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Ausgabe:

1885 Nr. 14

Spalte:

330-333

Autor/Hrsg.:

Keller, Ludwig

Titel/Untertitel:

Die Reformation und die älteren Reformparteien. In ihrem Zusammenhange dargestellt 1885

Rezensent:

Tschackert, Paul

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329 Theologifche Literaturzeitung. 1885. Nr. 14. 330

Collegium der Presbyter und Diakonen anlangt, fo kann einzelne Bifchöfe für die gefammte Kirche verbindlich

Referent den Beweis nicht acceptiren, den R. aus ep. 20,2 zu machen wufste, insbefondere foweit fie die lapsi betraf,

dafür bringt, dafs bei Entfcheidungen des den Bifchof Wenn nun andrerfeits derfelbe Cypr., der die milde

vertretenden Clerikercollegiums hin und wieder die Dia- Behandlung der Todfünder ihrem Abfchlufs entgegen-

konen den Ausfchlag creben konnten. Denn der aus ep. führt, die Schismatiker, d. h. alle der bifchöflichen Auto-

20 angezogene Satz: *item presbyteris et diaconibus non rität fich nicht im Gehorfam unterordnenden Chriften —

defuit sacerdotii vigor* redet gar nicht von der priener- welche bisher eine ftrenge kirchliche Rüge nicht er-
lichen Macht der Presbyter und Diakonen, an der diefe } fahren hatten — mit den Strafen bedroht, die nur den

es einigen unbotmäfsigen Geiftlichen gegenüber nicht
hätten fehlen laffen, wie R. annimmt (S. 15 u. S. 31).
Unter dem ,vigor sacerdotii' ift vielmehr Cyprian's prie-
fterliche Macht verftanden, an der er es den Presbytern
und Diakonen gegenüber nicht hatte fehlen laffen. Zu
diefer Auslegung zwingt uns der ganze Zufammenhang
des 20. Briefes, in welchem Cypr. dem römifchen Clerus
berichtet, was er in dem während feiner Abwefenheit
von feiner Gemeinde ausbrechenden Gefallenen-Streit zur
Beilegung desfelben gethan, um ihn durch Briefe an
die Märtyrer und Bekenner (ep. 15), an die Presbyter und
Diakonen (ep. 16) — und auf diefen Brief bezieht fich
der oben angeführte Paffus — fowie an das Volk (ep. 17)

gütlich beizulegen.

Indem der Verfaffer nun zu den Concilien(S. 153—164)

Todfündern zuerkannt wurden, fo greift R. gewifs nicht
fehl, wenn er die von Cypr. gegen die Schismatiker getroffenen
Mafsregeln auf das Beftreben desfelben zurückführt
, einen Erfatz für die Einbufse, die das bifchöfliche
Amt an Anfehen und Macht durch das mildere Verfahren
gegen die Gefallenen erlitten, dadurch zu be-
fchaffen, dafs er demfelben die Competenz ertheilt, die
Schismatiker aus der Kirche auszuftofsen.

Aus dem 3. Capitel des zweiten Theiles (dem 8.
des ganzen Buches), das die Gemeinde und die Gemeindebeamten
näher in's Auge fafst (S. 208—238), müffen
wir auf den vom Bifchof handelnden Abfchnitt (S. 213
—228) befonders aufmerkfam machen. Alle aus der
Auffaffung Cypr.'s vom Priefterthum refultirenden Con-
fequenzen finden fich hier in tief durchdachter und

übergeht, verfährt er fehr behutfam, um die zur Theil- | klarer Weife aufgezeigt. Wer nur diefe 15 Seiten des
nähme am Concile Berechtigten zu ermitteln. Da bei : Buches lieft, wird den Eindruck mitnehmen, dafs der
Cyprian eine grofse Unklarheit darüber herrfcht, wer j Verfaffer eine nicht gewöhnliche Befähigung befitzt,
zur Theilnahme an einem künftigen Concile berufen Probleme fcharf in's Auge zu faffen und alle inneren
werden foll, fo benutzt R. nur diejenigen Nachrichten, Beziehungen einer weitverzweigten Frage aufzudecken,
die die Theilnehmer an bereits abgehaltenen Synoden Auf eine nähere Darlegung des Inhalts diefes Capitels,
nennen. Als Haupt-Ergebnifse der die Concilien be- ; fo wie eine ausführlichere Motivirung feines Widerfpruchs
treffenden Unterfuchung feien erwähnt, dafs fich die j gegen manche Einzelheiten, wie z. B. gegen die BeAnnahme
, neben den Bifchöfen wären auch die Presbyter ! hauptung (S. 231), unter ,sacerdotes et ministros1 in ep. 72
ftimmberechtigt gewefen, bei einer fachgemäfsen Aus- feien Presbyter und Diakonen gemeint, oder gegen die
legung von ep. 71 und ep. 75, wie der Verfaffer fie vor- [ Erklärung und Verwerthung (S. 234) der Worte in
fchlägt, nicht halten läfst, fowie dafs den Concilien ein ep. 5 ,singidi presbyteri eum singulis diaconis per vices
Gefetzgebungsrecht, Befugnifs zur Gerichtsbarkeit und alternenV, mufs Referent verzichten, um nicht die An-
die Entfcheidung zuftand, ob ein neugewählter Bifchof zeige diefes Buches über Gebühr auszudehnen. Aus
anzuerkennen fei oder nicht. dem gleichen Grunde üeht er fich genöthigt, fich mit

