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Ausgabe:

1885 Nr. 17

Spalte:

397-400

Autor/Hrsg.:

Salmon, George

Titel/Untertitel:

A historical introduction zo the study of the books of the New Testament: being an expansion of lectures delivered in the divinity school of the University of Dublin 1885

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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397 Theologifche Literaturzeitung. 1885. Nr. 17. 398

Ueberfetzung ift wegen der dramatifchen Form in ,Blank-
verfen', alfo in reimlofen fünffüfsigen Jamben, abgefafst.
Wenn Schegg durch folches ,Modernifiren' der Form das
Hohe Lied unferem Verftändnifs näher rücken will, fo
würde dagegen nichts einzuwenden fein, wenn die fünffüfsigen
Jamben nur einigermafsen dem Rhythmus des heb-
räifchen Urtextes gerecht würden. Dies ift aber nicht der
Fall. Vor allem ift das Hohe Lied kein Drama im ftren-
gen Sinne des Wortes, alfo darf man es auch nicht auf
ein Metrum fpannen, welches den rein lyrifchen Partien

unterfcheiden, dafs fie von Sprache, Textkritik u. f. w.
gar nicht handeln, die Gefchichte des Kanons nur in
Geftalt mehr oder weniger ausführlicher Berichte über
die Schickfale der einzelnen Bücher, aber auch in Beziehung
auf die letzteren keine Analyfe des Inhaltes,
keine Erörterung der Entftehungsverhältnifse an fich
geben, fondern blofs die Echtheitsfrage behandeln. Nur
in diefem Intereffe wird auch von Motiven der Abfaffung,
von Quellen, Zeit, Ort u. dgl. gefprochen. Beifpielsweife
erfahren wir über die 4 paulinifchen Homologumena

des Hohen Liedes und überhaupt dem freien, nur durch ( aufser einigen Bemerkungen über die Verkehrtheit der-
die Rückficht auf Inhalt und Affect bedingten Wechfel j jenigen Kritiker, welche auch an ihnen fich vergriffen
des Rhythmus nicht gerecht wird. Wollte man, um den j haben, und aufser einer kleinen Schutzrede zu Gunften

Eindruck gebundener' Rede auch im Deutfchen hervor
zubringen, metrifch überfetzen, fo müfste man etwa
da nun einmal die genaue Wiedergabe des hebräifchen

der beiden letzten Capitel des Römerbriefes lediglich
nichts. Ueberhaupt erhellt eine auffallende Ungleichheit
des Mafses der Berückfichtigung, welches den einzelnen

Rhythmus fich als unthunlich erweift, weil eben folcher i Schriften zu Theil wird, fchon aus der Vertheilung des
Wechfel und folche Freiheit bei völliger Reimlofigkeit 1 Stoffes: Vorlefung 1 Principien der Unterfuchung, 2
für unfer Ohr keinen rhythmifchen Eindruck macht — j Baur's Theorie von der älteren Kirchengefchichte, 3 der

jambifche (oder dazwifchen feltener auch trochäifche)
Verfe von wechfelnder Länge, entfprechend dem Inhalt
und der Form des Originals, verwenden.

Läfst man diefe principielle Einwendung bei Seite,
fo kann man mit der Ueberfetzung im allgemeinen zu-

Antipaulinismus der Apokalypfe, 4—7 die Aufnahme
(Kanonifation) der Evangelien in der alten Kirche, 8 u.
9 die fynoptifchen Evangelien, 10 die Urfprache des
Matthäus, 11 apokryphifche und häretifche Evangelien,
12—17 die johanneifchen Schriften, 18 die Apoftelge-

frieden fein. Sie ift nicht ungefchickt und meift auch I fchichte, 19 apokryphifche Apoftelgefchichten, 20
gefchmackvoll. Da die deutfehe Sprache, wie Schegg die Paulusbriefe, 21 der Hebräerbrief, 22 der erfte Petrusrichtig
bemerkt (S. V), fo biegfam ift, dafs der Jambus ! briet", 23 der Jakobusbrief, 24 der Judasbrief, 25 der
einer treuen Ueberfetzung kaum hinderlich ift, fo könn- j zweite Petrusbrief, Anhang über Hermas und Theodo

ten verfchiedene Unebenheiten und Flickwörter vermieden
fein. Dies um fo mehr, als Schegg nicht das Princip
verfolgt, jeden Vers des hebräifchen Textes mit einer
neuen Strophe zu beginnen. Zu den fprachlichen Härten
rechnen wir: I, 7 ,eine Schlei'rverhüllte'; der Rückficht
auf das Metrum verdanken ihre Entftehung die Ausdrücke:
5, 7 ,Mauereckenwächter' (?) und 7, 1 ,fo etwas, wie
der Machanajim Reigen'; unedel klingt das Fremdwort
,Shawl' 5, 7. — ,Seine Liebe' ft. Linke 2, 6 ift Druckfehler,
vgl- 8, 3-

Als Anhang find dem Buche Beifpiele älterer, alle-

tion (vgl. darüber A. Harnack in diefen Blättern
S. 267).

