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Ausgabe:

1885 Nr. 16

Spalte:

380-382

Autor/Hrsg.:

Berger, Sam.

Titel/Untertitel:

La Bible française au moyen âge, étude sur le plus anciennes versions de la Bible écrits en prose de langue d‘oil. Mémoire couronné par l‘institut 1885

Rezensent:

Birch-Hirschfeld, Ad.

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379

Theologifche Literaturzeitung. 1885. Nr. 16.

380

nik der oberdeutfchen Provinz, der Provinz Strafsburg I r. Berger, Sam., La Bible frangaise au moyen äge, etude
war, und eine Vergleichung mit Wadding macht es ficher, sur les plus anciennes versions de la Bible ecrites en
dafs fie mit deffen ,Chron. ms. provinc. Argentini iden-
tifch in. Es ift diefelbe Chronik, von der verfchiedenen
Angaben zu Folge früher (oder jetzt noch?) eine Hf. in
Luzern lag. (Vgl. z. B. Amonis Vorrede zur Vita
prima et secunda S. Francisci auct. Thoma de Celano
S. VIII.) — In ihrer erften Hälfte beruht fie nach der
Einleitung der Herausgeber grofsentheils wörtlich auf
Jordanus. Das ift aber nur fcheinbar. Das Verhältnifs
ift jedenfalls kein directes; vielmehr zeigt eine Vergleichung
mit Jordanus, Glafsberger und Wadding's Citaten aus
CJiron. Saxon. oder auch Baldewin von Braunfchweig (den
übrigens Wadding nie gefehen hat, fondern nur aus dem
Chron. Sax. kennt), dafs die Strafsburger Chronik faft
überall mit Glafsberger und Wadding zufammenftimmt,
wo diefe von Jordanus abweichen, und zwar nicht blofs
in unbedeutenderen Dingen, fondern auch in fachlich
werthvollen Ergänzungen, Zufätzen kleineren oder gröfse-
ren Umfangs, wie fie doch wohl nur auf Baldewin zurückgehen
können. Welche genaueren Schlüffe man daraus
ziehen darf, läfst fich bis jetzt noch nicht überfehen,
zumal die Chronik aus fehr verfchiedenartigen Beftand-
theilen befteht und die Herausgeber nicht ein Wort
darüber fagen, wo die Hf. liegt, wie alt fie ift, wie viel
Hände an ihr gearbeitet haben u. f. w.!! Es wäre doch
zu wünfchen, dafs folch elementare Forderungen einer
Edition künftig eingehalten würden!

Noch ein Wort über die Einleitung. Diefelbe verbreitet
fich über gewiffe Punkte, welche ihr in Voigt's
Arbeit anftöfsig erfchienen, u. a. über die Anfchauung,
die V. mit vielen Proteftanten von vorn herein theile,
dafs die unzähligen Wunder unzähliger Heiligen aller
Zeiten, felbft diejenigen, welche die Kirche auf Grund
forgfältiger Unterfuchung und der Ausfagen beeidigter

prose de langue d'oil. Memoire couronne par l'in-
stitut. Paris, Imprimerie Nationale, 1884. (XVI, 450 S.
gr. 8.)

2. Le Psautier de Metz, texte du XlVe siecle, edition cri-
tique par Francois Bonnardot. Tome premier:
Texte integral. (Bibliotheque frangaise du moyen
äge t. III.) Paris, Vieweg, 1885. (464 S. 8.)
Faft alle Aufzeichnungen, die als die erften Zeug-
nifse einer erwachenden literarifchen Thätigkeit in den
Sprachen des chriftlichen Abendlandes gelten können,
find von geiftlicher Hand und zu geiftlichen Zwecken
gemacht. In Frankreich war's nicht anders wie in England
und Deutfchland, und der Romanift fühlt fich den
Männern dankbar verpflichtet, die, einer Culturmiffion,
vielleicht unbewufst, folgend, den fchweren und bedeutungsvollen
Schritt wagten, die Formen des lateinifchen
Kirchengefangs nachzubilden in der noch ungelenken
Mutterfprache, und die Leiden Chrifti oder die Lebens-
gefchichte einzelner Heiligen in fchmucklofen Verfen
gemeinverftändlich vortrugen. Und wie die älteren fran-
zöfifchen Lieder, die wir kennen, zum Zwecke religiöler
Erbauung verfafst wurden, fo find auch die erften Ver-
fuche im fchriftlichen Ausdruck ungebundener Rede
geiftlichen Urfprungs. Es ift wohl kein Zufall, dafs die
erften Verfuche diefer Art unternommen werden von Angehörigen
des Stammes, der unter den Völkern Nordfrankreichs
eine Zeitlang in jeder Beziehung die Führer-
fchaft übernommen hatte, von Normannen. Im Zeitalter
Lanfranc's und Anfelm's fühlt man lieh ftark genug,
einzelne Bücher der hl. Schrift in die normannifche

