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Ausgabe:

1885

Spalte:

423-426

Autor/Hrsg.:

Gelzer, Heinrich

Titel/Untertitel:

Sextus Julius Africanus und die byzantinische Chronographie. 2. Thl. 1. Abth.: Die Nachfolger des Julius Africanus 1885

Rezensent:

Harnack, Adolf

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überhaupt getagt wird, erhebt fich nicht über das Gewöhnliche
; erfreulich ift die Anmerkung auf p. 458, die
mit den Worten beginnt: ,Rien ne parait moins fonde, que
l'origine juddique attribuee quelquefois a la doctrine unitaire
de Theodote et de Paul.... Theodote et ses disciples sont
des lettres, nourris dans la Philosophie d'Aristote'. Unter-
fuchungen über die fog. Verfolgung Aurelian's fchliefsen
diefes Capitel ab.

Von den drei Appendices find die beiden erften
fchon berührt, der dritte enthält (p. 517—544) ein ,Essai
d'Interpretation d'un fragment du Carmen apolog. de Com-
ntodien'. Der Verf. bezieht den Nero auf Valerian und
fetzt die Abfaffungszeit des Carmen auf d. J. 260, jedoch
noch vor das Edict des Gallienus.

Vergleicht man diefen 4. Band mit den drei früheren
, fo läfst fich ein Fortfehritt keineswegs conftatiren
— im Gegentheil erfcheint Ref. der vorliegende dürftiger
zu fein. Trotz des grofsen Umfangs des Werkes erfährt J
man von vielen Dingen gar nichts, die unter dem Titel:
,L'eglise et l'etat nicht überfehen werden dürfen. Die
Veränderung der Stimmungen in der Kirche, die neue
Beurtheilung des Staates, die fortfehreitende Organifation
u. f. w. wird kaum berückfichtigt. Aber auch das, was
befprochen wird, wird kaum irgendwo erfchöpft und
von wirklicher, kritifch-exegetifcher Gelehrfamkeit findet
man nur geringe Spuren. Dennoch wird man das Buch
um der Märtyreracten willen, die feit Ruinart fo feiten
angerührt worden find, nicht überfehen dürfen.

Giefsen. -Adolf Harnack.

Geizer, Heinr., Sextus Julius Africanus und die byzantinische
Chronographie. 2. Thl. 1. Abth.-. Die Nachfolger des
Julius Africanus. Leipzig, Teubner, 1885. (VIII, 425 S.
gr. 8.) M. 12.80.

In diefer Zeitung 1881 Col. 278 — 283 hat Ref. über
den erften Theil diefes ausgezeichneten Werkes berichtet,
deffen Fortfetzung hier vorliegt, während der Schlufs,
die Zufammenftellung und Bearbeitung der Fragmente,
noch ausfteht. Diefer zweite Theil, welcher die Nachfolger
des Africanus behandelt (Hippolyt, Fufebius, die
lateinifchen Chronographen, Malalas, das Chronikon Pa-
fchale, Syncellus, die apokryphifchen Refte der Byzantiner
, die Fcloge Hiftorion, den Barbarus Scaligeri, das
Chronographeion fyntomon der Wiener Handfchr. Th.
Gr. Nr. 40, den Parif. 1712 und die Synopfis des Ce-
drenus, die chronographifchen Tabellen [Nicephorus,
u. f. w.] und die orientalifchen Chronographen), bietet
naturgemäfs dem Kirchenhiftoriker nicht fo viel Neues
und Werthvolles, wie der erfte. Auch ift Ref. nicht im
Stande, über die Hauptmaffe der Unterfuchungen ein
fachmännifches Urtheil abzugeben, da fie in die politifche
Gefchichte der vorchriftlichcn Zeit einfchlagen; aber Auf-
fchlüffe, welche den Kirchenhiftorikern lehrreich find,
fehlen keineswegs, und auf diefe möchte ich die Auf-
merkfamkeit der Lefer richten.

Hier feffeln fofort die im Eingang flehenden Unterfuchungen
über die Chronik des Hippolyt (S. I—23).
Geizer weift nach, dafs diefes Werk eine überaus
fchwache Leiftung gewefen fei : J. Africanus ift wahrhaftig
kein genialer Forfcher gewefen; aber was chro-
nologifche Gelehrfamkeit betrifft, fleht er hoch über
feinem heiligen römifchen Zeitgenoffen'. Wichtig ift die
aufgewiefene Benutzung der Chronik durch Sulpic. Severus
. Die Angabe im Danielcommentar (Lagarde,
v. 153, 12 sq.), dafs Jefus drei Jahre gewirkt habe, be-
anftandet Geizer, da der Liber generationis und die In-
fchrift auf der Kathedra vielmehr nur ein Jahr angeben.
Jene Stelle ift der augenfcheinliche Beweis, dafs der
Danielcommentar im Intereffe fpäterer Theologie Ueber-
arbeitungen erfahren hat' (S. 20). Der Verf. hätte diefen
etwas rafch gezogenen Schlufs durch einen Einblick in