Das Werk trägt mehr den Charakter des gefproche-
nen, als des gefchriebenen Wortes und macht nirgends
ein Hehl aus feiner durchaus apologetifchen Tendenz.
Vielleicht hat es die Frageftellung verfchuldet, welche
der Verf. von Supernatural Religion in die kritifchen Debatten
jenfeits des Canals hereinbrachte, wenn auch in
vorliegendem Werk Alles den Anfchein erweckt, als
handle es fich bei den textkritifchen, exegetifchen, lite-
rar-hiftorifchen Controverfen, welche heute auf neutefta-

gorifcher Auslegungen beigegeben: Proben aus den ! mentlichem Gebiete geführt werden, nur darum, den
Schriften des Origenes, des Abts von Ebersberg Willi- j Wunderglauben entweder zu ftützen oder zu entwurzeln,
ram, Bernhards von Clairvaux, des Bonaventura und J Nicht minder bezeichnend für den fpeeififeh theologifchen
des Franz von Sales. Die Proben aus den Sermonen , Gefichtspunkt, welcher hier mafsgebend ift, ift das mehr-
des Bernhard von Clairvaux find, unter geringfügigen fach empfundene Bedürfnifs des Verfaffers, feinen eige-
Veränderungen, der Ueberfetzung ,der Reden des heil, nen Infpirationsglauben ficher zu ftellen und die vom
Bernhard über das Hohelied' von Dr. Victor Fernbacher, Standpunkte eines denfelben theilenden Publicums aus
bevorwortet von Prof. Delitzfch (Leipzig 1862) entnom- ! zu befürchtenden Vorurtheile gegen das ganze Unternien
(vgl. a.a.O. S. 110—116; S. 117—123); doch weift ! nehmen forgfältig und vorfichtig zu befeitigen. Und fo
auch hier nicht die geringfte Notiz auf diefe Benutzung | ift denn die Unterfuchung auch im Detail wo nicht direct
Fernbacher's hin. beeinflufst von religiöfen Intereffen, fo doch beftändig

Zum Schluffe benutzt Ref. die Gelegenheit, Freunde
lückenlofer Bibliographie auf ein Schriftchen hinzuweifen,
welches eine freie Umdichtung des Hohen Liedes im
Geifte der Verführungshypothefe enthält, ohne dafs darin
eine Hinweifung auf das Subftrat diefer lyrifchen Dichtun-

mit folchen in Unterhandlung begriffen. Für den im
Ganzen gemäfsigten und vernünftigen Standpunkt, welchen
dabei der Verfaffer einnimmt, mag das Bekenntnifs
fprechen S. 159: ,Ich bin feft davon überzeugt, dafs
wir mehr als anmafsend verfahren würden, wollten wir

gen und ihres epifchen Rahmens vorhanden wäre. Nur etwa verfuchen, die Bedingungen zu dictiren, unter weider
Titel der Schrift birgt eine Andeutung; er lautet: ; chen die Eingebung vor fich geht'. Hier alfo beginnt
Mirjam. Hohes Lied der Liebe von Ernft Harmening, ' das Recht der Wiffenfchaft. Wo aber feine Grenze liegt,
Verfaffer von Matthias Overftolz u. A. (Mühlhaufen i. E., ift in jedem einzelnen Fall nicht fchwer zu errathen.
Wilh. Bufleb, Hofbuchhändler. 1881). ; Denn von infpirirten Subjecten müffen die Bücher des

Lei - v Rvfrel N. T.'s direct oder indirect jedenfalls herrühren, alfo von

1 B" '.'""" Apofteln und Apoftelfchülern innerhalb des fog. apofto-

__:______.__I lifchen Zeitalters gefchrieben fein. So erweifen fich denn

„ , _ __ ... x iu 1 a in der Tnat zunachft alle hiftorifchen Bücher als von

Salmon, George, D.D., A historical introduction to the study denfelben Verfaffern herrührend, welchen die kirchliche
of the books of the New Testament: being an expansion t Tradition fie zugefchrieben hat. Dabei wird der fehiefe
of lectures delivered in the divinity school of the j Gedanke Dr. Edwin Abbott's, das Urevangelium fei auf
University of Dublin London John Murray, 1885. d.le den drd Synoptikern gemeinfamen Stücke zu redu-
(XXII 602 S Pr 8t ifi I CtrrzuruckTewicfen und die angebliche M&it traditio)?

ö ' b' daS elne Zeugnifs des Petrus zurückgeführt, welches

Der Regius Professor of Divinity in Dublin veröffent- dem Marcus zu Grunde liegt (S. 183 f.). Die paulinifchen
licht Vorlefungen, welche fich von dem, was man fonft Briefe werden fummarifch behandelt, wie einft im vorigen
in einem Einleitungswerk zu finden erwartet, dadurch Jahrhundert Paley in feinen .bewunderungswürdigen