Sprache gehört, konnte
nur einen Abrifs von ihnen geben und hatte fie viele
Jahrzehnte in feinem contemplativen Geifte durchdacht
und zu feinem geiftigen Eigenthum gemacht'. Und S.
27: ,Die Logosidee kann nicht der PSrklärungsgrund der
ganzen Compofition 'der Reden) fein. Sie ift wohl die
Tochter, aber nicht die Mutter diefer Reden, eine Folgerung
, aber nicht der Grund'. Ergänzend tritt dazu
eine fpäterc Unterfuchung, welche S. 70 in das Urtheil
ausgeht: ,Weder das A. T., noch die Targumim, noch
der Unterricht des Herrn haben die Veranlaffung zur

! Wahl des Logosbegriffes gegeben. Das Wort findet fich
ja nicht in den Reden Jefu. Diefe und die Synoptiker

i hätten von vornherein den Gottesfohn nahe gelegt.

j Johannes hat wohl fchon in feinem mündlichen Unter-

l rieht diefen wichtigen Factor der damaligen Populär-
philofophie berückfichtigt und konnte ihn deshalb um
10 leichter unvermittelt einführen'. Doch wir untcrlaffcn
es, weitere Mittheilungen aus dem Commentare felbft zu
machen oder Einwendungen gegen einzelne Erklärungen
zu erheben. Auch was wir in letzterer Hinficht zum Ausdruck
zu bringen hätten, würde uns von dem Wunfche
kaum zurückdrängen können, dafs die noch rückfländige
Abtheilung den wiffenfehaftlichen Ernft bekunde, der aus
diefer erften ungleich mehr als aus verwandten Leiftungen
römifcher Exegeten entgegentritt.

Leipzig. Wold. Schmidt.

Krüger, Schuir. Gymn-Dir. Dr. Gufb, und Gymn.-Lehr
Dr. Jobs. Delius, Vademecum aus Luthers Schriften. Pur

die evangelifchen Schuler der oberen Klaffen höherer
Lehranftalten zufammengeftellt und hrsg. Gotha, F. A.
Perthes, 1885. (IX, 109 S. gr. 8.) M. 1. —

Das ,der deutfehen Jugend zur Erinnerung an die
Lutherfeier des Jahres 1883' gewidmete Büchelchen ent-

I hält 6 Schriften, darunter die 3 grofsen Reformations-
fchriften Luther's. Die Sprache des Originals ift, ohne
modernifirt zu fein, dem jetzigen Idiom angepafst (nur
die letzte Schrift ,der Sendbrief vom Dolmetfchen' hat
mit Ausnahme der Orthographie ihr alterthümliches Ge-

| wand behalten), da es den Herausgebern zunächft darauf
ankam, unferer erwachfenen Jugend, hauptfächlich der

I in den höheren Lehranftalten, ein Verftäntlnifs, und damit
auch Liebe zu Luther's Schriften beizubringen. Die-
fem Zwecke entfpricht das Büchelchen auch in vollem
Mafs und es wird neben den anderen Sammlungen der

| Art, z. B. Luther als Claffiker etc., gewifs auch, zumal

j bei dem billigen Preife, feinen Leferkreis finden. Es fei
hiermit, befonders auch den Religionslehrcrn an jenen

| Anftalten, zur Verbreitung unter den Schülern beftens
empfohlen!

Oberrad. Enders.

Braun, Hofkapl. Dr. Friedr., Glaubenskämpfe und Friedenswerke
. Bilder und Skizzen. Stuttgart, Krabbe, 1885.
(VII, 310 S. 8.) M. 3. -; geb. M. 4. -

Unter dem Titel: ,Glaubenskämpfe und Friedens-
S werke' bietet uns der Herr Verfaffer eine Sammlung
von neun Abhandlungen über fehr verfchiedenartige Ge-
genftände dar. In der ,hciligen fcllifabeth' wird ein Bild
aus der Kirchengefchichte des Mittelalters gezeichnet
, die Reformationsgefchichte ift durch .Luther's
Thefen' und ,die Wiedertäufer' vertreten, in die neuefte
Kirchengefchichtc führen uns .Elifabcth Fry' und
die drei kurzen anziehenden .Skizzen aus dem religiöfen
Leben in Grofsbritannien'. Die Hymnologie liefert
; Charakteriftiken von Paul Fiemming, Angelus Silefius
' und Paul Gerhardt; das Gebiet der Ethik wird in den
Abhandlungen über ,Chriftenthum und Menfchenwürde'
; und .Gedanken über Toleranz', das der N ational-Oeko-
nomie in ,Adam Smith und feine Weltanfchauung' betreten
. Der geiftige Genufs, von einem hochgebildeten
verftändnifsreichen Manne in die verfchiedenflen Lebensgebiete
geführt zu werden, läfst die Frage unterdrücken,
| ob das Mannigfaltige der Gabe feine Einheit wirklich
in dem Titel .Glaubenskämpfe und Friedenswerke' finde.
Wichtiger dürfte das Bedenken fein, welches einer folchen
Mannigfaltigkeit gegenüber aus dem Adam Smith'-
fchen Grundfatz der Arbeitstheilung, welcher für die
moderne Entwicklung aller Wiffenfchaft ein unumgängliches
Lebensgefetz geworden ift, fich ergiebt. Die Spe-