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Ausgabe:

1885 Nr. 12

Spalte:

289-290

Autor/Hrsg.:

Gottschick, Johannes

Titel/Untertitel:

Der evangelische Religionsunterricht in den oberen Klassen höherer Schulen 1885

Rezensent:

Hollenberg, Joh.

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Seite 1

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289

Theologifche Literaturzeitung. 1885. Nr. 12.

290

er aus einer ziemlich umftändlichen Erörterung erfährt, I die inhaltliche religiöfe Ueberzeugung mit dem Perfon-
dafs das Gewiffen nach feiner pfychifchen Geftalt eine leben verwächft. Dann fkizzirt er einen Lehrgang der
Mifchung' aus den drei Seelenvermögen ift? Und follte t Glaubenslehre, der in hohem Mafse geeignet fcheint, die

nicht auch die Controverfe mit Schopenhauer darunter
leiden, dafs diefer etwas anderes unter dem Willen ver-
fteht als der Verf.? Das zweite allgemeinere Bedenken
betrifft den allzu reichlichen Gebrauch, den er von einem

Abficht des Verf.'s zu verwirklichen und deffen genaues
Studium jedem Religionslehrer dringend anzurathen ift.
Dabei will ich nicht verhehlen, dafs bei der praktifchen
Ausfuhrung der Lehrgang mir einer Vereinfachung und

Appell an das fittliche Urtheil der Lefer macht. Wenn I concreteren Geftaltung zu bedürfen fcheint, da er für den

fo etwas wirken foll, darf es nur äufserft feiten gefchehen
Kommt es immer wieder vor, dann gewinnt man den
Eindruck (der hier zwar nicht zutrifft), als follte der
Mangel an fachlichen Gründen dadurch erfetzt werden.
Eine objective wiffenfchaftliche Erörterung darf jedenfalls
nicht den Gegnern ihre Irrthümer fortwährend als
fittliche Fehler ins Gewiffen fchieben. Wenn fie diefelben
widerlegt, leiftet fie alles, was fie foll und kann.

Zum Schlufs hebe ich nochmals hervor, dafs das
Buch viel Treffliches enthält, befonders der zweite und
dritte Abfchnitt, und dafs es beftens empfohlen werden
kann. Der Tadel, den ich verfuchte, ift als eine Aner-

Durchfchnitt unferer Primaner entfchieden zu fchwierig
ift. Natürlich mufs der vorhergehende Unterricht ganz
darauf eingerichtet fein, wenn der Lehrer für feine
Deductionen im Geifte des Schülers die nöthigen Anknüpfungspunkte
finden will. Deshalb giebt der Verf.
fchliefslich noch ein Bild der vorhergehenden Durcharbeitung
der biblifchen Urkunden und der Kirchen-
gefchichte. Auch in diefen Ausführungen hat den Ref.
fehr Vieles fympathifch berührt; unter anderem fpricht
fich der Verf. gegen die Behandlung kritifcher Einleitungsfragen
, die noch vielfach üblich ilt, entfchieden aus, da
fie keinen bildenden Werth habe, weil fie falt überall

kennung gemeint, fofern er den Verfaffer antreiben ; auf die auctoritative Mittheilung von fertigen Refultaten
möchte, die Sache noch fefter anzupacken, die Begriffe die noch dazu vielfach unficher find, hinauslaufen müffe.
fchärfer zu formuliren, mancherlei Ballaft über Bord zu Er behauptet mit vollem Recht, dafs fich auch ohne
werfen und die Probleme ganz durchzudenken. Es ift fchädliche Anticipation ein zugleich gefchichtliches und
alfo ein Tadel, der das Buch als wiffenfchaftliche Arbeit 1 religiöfes Verftändnifs des geiftigen Gehalts der Bibel
fafst und nicht blofs als populäre Darftellung, in welcher vermitteln laffe. Ob es dagegen möglich ift, im kirchen-
Beziehung es mit einer allgemeinen Empfehlung hätte , gefchichtlichen Unterricht dem Schüler eine Einficht in
genug fein können. ' den Procefs zu verfchaffen, in welchem fich das chrift-

Berlin. Kaftan. j liehe Lebensideal gefchichtlich herausgearbeitet hat, ift

dem Ref. nach feinen eigenen Erfahrungen ziemlich

Gottschick. Prof. D. Johs., Der evangelische Religionsunter- zweifelhaft. Läfst doch fogar die wiffenfchaftliche kirchen-
richt in den oberen Klassen höherer Schulen. Akademifche j hiftorifche Literatur bei einem folchen Verfuch den
Antrittsrede. (Aus: .Deutfch-evangelifche Blätter'.) Lehrer nur zu Rhr im Stich Möchten die gehaltvollen
c 00 r c gl (Ausführungen des Verf.'s uberall die gebührende Behlalle
a. »., 1004. (24 B. gr. 8.) j achtung finden und fo zur Förderung eines fehr wichtigen
In neuerer Zeit pflegt alljährlich eine ganze Reihe Unterrichtszweiges dienen!

