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Ausgabe:

1885 Nr. 16

Spalte:

387-389

Autor/Hrsg.:

Ryssel, Viktor

Titel/Untertitel:

Notiz über die Anfänge des Mönchsthums in Syrien 1885

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Theologifche Literaturzeitung. 1885. Nr. 16.

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Sache der Aufklärung liegt, bleibt ganz bei Seite, und
doch ift dies ein mindeftens ebenfo grofses Ergebnifs
desfelben als die religiöfe Umftimmung und die prakti-
fchen Früchte des Pietismus. Auch das Mafs der Wirkung
ift wohl überfchätzt. Der Verfaffer bekennt die
Anregung zu feiner Arbeit von Ritfehl empfangen zu
haben, und dem Kenner werden auch einzelne Spuren
diefer Anregung nicht entgehen. Er hat fich durch die
Erwartung des zweiten Bandes von Ritfchl's Werk nicht
abhalten laffen, mit feiner eigenen Arbeit voranzugehen.
Sie ift ja auch wohl neben Ritfehl nicht überflüffig, da
der nächfte Zweck der Belehrung fich in einer anderen
Lage bewegt. Der Unterfchied Jiegt fchon darin, dafs
Sachfse bei feinem Lefer in demfelben Mafse wenig als
Ritfehl viel vorausfttzt. Ritfchl's Darfteilung ift aber
auch weit umfaffender und, kurz gefagt, gelehrter; und
ebenfo kann jedermann leicht fehen, dafs er überall da
auf den Grund geht, wo uns andere im Stiche laffen.
Wer den Unterfchied der Methode und ihrer Ergebnifse
erkennen will, darf nur Cap. 5 unferes Buches mit den
entfprechenden Ausführungen Ritfchl's vergleichen.

Tübingen. C. Weizfäcker.

Notiz über die Anfänge des Mönchsthums in Syrien.

Erft heute lefe ich meines Collegen Loofs Recenfion über die Habi-
litationsfchrift von Lic. Bornemann: ,/« investiganda monathattts origine
qaibus de causis ratio habenda sit Origenes1 (Göttingen 1885) in Nr. 9
der Theol. Literaturzeitung. In diefer Recenfion ift (S. 209) die Rede
von Weingarten's Stellungnahme zu den Ilomilien des Aphraates. Mit
Recht bemerkt Loofs: ,fo lange W. nicht weitere Gründe vorgebracht hat,
kann gegenüber dem einftimmigen Urtheile der Orientaliften die Zeit jener
Homilien, die aus directen Angaben in ihnen erhellt, nicht als dubiiwi
bezeichnet werden'. Bei dem allgemeinen Intereffe, welches die kirchen-
gefchichtliche Forfchung gegenwärtig an den TJnterfuchungen über die
Anfangszeiten des Mönchsthums nimmt, halte ich es nicht für überflüffig,
aus den orientalifchen Quellen nachzuweifen, wie gänzlich unhaltbar der
Verbuch Weingarten's (Herzog's Real-Encyklop. 2. Aufl. B. X, S. 776, im
Artikel Mönchtum) ift, die Perfon des Aphraates felber und die Zeit der
Abfaffung feiner Homilien in Zweifel zu ziehen:

1. Wenn die kirchliche Tradition nur einen Aphraates kennt, der
in der letzten Hälfte des 4. Jahrhunderts in Edeffa und Antiochien als
Mönch gelebt hat und erft nach dem Jahre 400 geftorben fein kann, fo beweift
dies nichts, weil der Name Afrahat, fpäter Farhad im Perfifchen
ziemlich häufig ift (f. Vullers, lex. pers. II, 673 und Wright, the homi-
lies of Aphraates, pref. p. 7).

2. Es ift keine ,kirchengefchichtliche Unmöglichkeit', dafs Aphraates
als Bifchof zugleich Abt eines Klofters war (vgl. meine Monographie ,Ein
Brief Georgs, Bifchofs der Araber', 1883, S. 41). Denn wenn auch fonft in
der chriftlichen Kirche Bifchöfe, die aus Klöftern hervorgingen, damit zugleich
ihr Klofter verliefsen, fo ift das doch in Syrien von jeher anders gewefen:
es gab allein bei den Jacobiten 21 Klofter, die zugleich Bifchofsfitze waren
(f. Bibl. Orient. II. Diss. de Monophysitis; Notitia episcopatuum faco-
bitaium), zu denen auch das Klofter Mar Matthaei gehört, als deffen
Bifchof Aphraates bezeichnet wird1); und in der arabifch gefchriebenen
Biographie des Ifaak von Ninive, welche die Einleitung zu der arabifchen
Ueberfetzung feiner Werke (Bibl. Vatic. cod. Nilr. XXII) bildet, ift von
feiner bifchöflichen Zelle kjJAÜ:') die Rede.