Bardenh ewer's fchöne Unterfuchung (Des h. Hippolyts
von Rom Commentar zum Buche Daniel, 1877,
S. 87 f.) verftärken können. Bardenhewer, welcher die
indirecte Angabe einer dreijährigen Wirkfamkeit Jefu im
Danielcommentar hingenommen hat, hat darauf aufmerk-
fam gemacht, dafs in dem gleich folgenden Paffus nicht
Alles in Ordnung fei. P. 154, 4 sq. lautet der überlieferte
Text: h) (!) ~/Qovo» 71 agil)v b ocozijq ey. zrjg 71 aq-
Uevov, zrjg Kißiozob, zb Xdiov acö/iia zw xoapqj nqoorrvey-
xev, yqvai(i) y.aDaqw TAeyqvawfiivm evdnltev ul.v zw Xoyqj,
t'Stoirev de nvevitaxi tqi ayLip. Mit Recht nennt B., obgleich
er Katholik ift, diefen Gedanken bei Hippolyt
befremdend. Die Jungfrau Maria wird hier ja als die
Bundeslade bezeichnet, ,mit reinem Golde vergoldet, von
innen mit dem Logos, von aufsen mit dem h. Geifte'.
Es ift vielmehr ,zi)v xißwzov' und ,y.tyoi (uo/ilrr^ oder
,%ey,Qvqojp.ivnvi zu lefen. Die Aenderung ift aber fehwer-
lich eine zufällige, vielmehr ,der Beweis, dafs der Danielcommentar
im Intereffe fpäterer Theologie Ueberar-
beitungen erfahren hat'. Zudem ftören die Worte: e'na&s
de exet zqiay.oozw zqlzq> den Zufammenhang, in welchem
es lediglich auf das Geburtsjahr ankommt.

In dem grofsen Abfchnitt über die Chronika
Fufeb's (S. 23—107) liegt die erfte genaue Unterfuchung
des Verhältniffes des Fufeb zu Africanus vor. Entgegen
der älteren, von Scaliger und Niebuhr vertretenen
Meinung, dafs diefer jenem überlegen gewefen fei, hebt
Geizer die Selbftändigkeit, umfaffendere Gelehrfamkeit
und eindringendere Kritik des Fufeb hervor: ,Mit vollftem
Recht hat fich der wahre Nachfolger des Africanus,
Fufebius, einen grofsen Namen in der Gefchichte der
chriftlichen Hiftoriographie erworben. Es ift hier nicht
der Ort, die Verdienfte diefes ebenfo kenntnifsreichen,
als vielfeitig gelehrten und weitherzigen Kirchenvaters
nach allen Richtungen hin zu würdigen'. Durchweg erfcheint
Fufebius als der bedeutendere: Je mehr man
fich in Beider Werke hineinarbeitet, umfomehr fteigt die
Wagfchale des Eufebius und finkt die des Nikopoliten,
ein Refultat, das ich felbft beim Beginn der Arbeit am
wenigften erwartet, welches fich aber bei weiterer For-
fchung faft mit Gewalt mir aufgedrängt hat. Indeffen
auch hier gilt Fufebius' Wort: iyai äi naod noXXov ibv
dhrntti] Xoyov zi/tKoftevog' (S. 97): ,Aus dem erften Buch
der Chronik folgt, wie mir fcheint, mit Sicherheit, dafs
Fufebius eine ftillfchweigende, aber fehr entfehiedene
Kritik an Africanus ausübte' (S. 24). Dies wird an den
Liften der Fürftenreihen u. f. w. gezeigt. Beifpiele eines
wirklich kritifchen Geiftes des Fufeb werden nicht feiten
aufgeführt. Die zu Ungunften des Kirchenvaters gedeutete
Beobachtung, dafs derfelbe das Verzeichnifs der
Olympioniken lediglich dem Africanus entnahm, diefen
aber nicht genannt, vielmehr von den Vcrzeichnifsen
des Longinus, Phlegon und Thallos gefprochen hat, weifs
Geizer fo zu erklären, dafs Eufebius gerechtfertigt erfcheint
(S. 79): Jen glaube, man thut dem Fufebius
Unrecht, wenn man meint, er habe ein dem Lefer zu
verhüllendes Plagiat begehen wollen. Wo er feine Quellen
nennt, zählt er nur die Profanfchriftfteller auf.
Fr fchreibt für Chriften, und in deren Händen, foweit
fie auf hiftorifche Bildung Anfpruch machten, war damals
Africanus' Chronographie ohne alle Frage; fie
konnten alfo leicht controlliren, woher Eufebius feinen
Olympionikenkatalog hatte'. Sehr lehrreich find die Ausführungen
über den Kanon Fufeb's (S. 88—97). Mit
Recht wird hervorgehoben, welche Bedeutung in der
Gefchichte der Chronographie> der Thatfache zukommt,
dafs Fufebius den Kanon mit Abraham begonnen und
damit das Dahinterliegende als einen Zeitraum bezeichnet
hat, der dem ftreng hiftorifchen Gebiet nicht
angehört. ,Wenn fich nichts von Fufebius' Werk erhalten
hätte, als die zufällige Notiz, dafs er nach Jahren Abra-
ham's datirt, wäre das allein fchon hinreichend, uns einen
Begriff von dem hiftorifchen Sinn diefes geiftvollcn