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Ausgabe:

1885 Nr. 15

Spalte:

358-361

Titel/Untertitel:

Leuschner, Soll § 14 der Kirchen-Gemeinde- und Synodal-Ordnung gemäss den Beschlüssen der Provinzial-Synoden geändert werden? Eine Lebensfrage für unsere evangelische Kirche 1885

Rezensent:

Köhler, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1885. Nr. 15.

35»

darauf hinzuweifen, wie diefer Nachweis an der erbaulichen
zumal der poetifchen Literatur geführt ift. Man
darf fich hier nicht damit begnügen, das Süfsliche, Weichliche
und Unnatürliche der Stimmung anftöfsig zu finden;
man mufs vielmehr auch erkennen, woher dasfelbe ftammt
und wohin es führt. So ift auch ficher das Urtheil nur
gerecht, welches dem befonnenen, gemäfsigten Verhalten,
den überall confervativen Ablichten Spener's vollkommen
gerecht wird, aber zugleich die Unhaltbarkeit feiner
Stelluno; aufweift, in welcher er doch allen den AusBedeutung
der Kirche für das Heil des Einzelnen, als
der Pietismus fie feflzuhalten vermochte, fondern vor
allem auch eine andere Bedeutung des Staates und der
Gefellfchaft, als wie diefe demfelben erfchien. Und
jener Zufammenhang wird auch dann bleiben, wenn wir
annehmen, dafs das urfprüngliche Lutherthum noch
mindeftens ebenfoviel Katholifches, nur auf einer anderen
Seite an fich gehabt habe, als Myftik und Pietismus
hereingebracht haben. Ein ganz befonderes Verdienft
unter allen den mühfamen und forgfältigen Zufammen-

artungen, von welchen er fich ferne hielt oder zu halten | ftellungen einzelner hiftorifcher Erfcheinungen an ihrem
fuchte, mitgeholfen hat. Es ift eben nicht blofse Milde j Orte hat auch der ausführliche Nachweis der Verbreitung
oder Weitherzigkeit, wenn er dem Enthufiasmus der j des Pietismus in Deutfchland im achtzehnten Jahrhun-
Myftik, der Separation Entfchuldigung oder Vertheidi- j dert, welcher aufs neue in überzeugender Weife feftftellt,
gung widmet, und ebenfo wenig nur perfönliche Schwäche, i dafs derfelbe, mit Ausnahme des Eidlichen Deutfchlands,
wenn er Dinge, wie das Bibelauffchlagen befördert, feine Heimath nicht im Volke oder den unteren Schich-
Sondern diefe Dinge hängen an dem ganzen Manne, und 1 ten, fondern ganz überwiegend in den höheren Gefellfind
eine Folge der Gedanken, die er felbft verfolgt, fchaftskreifen gefunden hat. Ritfehl hat dies eingehend
In gleicher Weife ift es ficher auch nur gerecht, wenn beleuchtet, und die günftigen und weniger günftigen
die Schatten in dem Charakterbilde FYancke's auf feine j Wirkungen, die daraus hervorgingen, zufammengeftellt.
Glaubensweife zurückgeführt werden. Auch hier ift es ! Was die Urfachen betrifft, fo werden wir nicht vergeffen
nicht fo, dafs mit der gewaltigen Energie des Vorfehungs- ( dürfen, dafs gerade in diefen Ständen die ftaatliche
g'.aubens diefes Mannes feine Rechthaberei, die Selbft- j Entwicklung Deutfchlands eine Nichtbefriedigung er-
täufchungen über Göttliches und Menfchliches, die Machi- j zeugen mufste, welche der gute Boden für die Aufnationen
zum Behufe einer officiellen Geltung feiner j nähme der Bewegung wurde. Und dies führt dann
Grundfätze nur zufällig zufammenhängen. Die Wurzel j wieder zu der allgemeinen Wahrnehmung, dafs der
mufs tiefer liegen, und es gefchieht zum erftenmale, dafs j ganze deutfehe Pietismus fammt Myftik im 17. und 18.
auch diefe Grundlage erforlcht wird. Darin erft liegt die 1 Jahrhundert auf der Seite des Fortfehrittes und der

wahre gefchichtliche Gerechtigkeit. Mit weniger Liebe
ift befonders Arnold behandelt worden; allerdings bewegt
er fich mit feinen Anflehten auf der bedenklichen Linie

neuen Ideen fleht. Ritfehl hat an einer Menge von
Orten auf diefe Zufammenhänge hingewiefen; ihre Aufzeigung
aber bleibt nach der Idee feiner Darftellune

der ausfehweifenden Myftik, aber gegenüber diefer I dem Hauptgefichtspunkt des theologifchen und religT
Schattenfeitc kommt doch wohl das Verdienft, welches öfen Motivs untergeordnet.

er durch feine Leiftung als Hiftoriker hat, und die dem- ; Tübingen. c Weizfäcker

felben zu Grunde liegende Idee, faft zu kurz. Sonft _°_

haben auch die lutherifchen Separatiften alle Gerechtigkeit
erhalten, die fie verlangen können; denn die Er- I. Leuschner, Confift.-R., Soll $ 14 der Kirchen-Gemeinde-
zahlung geht nicht nur ihren Sätzen und Meinungen, und Synodal-Ordnung gemäss den Beschlüssen der Pro-
fondern auch ihren Handlungen und Schickfalen mit vinzial-Synoden geändert werden? Eine Lebensfrage
frrrifster Genauir/keit nach. Es liegt in dem ganzen Plane f.. r ,.r , ... ■ rA ... , ,

groisici uciiauig^u imv . B j s fur unfereevangehfeheKirche. [Aus: ,Deutfch-evangel.

des Werks, dafs dasfelbe in eingehender Weife fich mit f L 1 ««.ucv«uSci.