Zeugen anerkannt habe, eitel Fabeln feien. Das fliefse j Sprache zu übertragen. Und die Auswahl ift wieder

ex /also prineipio naturalismi, der neben dem Naturzu
fammenhang keine übernatürliche Ordnung der Dinge
anerkenne, erwiefene Thatfachen in Abrede ziehe und
dann andererfeits mit unglaublicher Gläubigkeit lächerliche
Fabeln erdichte und verbreite, ohne irgend welchen
Zeugen beizubringen: fo Voigt mit feiner Behauptung,
dafs man Elias als denjenigen anfehen müffe, der dem
Leichnam des h. Franz die Wundenmale beigebracht
oder angedichtet habe. — Dafs Voigt hierfür ,keinen
Zeugen beibrachte', kommt doch wohl nur daher, dafs
ihm Hafe die Mühe des Verhörs bereits abgenommen
hatte und dafs von diefem — Verfuch eines Beweifes,
wollen wir in ihrem Sinn fagen — die Herausgeber
nichts wiffen, kommt doch wohl nur daher, dafs man
auf Seiten ihrer Gefinnungsgenoffen die Schrift von Hafe,
gewifs grofsentheils grundfätzlich, ignorirt hat und dafs
fo die einzige wirklich gefchichtliche Auffaffung des Heiligen
ihnen überhaupt unbekannt geworden oder geblieben
ift — gewifs nicht zu ihrem eigenen Vortheil.

Das hindert nicht, für diefe Gabe der Brüder des
Bonaventuraklofters aufrichtig dankbar zu fein und die
Hoffnung auszufprechen, dafs noch eine Reihe folcher
Bände nachfolgen, womöglich auch das Bullarium Fran-
ciscanum fortgefetzt werden möge. Sollten diefe Zeilen
den Herausgebern je zu Geficht kommen, fo fei ihnen

bezeichnend. Der lebhafte hiftorifche Sinn des Normannen
, den auch die zahlreichen Reimchroniken des
12. Jahrhunderts bezeugen, nimmt zuerft die Bücher der
Könige in Angriff, faft gleichzeitig werden das Pfalmen-
buch und die Offenbarung übertragen. Der Befprechung
diefer älteftcn Bibelüberfetzungen find faft ausfchliefslich
die beiden erften Theilc des Berger'fchen Buches gewidmet
. Die beiden älteften franzöfifchen Pfalter gehören
noch dem erften Viertel des 12. Jahrhunderts an. Der
jüngere fog. Cambridger Pfalter, eine Interlineargloffe
zum Psalterium hebraeum des dreifachen lateinifchen
Textes war wohl ein für engere Kreife beftimmtes Hilfsmittel
des Verftändnifses und ift in einem füdenglifchen
Klofter gefchrieben worden; die andere ältere Verfion,
der fog. Oxforder Pfalter flammt aus der Abtei Monte-
bourg bei Valognes (La Manche) und bildet einen felb-
ftändigen Text, der fich auf das Psalterium ■gallicanum
gründet. Berger weift nach, dafs beide Ueberlieferun-
gen auf denfelben Ueberfetzer zurückgehen, denn wo
das lateinifche Wort des gallicanifchen und hebräifchen
Pfalters dasfelbe ift, ift auch in beiden Fällen das ent-
fprechende franzöfifche Wort dasfelbe; es liegt nahe, anzunehmen
, dafs ein Schüler Lanfranc's zuerft in cm Psalterium
triplex eine dreifache oder zweifache franzöfifche
Interlinearverfion hineingefchrieben habe. Merkwürdiger-

die Bitte ausgefprochen, in künftigen Bänden die Ein- 1 weife ift diefe Ueberfetzung zur Grundlage aller franzö-
leitungen etwas vollftändiger zu machen und namentlich I fifchen Pfalmenbücher geworden, die in Frankreich bis
über die Handfchriften, ihren Aufenthalt, ihr Alter, ihre | zur Reformation in Gebrauch gewefen find. Die Zahl
Einheitlichkeit oder das Gegentheil u. ä. genaueres an- 1 der franzöfifchen Pfalterhandfchriften des Mittelalters bezugeben
und — um diefen zwar äufserlichen, aber für die ! trägt mehr als hundert: alles Bearbeitungen der Verfion
Brauchbarkeit einer Ausgabe nicht unwefentlichen Punkt von 1100 und zwar überwiegend nach dem gallicanifchen
auch hier zu nennen — zumal bei fo grofsem Format und ! Texte von Montebourg (Oxford). Die erfte wirklicli
engem Druck die Zeilenzählung am Rand durchzuführen, neue Uebertragung des Pfalters ift die von Peter Robert
Halle aS. Karl Müller ! Olivetanus dem Vetter Calvin's, verfafste; wogegen die

_ ! Löwener Bibeln bis zum Jahre 1690 den alten lext in

j der Revifion von Le Fevre d'Etaples wiederabdrucken.
Auch der Lothringer Pfalter, der uns jetzt in einer