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Ausgabe:

1885

Spalte:

536-538

Autor/Hrsg.:

Tiling, Wilh.

Titel/Untertitel:

Das Wort Gottes, betrachtet zu Nutz und Frommen unserer christlichen Gesellschaft. Essay. 2. erweit. Aufl 1885

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Lüeraturzeitung. 1885. Nr. 22.

felbftändige Schriften verfpreche, ftellt der Verf. mit
Unrecht als ficher hin; fchon Lipfius hat im Lit. Centraiblatt
1885 Nr. 8 gegen feine Erklärung der Stelle Wider-
fpruch erhoben. Zahn hält, was unfere Ausgaben als
8. Buch bieten, nebft den epit. ex Theod. und den ecl.
proph. für Bruchftücke des 8. Stromateus. Aber die
Florentiner Handfchrift beweift für die epit. ex Theod.
nicht das Mindefte. Wenn ferner Acacius die ecl. proph.
als 8. Strom, bezeichnet, fo wiffen wir gar nicht, ob er
unfer Buch 8 und die epit. Theod. damit in Zufammen-
hang brachte, oder ob es nicht vielmehr Handfchriften
gab, die jene ecl. in ähnlicher Weife als 8. Stromateus
enthielten, wie es bekanntlich mit der Schrift quis dives
salvetur der Fall war. Vielleicht bietet Pitra's Coislinia-
nus den erwünfchten Beweis der Zufammengehörigkcit;
aber ob Zahn (in Luthardt's Zeitfchr. 1885 S. 24) Pitra's
Worte an. sacr. II p. XXIX richtig gedeutet hat, ift bei
der Dunkelheit von Pitra's unbeholfenem Latein mehr
als fraglich, und die Unterfuchung der Handfchr. felbft
ift unumgänglich. Ich will nicht fagen, dafs Zahn's Anficht
vom 8. Buche falfch fei; aber bewiefen ift fie bis
jetzt noch nicht, denn auch die inneren Gründe Zahn's
find theilweife recht anfechtbar. Gewundert habe ich
mich, dafs Zahn von der Vermuthung, in unferem 8.
Buche fei der Eingang von Clemens' Schrift 7ieqI aQ%üv
erhalten, gar keine Notiz genommen hat. Freilich kann
ich diefer Vermuthung gegenüber ein Bedenken nicht
unterdrücken. Clemens wollte rä neqi ccgxtov <pvOio-
loyijd-dvta behandeln, hat alfo hier unter ugvcd Prin-
cipien im Sinne der alterten griechifchen Philofophie,
nicht philofophifche Principien in unferem Sinne verrtan-
den, zu dem die logifchen Unterfuchungen unferes 8. Stromateus
paffen würden.

Den Unterfuchungen über die Schriften des Clemens
ift ein vortrefflicher Abfchnitt über fein Leben beigefügt
, der weniger Neues bietet als das Vorangehende,
aber auch weniger Widerfpruch erfahren wird. In der
kritifchen Ausgabe des Clemens, die Prof. Hiller in Halle
und ich für die bibliotlieca Teubneriana vorbereiten, wird
es an manchem Widerfpruch gegen Aufftellungen des
suppl. Clement, nicht fehlen können; aber ebenfowenig an
Dank und Anerkennung diefer Arbeit von durchaus
felbrtändiger Gelehrfamkeit.

Die zweite Hälfte des Bandes bietet Beilagen mancher
Art, theils durch die Arbeiten für Clemens veran-
lafst, theils Nachträge zu den früher erfchienenen Theilen
diefer Forfchungen enthaltend. Da der Uber Anatolii de
ratione paschali die Pafchafchrift des Clemens erwähnt,
fo wird eine Frage wieder aufgeworfen, die feit van der
Hagen und Ideler für beantwortet galt. Zahn möchte
diefe Schrift dem um 270 lebenden Anatolius von Lao-
dicea wieder zurückgeben, während man fie jetzt allgemein
für unecht, für ein den brittifch-römifchen Ofter-
ftreitigkeiten des 7. Jahrhunderts entfprungenes Product
hält. Eine neue Unterfuchung und forgfame Berück-
fichtigung des von Zahn Gebotenen fcheint in der That
nöthig, wobei es freilich Meinungen gegenüber, wie z. B.
der S. 185, 16 ff. vorgetragenen, an der nöthigen Skepfis
nicht wird fehlen dürfen. Mit Nachträgen zu feinem
Theophilus hat Zahn nicht weniger als 79 Seiten bedrucken
laffen, und noch an anderem Orte ift er auf
denfelben zurückgekommen (Luthardt's Zeitfchr. 1884
S. 626—628, 1885 s- 37—39. vgl. Hauck a. a. O. 1884
S. 561—568). Harnack hat doch recht wohl daran ge-
than, feine Kritik diefes Theophilus fo zu publiciren, wie
er fie vor feiner Entdeckung der brüffeler Handfchr. ge-
fchrieben hatte. Die dort vorgetragenen Gründe find
ganz für fich allein entfeheidend und bis jetzt in keinem
einzigen Punkte widerlegt. Allerdings fehe ich auch in
dem Prologe der Handfchriften (nach Pitra kann man ja
jetzt im Plural fprechen) eine willkommene Bertätigung
von Flarnack's Refultat; aber es rteht auch ohne diefe
Stütze feft genug, durch eine Beweisführung gefichert,

in der wohl jeder Hiftoriker ein Mufter methodifch fort-
fchreitender Kritik erblicken wird. Mag nun einer zu
der Noth- und Angfthypothefe von der Unechtheit des
Prologes greifen, oder mag ein anderer den deutlich genug
redenden Prolog, mag er den Begriff Compilation
und ihr Wefen mifsverftehen — habeant sibi!