3. Aus den ,räthfelhaften, dem Chriftenthum fcheinbar widerfprechenden
und mit talmudifchen Sagen fich berührenden Elementen' der Homilien läfst
fich nichts gegen ihre Abfatfungszeit und Authenticität hernehmen; denn
die fagenhaften Elemente rühren von feiner Kenntnifs rabbinifcher Gelehr-
famkeit her, die fich aus den religiüfen Verhältnifsen des örtlichen Syriens
hinlänglich erklärt (f. Georg der Araberbifchof S. 34).

4. Es ift ein Irrthum, wenn W. behauptet, dafs fich die Homilie ,über
die Bundesbrüder' (Bickell, Ausgew. Schriften fyrifcher Kirchenväter, S. 13
,über den Ordensftand'; S. 119 weniger gut: .über die Mönche') in der alten
armenifchen Ueberfetzung nicht fände; fie fleht bei Gallandius (Bibl. veterum
patmm T. V, p. 43—52) ebenfalls als die 6. Homilie unter dem Titel:
,de devotis sive ascetis'.

5. Selbft die Behauptung, dafs Gennadius in feiner Aufzählung der
Werke des Jacob von Nifibis refp. des Aphraates (f. Georg d. A. B. S.
35) einer Homilie über das Mönchsthum nicht Erwähnung thut, ift nicht
ftichhaltig, weil deflen Ueberfchriften zu allgemein und fo ungenau find,
dafs man weder behaupten noch verneinen kann, dafs er diefe Homilie
erwähnt habe (vgl. Saffe a. a. O. S. 12 f.); wahrfcheinlich meint er fie
unter dem Titel ,de castitate', was auch um deswillen ftimmt, weil alle
übrigen Homilien mit ähnlicher Ueberfchrift und verwandtem Inhalte von
Gennadius entfprechend der fyrifchen Bezeichnung benannt werden.

1) So werden z. B. Bibl. Orient. I, 419 a als Vorfteher des Klofters
Mar Mattai neben einander genannt der Bifchof Chriftophorus und der
Archimandrit Adäus.

Zum Schluffe verweifen wir noch auf Th. Nöldeke's Zeugnifs, welcher
in feiner Gefchichte der Perfer und Araber zur Zeit der Safaniden
(S. 410) ausdrücklich fagt. und zwar unter fpecicller Bezugnahme auf die
Zahlangaben des Aphraates, dafs die Beftimmungen des Aphraates keinen
Widerfpruch leiden, da feine Werke in vortrefflichen alten Handfchriften
' erhalten und überdies die Zahlen feines Textes durch ein altes Zeugnifs,
das des Araberbifchofs Georg (f. die mehrfach erwähnte Monographie S.
' 37 ff.) gefichert find.

Dagegen wird Weingarten, abgefehen von diefen literargefchichtlichen
Fragen, fachlich Recht behalten, fofern allerdings bei Aphraates die Bezeichnung
,Bundesbrüder' nicht für Mönche im eigentlichen Sinne fteht.
fondern die Bedeutung ,Asketen' hat. Vor allem mufs man rückfichtlich
der Bedeutung des Ausdrucks 'llcr. *XZ. ,Söhne des Bundes' verfchiedene
Perioden unterfcheiden.

Da das fyrifche qjämä ,Bund' auch eine Gefellfchaft bezeichnet,
die fich zu chriftlichem Wandel und Gottesdienfte eidlich verpflichtet
und alfo dem griechifchen xaro'iv, fofern diefes f. v. a. Klerus ift,
: gleichbedeutend ift, fo dient der Ausdruck .Bundesbrüder' (refp. Ge-
| lübdebrüder, alfo etwa = Eidgenoffenfchaft) in feinem weiteften Sinne
zur Bezeichnung der Kleriker, entfprechend dem griech. xaiovixoi, und
| zwar — im Gegenfatze zu den eigentlichen xhrjQtxoi und zu den xoa-
(iixoi (fyr. IhnNs -Iä d. i. .Weltliche') — die Kleriker, welche die nie-
i deren Weihen hatten, nämlich alle im Dianfte der Kirche befindlichen
| Perfonen unter dem Diakon refp. Hypodiakon (z. B. Overbeck S. 215
I Z. 2. S. 216 Z. 10 u 12). fpeciell auch die zum Klerus (xavajv) gehörigen
kirchlichen Sänger (f. G. Hoffmann, Verhandlungen der Kirchen-
| verfammlung zu Ephefus 449, S. 90, Anm. 91)2). Daneben bezeichnet
aber der Ausdruck .Bundesbrüder' auch Asketen, die ein Gelübde abgelegt
hatten, jedoch nicht im Klofter lebten, fondern dem Klerus ihrer Gemeinde
behilflich waren. In der Bedeutung Asketen fteht er auch bei
Aphraates (f. u.).

