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Ausgabe:

1885 Nr. 24

Spalte:

581-582

Autor/Hrsg.:

Rosenthal, F.

Titel/Untertitel:

Vier apokryphische Bücher aus der Zeit und Schule R. Akiba‘s (Assumptio Mosis, das 4. Buch Efra, die Apokalypse Baruch, das Buch Tobi) 1885

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1885. Nr. 24.

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dient, fo möchte damit doch die Herausgabe des vor- j Am eingehendften hat der Verf. die religiöfe und
liegenden Luches kaum gerechtfertigt fein. Denn der | theologifche Richtung der genannten Apokryphen
Hauptfache nach reproducirt er überall die herrfchenden | unterfucht. Ja die betreffenden Abfchnitte find überhaupt
Erklärungen, ohne doch zu ihrer Begründung wcfentlich das einzige Neue, was er über dicfe vielbehandelten Schrif-
Neues beizutragen, ja ohne auch nur das exegetifche i ten beibringt. Ich glaube jedoch nicht, dafs man feine
Material in annähernder Vollftändigkeit zu bieten. Der Ausführungen hierüber als eine wefentliche Förderung
Verf. würde dem, was er etwa Neues vorzubringen hatte, | unferer Erkenntnifse wird bezeichnen können, fo reich-
die Aufmerkfamkeit der alttcftamentlichen Theologen haltig auch das beigebrachte rabbinifche Material ift.
mehr gefichert haben, wenn er fich damit begnügt hätte, J Es ift damit doch nur bewiefen, dafs jene Schriften (mit
nur diefes kurz zufammenzultellen. ' Ausnahme der Assumptio Mosis, welche der Verf. mit

gafej Smend. I Recht der zelotifchen Richtung zuweht) den Standpunkt

1 des rabbinifchen Judenthums vertreten. Die feinere Un

Rosenthal, Rabb. Dr. E., Vier apokryphische Bücher aus terfcheidung aber, dafs das vierte Buch Efra der Schule
der Zeit und Schule R. Akiba's (Assumptio Mosis, das j Eliefer's und die zwei anderen der Schule Akiba's an-
j- a 11 r r> u a t> u t w: gehören follen, will mehr wiflen, als man wiffen kann;
a Buch Efra. die Apokalypfe Baruch, das Buch 1 obi). ■ r _ , . n,- , , r , ■ , , , .

4- L,uv-" ' r TV A Ja lie macht kunfthehe Unterfchiede, die in Wahrheit

Leipzig, O.Schulze, 1885. (IX, 150 S. gr. 8.) M. 4. — j gar nicht exhtiren. Denn wie Efra und Baruch denfelben
Die Vorliebe für das Zeitalter Barkochba's und j religiöfen und theologifchen Standpunkt vertreten, fo

Akiba's und die Verlegung möglichft vieler jüdifcher I auch Eliefcr und Akiba. Ein irgendwie erkennbarer Un-

und chriftlicher Literaturproducte in diefe fruchtbare terfchied fcheint mir auch durch die Ausführungen des

Epoche ift bekanntlich eine Specialität von Volkmar j Verf.'s nicht erwiefen.

und Grätz. In den Spuren diefer Eorfcher wandelt auch Zum Schlufs nur noch die Frage, ob das mehrmals

der Verfaffcr des vorliegenden Büchleins. Die Sache ift (S. 113, 134) vorkommende Antonius Pius (ftatt Anto-
jedoch nicht ganz fo fchlimm als es nach dem Titel ! ninus Pius) ein Druckfehler ift oder etwas anderes? Die
fcheint. Denn nicht alle vier auf dem Titel genannten ' Antwort dürfte fich daraus ergeben, dafs auch in der
jüdifchen Schriften, fondern nur die beiden letzten der- 1 Abhandlung von Grätz über das Buch Tobias der doch
felben läfst er ,aus der Zeit und Schule Akiba's' her- j nicht ganz unbekannte Kaifer wiederholt Antonius

Pius genannt wird (Monatsfchr. für Gefch. und Wiffenfch.
des Judenth. 1879, S. 518, 519). Diefe Kleinigkeit ift
leider typifch für die Hxacthcit, mit welcher die meiften
jüdifchen Gelehrten arbeiten.

flammen. Die Apokalypfe Baruch's ift nämlich bald
nach dem Erdbeben vom Jahre 115, welches Antiochia
zerftörte, alfo etwa 116 n. Chr. gefchrieben (S. 90 f.);
und das Buch Tobi ift in den erften Regierungsjahren
Hadrian's entftanden (S. 135). Beide gehören ihrer theologifchen
Richtung nach der Schule Akiba's an. Die
zwei anderen von dem Verf. behandelten Schriften dagegen
werden von ihm weder der Zeit noch der Schule
Akiba's zugefchrieben. Die Assumptio Mosis läfst er
bald nach 70 entftanden fein (S. 19) und nimmt mit
Recht an, dafs fie den Standpunkt der zelotifchen Partei
vertritt, alfo einer dem fchulmäfsigen Pharifäismus geradezu
entgegengefetzten Richtung. Das vierte Buch
Efra aber fetzt er mit Volkmar und Anderen in die
Zeit Nerva's (S. 56) und findet darin die Anfchauungen
des R. Elicfer ben Hyrkanos, eines älteren Zeitgenoffen
und Lehrers Akiba's, vertreten (S. 58—71), alfo wiederum
doch nicht diejenigen Akiba's. Was foll demnach die
Angabe des Titels bedeuten, dafs die genannten vier
Apokryphen ,aus der Zeit und Schule Akiba's' flammen?