von Hülfsbüchern für den evangelifchen Religionsunter- n;ai0fÄij t~u u 11 u

• n u -u c u 1 r j v>- u it? r Bielefeld. loh. Hollenberg.

rieht an höheren Schulen auf den Buchermarkt geworfen &

zu werden. Ob dadurch dem genannten Unterricht ein-----—-

entfprechender Dienft erwiefen wird, wird mancher mit 1 Leonhardi, Pfr. Tic. Gurt., Casualpredigten. 2. Sammlung

dem Ref. bezweifeln. Mit rühmlichen Ausnahmen fehen T , ur. t tö,,k„^ ,00, o /.Tn o

• t-.. j , .... . I'— 3« Ii lt. Eeipzig, leubner, 1883 u. 84. VIII. 8o-

fie fich ähnlich, wie ein Ei dem anderen. Viel nutz- ,m, . 1 °' ' 0 H

bringender würde es fein, wenn man die Behandlung VU1' 94 u. VII, 88 S. gr. 8.) a M. 1.
des Religionsunterrichts fclbft nach Stoff und Methode I Da hier Predigten Verfchiedener zufamniengeftellt
erörterte und die Frage ernftlich discutirte, ob die Art, i find, fo mufs die Beurtheilung eine allgemeinere Haltung
wie derfelbe feit etwa 30 Jahren allgemein betrieben ] annehmen, indem fie weniger das Unterfcheidende als
wird, noch den heutigen Bedürfnifsen genügt. Dafs diefe j das Gemeinfame in das Auge fafst. Des letzteren findet
Frage bei der Menge der in Betracht kommenden Fac- 1 fich auch in obigen Heften mehr, als des als eigenthümlich
toren äufserft fchwierig ift, berechtigt nicht dazu, diefen , fcharf Hervortretenden. Sie bieten durchweg gediegene,
Unterricht, wie üblich, als ein tnoü nie tangtre* zu be- ! forgfältig gearbeitete Predigten aus pofitiv evurngelifchem
handeln. Um fo erfreulicher ift die Thatfache, dafs j Geifte heraus. Die Texteswahl, wo nicht etwa Anfchlufs
einem Profeffor der Theologie der Gegenftand wichtig an die vorgefchriebenen Perikopen ftattfindet, ift eine
genug erfchienen ift, um ihn in einer akademifchen An- j gute, zuweilen fehr glückliche, die Textesbehandlung eine
trittsrede zu befprechen. Der Verf. kennt die Sache ; gefchickte. Die Themata und Partitionen zeichnen fich
aus längerer perfönlicher Erfahrung und ift daher in häufig durch bündige, klare und kräftige Form aus. Die
hohem Mafse befähigt, fein Votum darüber abzugeben. Predigtanlage ift meift die analytifch-fynthetifche, einige
Er betont zunächft, dafs die Fortfetzung des Religions- ( Male auch die ftreng analytifche oder fynthetifche. Dafs
Unterrichts über die Confirmation hinaus für die Kirche < fich die Ausführung manchmal nur locker an die Texte
und nicht weniger für die allgemeine menfehliche Bildung j anfchliefstodergeradezu aus anderen Quellen als aus diefen
von der gröfsten Wichtigkeit fei, und hebt hervor, dafs j fliefst, darf bei Feftpredigten nicht beanftandet werden,
man dem Schüler, um ihn gegenüber den vorhandenen ! Förderlich wäre gewefen, wenn man die öfteren und guten
deftruetiven Mächten zu fichern, eine einheitliche ge- j Schriftcitate durch den Text hervorgehoben hätte,
fchloffene Weltanfchauung mit in das Leben geben) Gern erkennen wir die meift klare, beftimmte Sprache,
müffe. Obgleich der Religionsunterricht und die Leitung ; das Meiden leeren Redefchmuckes an. Doch richtet fich
der höheren Schulen in weiten Gebieten Deutfchlands unfer Hauptbedenken, während wir uns der Tüchtigkeit
in Händen von unanfechtbarer kirchlicher Correctheit und Reichhaltigkeit des Inhaltes freuen, gerade auf die
''eSe> wurden doch bei der erften Berührung mit einem , Darftellung, die uns zuweilen etwas zu hoch, zu doctrinär,
dem Chriftenthum feindfeligen Geifte die in dem Schul- zu theologifch fcheint. Möglicherweife war befonders
unterncht eingeprägten Ueberzeugungen bei fehr Vielen ■ manche Stadtgemeinde gefördert genug, um dem hier Ge-
erfchuttert. Der Verf. fleht den Grund des Mifserfolges : botenen mit vollem Verftändnifse folgen zu können. Aber
hauptlachhch darin, dafs man den religiöfen Glauben : unferer Erfahrung nach thut auf den meiften Kanzeln
auf die Bohrte Spitze einer Verftandesunterwerfung unter ) etwas mehr einfaches, anfehauliches Auseinanderfetzen
eine formelle Auctorität gründe und fo verhindere, dafs ; und Nahebringen noth. Fremdworte, wie aromatifch 1,60,