Auch auf die Lehre der zwölf Apoftel hat Zahn noch
Rückficht nehmen können. Nahezu gleichzeitig ift ! [ar-
nack's ausführlicher Commentar erfchienen. Wir freuen
uns der Uebereinftimmung beider Forfcher in wichtigen
Stücken. Zahn's bereits im J. 1873 aufgeftellte Anficht von
dem Verhältnifs der canones ecclesiastici zu Clemens ift
durch den Fund beftätigt worden. Ebenfo wie Harnack
lehnt Zahn Bryennios' Hypothefe einer Benutzung der
Didache in const. apost. I—VI ab, während beide Gelehrte
diefe Benutzung in const. apost. VII und in can.
eccl. anerkennen. Die von Harnack nachgewiefene,
hiftorifch fo bedeutfame Identität des Intcrpolators von
const. apost. I— VI mit dem Verfaffcr von const. apost.
VII und dem Interpolator der Ignatiusbriefe dagegen hat
Zahn noch nicht erkannt. Recht glücklich ift die Deutung
, die Zahn S. 287 von der Erwähnung der Apoftel
in dem Titel der Schrift giebt, und fie ftimmt mit Har-
nack's Ausführung fachlich überein. Die Dispofition der
ganzen Schrift aber hat erft Harnack richtig ermittelt;
daher vermifst Zahn S. 288 auch mit Unrecht in der
diöaya] die Entwickelung des Gebotes der Gotteslicbe
und verkennt S. 312 die literarifche Gewandtheit des
Verf.'s. Bei der Befprechung der Abendmahlsliturgie
finden fich fchr richtige Bemerkungen wie die über das
wirkliche Mahl und die Exhomologefe neben fo bedenklichen
wie der über Maranatha S. 294. Bei dem Abfchnitt
über die Propheten vermifst man die wichtigen
lucianifchen Parallelen. Der Satz S. 301 ,das Zutrauen der
Doctr. zu den Propheten ift offenbar fehr grofs' ift aus
der Doctr. felbft zu widerlegen. Völlig mifsverftanden
hat Zahn S. 302 den Dienft der Epifkopen und Diakonen
am Worte, s. Harnack z. d. St. Die chronologifche
Fixirung der Didache hängt im Wefentlichen von der Ent-
fcheidung der Frage nach ihrem Verhältnifs zu Barnabas und
Hermas ab. Dafs Hermas eine Quelle der Didache ift,
wird jetzt wohl allgemeine Anerkennung finden. Dagegen
wird die von Bryennios und Harnack angenommene Benutzung
des Barnabas in der Didache von Zahn in eine
Benutzung der Didache durch Barnabas verwandelt.
Wäre die Frage nur die, ob die Didache aus den ungeordneten
Materialien des Barnabas ihre wohlgefügte
Ordnung gefchaffen, oder ob Barnabas das ihm in guter
Ordnung vorliegende verwirrt habe, fo müfste man m.
E. Harnack's Meinung unbedingt beitreten. Inzwifchen
aber hat Holtzmann Zeitfchr. f. prot. Theol. XI, 154 ff.)
auf eine dritte Möglichkeit hingewiefen.

Strafsburg i. Elf. K. J. Neumann.

Tiling, Part. Oberlehr. Wilh., Das Wort Gottes, betrachtet
zu Nutz und Frommen unferer chriftlichen Gefellfchaft.
Effay. 2. erweit. Aufl. Riga, Stieda, 1885. (XI, 40 S.
gr. 8.) M. 1. 20.

Innerhalb eines Monates ift von vorliegender Abhandlung
eine zweite Auflage nöthig geworden, ein Zeugnifs
von dem Auffehen, das die Schrift dort in Riga gemacht,
und von dem Intereffe, das fie erweckt hat. Was der
Herr Verfaffer bietet, ift ein Abfchnitt der Religionslehre,
welche derfelbe in der Prima des Rigaifchen Gouverne-
ments-Gymnafiums ertheilt. Den Zweck der Veröffentlichung
giebt der Herr Verf. in dem Vorworte (S. III—
VIII, wozu in der 2. Aufl. ein Nachtrag bis S. X kommt;
dahin an, dafs er durch eine Lehre von der Infpiration
der Verfaffer unferer heil. Schriften des N. Teftamentcs
die den Lefern der Bibel unverftändliche, der heil. Schrift
felbft widerfprechendc kirchliche Infpirationslchrc des