Der Widerfpruch zwifchen Titel und Inhalt ift übrigens
charakteriftifch für das Ganze. Allzu grofse Exact-
heit darf man hier nicht erwarten. Namentlich mit der
Beftimmung der Abfaffungszeit nimmt es der Verf. in
der Regel ziemlich leicht. Die Abfaffung der Apokalypfe
Baruch's bald nach dem Erdbeben vom Jahre 115 wird
lediglich daraus erfchloffen, dafs für die Endzeit aufser^
anderen Schrecknifsen auch Erdbeben prophezeit werden
(70, 8—71, 1). Für die Entftehung des Buches Tobi
in den erften Regierungsjahren Hadrian's ift ein Hauptgrund
der, dafs Tobi gewiffenhaft den Genufs heidnifcher
Speife vermeidet (1, 10—12). Dicfe foll aber, wie der
Verf. im Anfchlufs an Grätz behauptet, ,erft kurz vor
dem grofsen Kriege gegen die Römer und vor dem Untergange
des Tempels' verboten worden fein. .Folglich
kann das Buch Tobi, welches auf diefes Verbot fchon

Giefsen. E. Schürer.

Volkmar, Prof. Dr. Guft., Jesus Nazarenus und die erste
christliche Zeit, mit den beiden erften Erzählern. Zürich
, Schmidt, 1882. (IX, 403 S. gr. 8.) M. 6. 50.*)

Nachdem der Verfaffer zur Einleitung einen Ueber-
blick über feine Anfchauungen von der Religion im Allgemeinen
und von der befonderen Bedeutung der Religion
Jefu, von der Bildung des neuteftamentlichen Kanons
in der altkatholifchen Kirche, und endlich von den ur-
chriftlichen Schriften, welche als Quellen zum Leben Jefu
dienen oder dienen wollen, gegeben hat, fucht er im
erften Theile feines Werkes die Gefchichte Jefu nach
denjenigen Ueberlieferungen darzuftellen, welche er als
die urfprünglichften, dem erften Jahrhunderte Angehörigen
betrachtet, nämlich nach den vier allgemein anerkannten
Briefen des Paulus, der Apokalypfe des Johannes
, dem Evangelium des Marcus und der Archäologie
des Jofephus. Im zweiten Theile, unter der Ueberfchrift
Jefus der Chriftus des Gottesvolkes und die erfte Jüngergemeinde
', fucht er darzulegen, wie die meffianifche Anerkennung
Jefu, welche bei Lebzeiten Jefu noch gar
nicht hervorgetreten fei, nach feinem Tode bei feinen
Jüngern, und zwar zuerft bei Petrus, durchgebrochen fei
und wie fich auf Grund diefes fiegesgewiffen Glaubens
an den auferftandenen und zur Wiederkunft erwarteten
Chriftus die erfte Jüngergemeinde entwickelt habe, zuerft
noch in national-jüdifcher Befchränkung, dann nach Zutritt
des Paulus zum Auferftehungsglauben in univerfaler
Ausgeftaltung. Im dritten Theile giebt er eine Ueber-
fetzung einerfeits des Marcusevangeliums, andererfeits
ein fo grofses Gewicht legt erft nachher verfafst fem', der auf den Täufer, auf Jefum und auf Jacobus den Ge-
s. 133). Die jud.fche,,, Gelehrten vergeffen h.er vor lau- ; rechten bezüglichen Stellen aus der ArehäSogl? des
er talmud, eher Gelehrfamke.t, dafs fchon der junge Jofe hus. Dkt TJeberfetzung des Marcus wird mft mög-
Dame Um Hofe Nebukadnezar's die königliche Koftver- lichftcr Worttreue nach dem Texte des Vaticanus gt
fchmaht, um fich nicht zu verunreinigen (Daniel 1, 8 ff.j.
Nach diefen Proben wird man auch nicht fehr begierig
fein, die übrigen Gründe kennen zu lernen, welche der

Verf. fonft für feine Anfätze in Betreff der Abfaffungszeit
der behandelten Schriften geltend macht. Sie ver-
rathen leider nur zu fehr die Grätz'fche Schule.

geben, doch nicht ohne folche Verbefferungen des vati-
canifchen Textes aufzunehmen, welche durch die heften
anderweitigen Textzeugen angezeigt werden. Die ein-

') Die verfpätete Anzeige diefes Werkes fällt nicht dem Herrn Referenten
zur Lad. Die Redaction.