Blatter'.] Halle, Strien, 1885. (19 S. gr. 8.) M. —.30

2. Frantz, Prof. Dr. Adph., Die Wahlberechtigung der

der Halle'fchen Theologie, ihren Leiftungen und ihrem
Verlaufe befchäftigt. Die Unbefangenheit des Berichtes
und Urtheiles zeigt fich hier in glänzender Weife an der

Geistlichen bei den kirchlichen Gemeindewahlen. Marburg,
Darfteilung des Streites mit Löfcher. Auch ift dem j E|wert's Verl., 1885. (IV, 36 S. 8.) M. —. 60.

Verhalten ^ j .. Die Kirchen-Gemeinde- und Synodal-Ordnung für
Separatmen_^e <g£W^ fj dner - die preufsifchen Oftprovinzen vom 10. Sept. 1873 befagt
^/etUVSkavtbSS ™r Aufklärung. Auch in $ «4= .Der Pfarrer bleibt in feinen geiftlichen Amtsanderen
unie' 1 -t xhomafius und Stryk war nicht thätigkeiten der Lehre, Seelforge, Verwaltung der Sacra-
der Zufammennaug nund äufserer Intereffen; und mente und in feinen übrigen Minifterialhandlungen von
Zufall oder ^°'^r ^ ^ neue Wege 'dnge. , dem Gemeinde-Kirchenrath unabhängig Er ift jedoch
Bufching und seimc ^ Lebensgang verpflichtet, die Fälle, wo er ein Gemeindeghed von der
fchlagen, liegen a°*:r ,, . Pietismus. Auch für die ' Theilnahme an einer von ihm zu vollziehenden Amts-
in der Linie des Halle ^ . fo wie jm l? Jahrhundert handlung, insbefondere vom h. Abendmahl, zurückzu-
Gefchichte des letzteren ui = und 'reichiich ver- weifen für nothwendig hält, unter fchonender einftweiliger
die Asketik und loelie LTaemBeifpiele Porffs, deffen Zurückhaltung des Betreffenden, dem Gemeinde-Kirchen -
wendet, vor allen Dingen an entnunliicner Bedeutung rath vorzulegen. Stimmt diefer zu, fo ift die Zurück-
theologifche Würdigung von » ronderen Vorwurf darin weifung auszufprechen, gegen welche dem Betroffenen
ift, wenn ich auch nicht einen befprochene der Recurs an die Kreisfynode offenbleibt. Erklärt fich
fehen kann, dafs demfelben oie . « Löfung der G.-K.-R. gegen die Zurückweifung, fo wird diefer
Antinomie zu löfen nicht.*e5"*JJf jfc Taufe mit Luther 1 Befchlufs zwar fofort wirkfam, aber der Geiftliche ift
auch nicht in dem Zurückgehen a 1 m;t freilich auf befugt, wenn er fich bei demfelben nicht beruhigen will,
finden würde (465, 470- . ir -ZtiJSStL™ RS*r>W. ««« R.»«»i.-u--------

etwas allgemeineres. In der ganzen Ausführung Ritfehl s
Hegt der Gedanke zu Grunde, dafs die richtige Lofung
der von dem Pietismus angegriffenen, aber nicht aul
dem reinen Wege der evangelifchen Kirche wirklich
gelöften Aufgabe in der urfprünglich lutherifchen Lehre
fchon enthalten und aus ihr zu entnehmen lei up

die Sache zur Entfcheidung an die Kreisfynode zu bringen
.' Aehnlich verpflichtet < 13 der Trauungs-Ordnung
vom 27. Juli 1880 den Geiftlichen, welcher auf Grund
von « 11 und 12 eine Trauung ablehnt, auf Verlangen
der Betheihgten die Sache zur Entfcheidung dem Gemeinde
-Kirchenrath, bezw. in einem Fall dem Kreis-

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das fich durchfuhren läfst, mag hier dahingeftellt blei- lynodalvorftand vorzulegen, gegen deren Ausfprüche ihm
ben, wenn wir nur darin einverftanden find, dafs diele der Kecurs an den Kreisfynodalvorftand, bezw. das Con-
Löfung auf der Entwicklungslinie der Reformation , fiftorium zufteht, beftimmt jedoch weiter in $ i4: ,die
liegt Auf diefer Linie liegt aber nicht blofs eine andere | dem Geiftlichen gegen die Entfcheidung des G.-K.-R.