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Ausgabe:

1885

Spalte:

326-330

Autor/Hrsg.:

Ritschl, Otto

Titel/Untertitel:

Cyprian von Karthago und die Verfassung der Kirche. Eine kirchengeschichtliche und kirchenrechtliche Untersuchung. (Schluß.) 1885

Rezensent:

Zoepffel, Richard

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Denn die alten Ifraeliten haben weder alle Heiligthümer j Zuftänden will die Reform des Jehu in Ifrael und die.
der Kanaaniter zerftört, noch fie alle für ihren Gott in ' des Joas in Juda ein Ende machen. Sie erneuert und
Anfpruch genommen, noch einfach die Kanaaniter zur j verfchärft nicht nur den alten Grundfatz der Monolatrie,
Verehrung Jahwe's gezwungen. Das läfst fich aus vielen ! der logifch doch das nothwendige Correlat des Glaubens
Stellen der gefch. JBB. beweifen und mufs als Thatfache war, dafs Jahwe Ifraels Gott fei, fondern fie beginnt
gelten, wenn auch mehrere Gefetzesftellen zu der ent- auch den Kampf gegen das Gottesbild überhaupt und
gegengefetzten Annahme leiten. Dann liegt es aber doch führt zu einer fchärferen Betonung des geifligen Inhaltes
ungleich näher, jenes Haus des Baal in Jerufalem als die der ifraehtifchen Religion, den fie feit ihrer Stiftung durch
Cultusftätte der dortigen Kanaaniter anzufehen, die von Mofe befeffen hatte, der aber erft in der Zeit des Kampfes
Joas zerftört wurde, theils damit überhaupt nicht mehr gegen die Cultur und des Uebergangs zu derfelben fchwan-
dem Baal geopfert würde, theils weil bisher gewifs auch kend undlangfam zu einem ftreng ausfchliefsenden Gegen-
Ifraeliten dort geopfert hatten. (Es fei geftattet, hier die fatz ausgebildet wurde und fich ftetig vermehrte, je mehr
Bemerkung einzufchalten, dafs Clermont Ganneau im , er in Frage geftellt wurde. So begreift fich einerfeits das

Dorfe Silwan eine ,phönicifche' Infchrift mit den Worten
bet bdal gefunden hat; fie ift noch nicht veröffentlicht.
Vgl. Pal. Expl. Fund, Quart. Statein. 1871, 103.) M.

Auftreten der ftark reactionären Rekabiten im 9. Jahrhundert
, die nicht nur, wie Jehu, Jahwe ohne den
kanaanitifchen Baal, fondern vielmehr Jahwe ohne die

fcheint mir zu wenig mit der Thatfache zurechnen, dafs kanaanitifche Cnltur wollten, andererfeits die Stellung
Ifrael bis auf die Zeiten Jehu's hin gegen andersgläubige des Arnos in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts voll-
Bewohner feines Tandes nicht fanatifch unduldfam ge- kommen. — M. betont wohl mit Recht, dafs diefes Ge-
wefen ift. Das Gebiet der Verehrung Jahwe's hat fich biet angefichts der eigenthümlichen Befchaffenheit unferer
damals gewifs kaum mit dem Gebiet des Befitzes Ifraels ( Quellen ein unficheres fei; aber alles reiflich erwogen,
gedeckt, innerhalb deffen fich doch an vielen Orten noch ; fchafft feine Darftellung doch mehr Räthfel als fie Unmächtige
Kanaaniter behauptet hatten. Ferner hat M. } ficheres löft. ,In der Gefchichte ift überall, wo wir keinen
für die Züge des $ 309 f. entworfenen Bildes z. Th. Nach- feiten Boden unter den Füfsen haben, ein zu wenig beffer
richten benutzt, die einer viel fpäteren Zeit angehören j als ein zu viel' (S. VII). Ich hoffe, dafs fich M. bei einer
und viel wahrfcheinlicher fremde, ausländifche Einwir- eventuellen neuen Bearbeitung diefes Gegenftandes ent-
kungen betreffen (Reg. IL 22 f. Ezech. 8). i fchliefsen wird, uns mehr zu bieten. Uebrigens bemerkt

Endlich ift es mir unverftändlich, wie M. mit feiner er fehr richtig, dafs der Monotheismus in Ifrael, anders
Auffaffung z. B. die Thatfache vereinigen will, dafs 1 wie in Aegypten, Indien und Hellas, auf dem Princip
Ifrael nicht in die Kanaaniter, deren Cultur, ja wie mir j der Exclufivität beruhe und dafs feine Bedeutung darin
wahrfchcinlich ift, auch deren Sprache es angenommen ! beftehe, dafs er Volksreligion werden konnte (S. 398;.
hat, durch Vermifchung aufgegangen ift. Der Unter- Ich mufs meiner Neigung, noch andere Differenzen

fchied der Religion bietet den geeigneten Erklärungs- ; betreffs der ifraehtifchen Gefchichte zur Sprache zu
grund. Wie foll weiter das Auftreten Elia's begriffen bringen, hier Zügel anlegen. Was ich mitgetheilt habe,

umfafst nur einige und zwar die wichtigften Punkte, in
denen ich meinen bereits gefprächsweife mit dem Verf.
feftgeftellten Diffenfus aufrecht erhalten mufs. Ich wünfche
nicht, dafs er der Beachtung und der Benutzung des

werden, wenn bis Jehu der Polytheismus legitim war?
Nach S. 400. 441 geht freilich der Gefchichte von Elia's
Kampf gegen Ahab's Baalscult ,faft jeder hiftorifche Inhalt
* ab. Soll auch der eigenthümliche Wortwechfel