Nach einer kurzen Darlegung des regen perfönlichen j einem Hinweis zu begnügen auf die im Anhang (S. 239
und brieflichen Verkehrs der Bifchöfe unter einander —250) von R. zur Feftftellung refp. Neuordnung der
(S. 164—169), behandelt R. die wichtige Frage, in welcher I Chronologie der Cyprian'fchen Briefe gemachten Vor-
Form und unter welchen Bedingungen die Ergänzung ; fchläge. Von den 81 Briefen unferer Sammlung will
des niederen und höheren Clerus erfolgte. Was hier in j der Verfaffer nur 16 an der Stelle belaffen, die ihnen
Betreff der Wahl und Ordination der Bifchöfe feftgeftellt j die bisherige Zählung angewiefen hat. Derjenige Lefer,
wird, dürfte zu wichtig fein, um nicht mit kurzen Worten | dem in diefem Anhang die alte Ordnung der Briefe
berührt zu werden. Die Wahl felbft beftand — fo er- j vielleicht allzurafch über den Haufen geworfen zu fein
fahren wir aus der Cyprian'fchen Brieffammlung — in | fcheint, fei auf die eingehende Begründung jener chro-
dem Jestimonium' des Clerus, d.h. in einer Auseinander- j nologifchen Aenderungen aufmerkfam gemacht, die R.
legung der vorzüglichen Eigenfchaften des Wahlcandi- fchon vorher in feiner Differtation zur Erlangung des
daten, in einem .suffragium' des Volkes, d. h. in einer Zu- 1 Licentiatengrades ,de epistolis Cyprianicis1 (Hatis Saxo-
ftimmungsäufserung desfelben zur Wahl und in einem num, 1885) gebracht hat.

Judicium'1 einiger benachbarter Bifchöfe, welche ihn dann Möge der Verfaffer aus dem Referat erfehen, mit

auch durch Handauflegung ordinirten. Ueberzeugend : welchem Intereffe und mit wie grofsen Nutzen der Un-
ift von R. der Beweis geführt, dafs Hatch irrt, wenn 1 terzeichnete feine Schrift gelefen, und in welchem Grade
er die Allgemeinheit des Ritus der Handauflegung bei ihn Methode und Refultate derfelben mit Befriedigung
der Ordination der Bifchöfe bezweifelt (S. 180). erfüllt haben!

Im 2. Capitel des zweiten Theils (im 7. des ganzen ; Strafsburo- iE R Zoen f fei

Buches) handelt der Verfaffer (S. 186-208) von dem__^iraispurg 1. E._K. ^oePtlel

kirchlichen Leben in der chriftlichen Gemeinfchaft, näher

von der Kirchenzucht und der Verwendung des kirch- Keller, Staatsarchivar Dr. Ludw., Die Reformation und die
liehen Vermögens. Es galt hier, den eminenten Einflufs j älteren Reformparteien. In ihrem Zufammenhange dar-
Cypr.'s auf die Entwicklung der Kirchenzucht den lod- peftellt I eitW Hirzel tRRc (Y r,r: c „. ex
fündern gegenüber im Zufammenhang mit feinem Kirchen- ff ^ _ P S' ' ^ (X' 510 b" gn 8 )

begriff darzulegen. Wie R. ausführt, ift Cypr. es gewefen
, der die Anregung zu einer Aenderung der Zucht- Eine Ehrenrettung der Wiedertäufer, mit grofsem
grundfatze gab, der das fchon feit Beginn des 3. Säculums Fleifs, aber mit unerträglicher Willkür conftruirt. Bishin
und wieder beobachtete Verfahren, einer beftimmten her galt die Annahme, dafs fich im Mittelalter, zumal
Klaffe unter den Todfündern, nämlich den Ivhebrechern, , feit dem 13. Jahrhunderte, verfchiedene oppofitionelle
nach längerer Bufszeit Wiederaufnahme in die Gemein- Richtungen gegen das herrfchende römifche Kirchenthum
fchaft der Kirche zu gewähren, auf alle übrigen Tod- ! erhoben und, fei es aus dogmatifchen, fei es aus recht-
funder, d. h. auf die in der Verfolgung Gefallenen, auf liehen Gründen neben vielem Falfchen doch mancher-
die Betrüger, Todfchläger etc. ausdehnte und der diefe , lei Wahrheitsmomente zur Geltung gebracht haben,
feine Neuerung durch feinen Einflufs auf Synoden und ' bis fchliefslich in Luther der religiöfe Genius erftand,