Später (nach C. Kayfer ,vielleicht vom 7. Jahrh. an') nannte man
I auch eigentliche Mönche fo3); noch gebräuchlicher aber war der Ausdruck
| Vit r. fiJLs .Gelübdefchweftern' für Nonnen, wiewohl auch diefer Aus-
I druck urfprünglich xavovixai bezeichnete d. h. Frauen, welche fich gemein
fchaftlich unter Leitung von Diakoniffen der Armen- und Krankenpflege
, dem Kirchengefange und anderen Gemein leintereffen widmeten
(f. G. Bickell, Ausgew. Schriften fyr. KV., S 230 Anm.)<). —
Für den Sprachgebrauch des Wortes .Bundesbrüder' bei Aphraates und
überhaupt für die Frage nach dem Alter und Urfprung des Münchsthums
konnte aufser den von Loofs angeführten Stellen (Bickell a. a. O. Horn.
3, S. 53; Horn. 7 S. 101; Dom. 18, S. 119. 122) in erfter Linie auch
die von dem Araberbifchof Georg (f. a. a. O. S. 36) angeführte Stelle
aus der 6. Homilie .über die Bundesbrüder' in Betracht, welche unter Hinzufügung
aller für den Zufammenhang wichtigen Sätze (von Anfang des
IV. Paragraphen an) folgendermafsen lautet: ,Darum, mein Bruder, jeder
Gelübdegenoffe oder Heilige, der die Einfamkeit liebt und will, dafs ein
Weib, als Gelübdegenoffin gleich ihm, mit ihm zufammenwohne — für
ihn ift es rathfam, dafs er ein Weib öffentlich nehme und nicht brünftiges
Verlangen trage; und auch dem Weibe wiederum ift es rathfam, dafs es,

2) Der Ausdruck .Bundesbrüder' ift alfo in diefer Ilinficht gleichbedeutend
mit dem Ausdruck ).z,L. . 11 c (f. Payne Smith, Thess.syr., p.
593; f. noch Overbeck S. 216 Z. 16) d. i. txxhjaiaanxoi (f. Anal.
Syriaca S. mo, Z. 21, vgl. Georg d. A.B. S. 37 Z. 2), welcher nicht

! blofs die Mitglieder der Ecclesia überhaupt, alfo im Gegenfatze zu den
Heiden oder zu den Häretikern bezeichnet (fo bei Cyrill u Hieronymus),
fondern auch die in den unteren Weihen flehenden Geiftlichen (fo vielleicht
bei Eufebius, h. e. II, 35).

3) Vgl. auch den Ausdruck ,Brüder unferes Bundes (eig. unferes Ge-
heimnifses)' in der Bedeutung: ,die gleich uns dem Ordensftande angehören
' bei J. Overbeck, S. 174, Z. 3 in dem Panegyricus auf Rabulas."
Intereffant ift dort auch die Stelle, wo von dem gemeinfehaftlichen Leben
der Kleriker, die zufammen fpeiften, die Rede ift (S. 132, Z. 21 f.).

4) C. Kayfer giebt in feiner Recenfion meiner Schrift über den Araberbifchof
Georg (Theol. Literaturblatt 1884. No. 20) gleichfalls eine kurze
Darlegung über die verfchiedenen Bedeutungen der bnai qjama .Bundesbrüder
', die ich der Vergleichung halber hier mittheile: ,üer Ausdruck
wird ja allerdings in fpäterer Zeit, vielleicht vom 7. Jahrhundert an, fall
nur von Mönchen gebraucht, bezeichnet aber alle, die fich Gott geweiht
haben, befonders die Geiftlichen, namentlich den niederen Klerus, der mit
diefer Bezeichnung in den canones des Rabula (bei Overbeck, Ephraemi
Rabulat cell. opp. sei. p. 218) von den Mönchen geradezu unterfchieden
wird (vgl. auch Land, Anecd. Syr. II, 69, 9)- Auch bei Johannes von
Ephefus und in den Sagen von Julian dem Abtrünnigen find unter bnai
qjama die niederen Geiftlichen zu verliehen, während Ephram bei Hahn
et Siefert, Ephiatmi carmina sei. p. 124, etc. 44 für die Geiftlichkeit
im allgemeinen qjama braucht, und Land, Anecd. Syr. I, p. m8 (fyr.
Text 19), wo von der Euftathianifchen Schwärmerei und dem Concil zu
Gangra die Rede ift, mit bnai qjama ebenfo nur Geiftliche gemeint fein
können.' Ich bemerke nur noch, dafs meine obigen Darlegungen bereits
druckfertig abgefchloffen vorlagen, als mir Kayfer's Recenfion zuging und
dafs ich fie auch nachträglich in keiner Weife verändert habe. Diefelben
bildeten ein Stück meiner Nachträge zu .Georg dem Araberbifchof-, die
nur dem geringeren Theile nach gedruckt werden konnten, weil ich die
Opferfreudigkeit meines Herrn Verlegers nicht auf die äufserfte Probe
ftellen durfte.