Reg. II. 18, 17 f. erdichtet worden fein, der an den Aus- ganzen Buches Abbruch thue. Möge fich jeder, den
druck "OJP geknüpft ift, den die deuteronomiftifche Schreib- feine Studien auf die Gefchichte des alten Orients führen,
weife z.B. gar nicht kennt? Ich glaube, unter Berufung felbft von feiner Brauchbarkeit überzeugen. Letztere
auf ähnliche Erfcheinungen in der orientalifchen Ueber- gewinnt noch dadurch an Werth, dafs der Verf. einen
lieferung, ficher annehmen zu können, dafs die Erzählung ] grofsen Theil der von ihm verwertheten Quellen, ägyp-
damit eine ganz echte Erinnerung aufbewahrt hat. Elia i tifche, hebräifche etc., bis zu einem gewiffen Grade auch
und Jehu gehören ohne Zweifel derfelben Bewegung an, i die affyrifchen Keilinfchriften, auf Grund eigener Sprach-
und wenn M. auf Reg. II. 10, 28 grofses Gewicht legt, kenntnifse zu benutzen im Stande ift. Ich fchliefse mit

fo durfte er die Geftalt des Elia in feiner Gefchichts
darftellung nicht übergehen. Elia und Jehu find die Träger
und Führer der Reaction des echt ifraehtifchen Re-
ligionsbewufstfeins gegen den kanaanitifchen Götzendienft

der Bemerkung, dafs die Sprache des Verf.'s durchweg
frifch und anregend ift. Auch die Theilung des Stoffes
in Paragraphen ift wenigftens von dem Vortheil begleitet,
dafs die Darftellung mit geringen Ausnahmen auf diefe

der nach dem endgültigen Siege Ifraels über die Ka- | befchränkt, litcrarifche Nachweife und kurze kritifche
naaniter unter David und Salomo mehr Fortfehritte unter Bemerkungen ftets in die dem betreffenden Paragraphen

dem Volke gemacht haben wird, als zur Zeit des Rin- | hinzugefügten Anmerkungen untergebracht werden
gens um den Befitz des Landes. Die friedliche Einwirkung
des Itädtifchen Lebens und der gefammten

konnten.

Leipzig- H. Gut he.

Cultur der .Baalsdiener' war für Ifrael gefährlicher als

die ihr vorhergehenden kleinen und grofsen Kämpfe um „•.„,, „ w „

die Landesherrfchaft. Auf dem Gebiet des Cultus wird R|tscnl, Pr.vatdoc. Tic. Otto, Cyprian von Karthago und
fie befonders bemerkbar geworden fein. Die alte Ein- die Verfassung der Kirche. Eine kirchengcfchichtliche
fachheit der Symbole und des Dienftes wurde durch und kirchenrechtliche Unterfuchung. Göttingen, Van-
gröfsere Pracht der Bilder, der Häufer, der Opfer und denhoeck & Ruprecht's Verl, 1885. (VII 250 S
durch eine höhere Zahl von Berufsprieftern verdrängt. I <w 8) M 5 60 '
Diefe Aenderungen konnten gröfstentheils nur durch die

Dienfte der Kanaaniter vollzogen werden, deren Cultur | [Schlufs.]

die Ifraeliten wie Barbaren gegenüberftanden. Mit den 1 In voller. Uebereinftimmung befindet fich Referent
Formen drang aber auch manches von den Anfchauun- mit dem Verfaffer in der Beurtheilung des von Cypr.
gen des kanaanitifchen Cultus in Ifrael ein, der Bilder- ! den beiden Parteien in Rom gegenüber eingefchlagenen
dienft nahm eine gröfsere Ausdehnung an, und nament- 1 Verfahrens. R. hat die inneren Widerfprüche aufgedeckt,
lieh an den Stätten, denen durch eine vorwiegend ! in die fich Cyprian im 45. Brief mit feinen diplomati-
kanaanitifche Bevölkerung auch der Cultus des kanaani- ' firenden Ausdrücken verwickelt und gezeigt, wie fehr
tifchen .Herrn' bewahrt blieb, wird der Name des israe- der Inhalt der ep. 48 die Darftellung Cyprian's im 45.
litifchen,Herrn', nämlich Jahwe's, nur feiten mit bewufster, i Brief als eine tendenziöfe erfcheinen läfst. Es wird R.
fcharfer Unterfcheidung angerufen worden fein. Diefen I zuzugeben fein, dafs Cypr. den Schein zu erwecken ae-