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Ausgabe:

1885 Nr. 12

Spalte:

284-286

Autor/Hrsg.:

Kleinermanns, Jos.

Titel/Untertitel:

Der dritte Orden von der Busse des heil. Dominicus. Quellenmäßige Darstellung der Geschichte desselben von der Entstehung bis zur Bestätigung durch die Päpste Innocenz VII. und Eugen IV., nebst

Rezensent:

Mueller, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1885. Nr. 12.

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ftiliftifch weit freier, und erfetzt häufiger die Ausdrucke
von Vulg. durch andere, theilweife dem Griechifchen
entfprechendere, wie ,discere' für ,videre', Jionesto' für
,dignitosol u. A. m. Eine von Vulg. völlig oder, um
vorfichtig zu fprechen, faft völlig unabhängige Ueber-
fetzung liegt allerdings, wie auch der Verf. richtig bemerkt
hat, Vis. 1—4 vor; im ganzen übrigen Buche fchliefst
fich Pal. dem Vidg. bald näher an, bald entfernt er fich
weiter von ihm. Ueberall aber ift hier Vulg. und nicht
Pal. die Grundlage. Beifpiele von Fällen, in denen beide
Ueberfetzer entweder verfchiedene Lesarten im Griechifchen
vorfanden oder dasfelbe griechifche Wort ver-
fchieden überfetzten, habe ich am angeführten Orte gegeben
. Diefelben zeigen allerdings, dafs auch in den
Abfchnitten, wo die Ueberarbeitung von Vidg. durch |
Pal. nur eine leichte, überwiegend ftiliftifche ift, letzterer
daneben den griechifchen Text vor Augen hatte. In
den Mandaten gehen beide Texte durchfchnittlich weiter
auseinander als in den Gleichnifsen; im Ganzen und
Grofsen ift aber in beiden Theilen das Textverhältnifs
das gleiche.

Der Umftand nun, dafs in Vis. 1—4 zwei völlig unabhängige
Ueberfetzungen vorzuliegen fcheinen, fcheint
mit der Beobachtung Haufsleiter's zu ftimmen, dafs die
palatinifche Ueberfetzung diefes Abfchnittes von einem
Andern herrührt als die des übrigen Buches. Die Ver-
gleichung des Sprachgebrauches in den beiden Abfchnitten
des Pal. ift jedenfalls der werthvollite Theil der Haufs-
leiter'fchen Arbeit. Doch werden auch die hier gefundenen
Ergebnifse mit Vorficht aufzunehmen fein, denn
Manches hält bei näherer Vergleichung nicht Stich. So
ift z. B. Mand. 5, 2, 1 nicht dvvapiv mit ,vim' überfetzt,
fondern das griech. ivsoyr/jai ift durch ,vim exercere1 wiedergegeben
; Mand. 9, 11 fleht unmittelbar neben ,vires
non habet' das angeblich fpätere ,habet virtutem tnagnam'
u. a. m. Andere Abweichungen im Sprachgebrauch, wie
Jlic' und ,iste', ,hi und ,isti' u. a. m. finden fich ähnlich
auch in den verfchiedenen Handfchriften von Vulg., be-
weifen alfo nichts für zwei verfchiedene Ueberfetzer.

Am Allerwenigften ift der Schlufs gerechtfertigt, dafs
der griechifche Text von Vis. 1—4 von einem anderen
(jüngeren) Verfaffer herrühre, als das übrige Buch. Gerade [
hier zeigt fich deutlich, wie wenig die blofse Vergleichung
der Sprachformen zur Entfcheidung von Fragen der j
höheren Kritik ausreicht. Jene Anficht ift nämlich überhaupt
nur unter der Vorausfetzung durchführbar, dafs j
man zu dem ,Hennas apocalypticus' dem Verf. der Vifionen I
und dem ,Hermas pastoralis' mit Hilgenfeld noch einen I
dritten Schriftfteller annimmt, der beide Texte ineinander-
gearbeitet, Vis. 5, 5. Mand. IV, 3, 2—5 und einige andere
Stücke eingefchoben und den Schlufs Situ. VIII—X, oder
doch wenigftens Situ. ZV und X hinzugefügt habe. Gerade
hier aber laffen die fprachlichen Kriterien, welche Haufs-
leiter für zwei verfchiedene Verfaffer geltend macht, nach
feinem eigenen Zugeftändnifs im Stiche. Aber ohne zu
der von Hilgenfeld gezogenen Confequenz fortzufchreiten,
läfst fich auch die Scheidung zwifchen Vis. 1—4 und dem
übrigen Buche nicht aufrecht erhalten. Philologifche
Specialunterfuchungen, wie fie der Verfaffer anftellt,
haben ja ihren hohen Werth. Aber es geht mit ihren
Ergebnifsen leicht wie mit denen der Statiftik: trotz aller
auf beftimmte Punkte verwendeten Akribie können fie
trügen, wenn man entweder von falfchen Prämiffen ausgegangen
ift, oder die Unterfuchung felbft nicht weit
genug erftreckt hat. Auch das vom Verfaffer auf die
Verdrängung gewiffer Sprachformen durch andere mit
Vorliebe angewendete Darwin'fche Schema des Kampfes j
ums Dafein kann, fo fruchtbar dasfelbe im Allgemeinen j
für die Gefchichte der Sprachbildung fein mag, doch !
bei Anwendung auf ein befchränktes Gebiet nur allzuleicht
trügen. Vor Allem ift nicht genug in Anfchlag
gebracht, dafs eine grofse Menge der hervorgehobenen
fprachlichen Erfcheinungen auf Rechnung der verfchiedenen
Abfchreiber und der verfchiedenen Zeiten kommen
kann, in welchen die Abfchriften genommen wurden.
Nach diefer Seite hin ift namentlich der handfehriftliche
Befund des textus Vulg. erft noch feftzuftellen. Bevor
nicht die wichtigften Handfchriften von Vulg. neu verglichen
find, kann auch über das Verhältnifs von Vulg.
und Pal. das letzte Wort nicht gefprochen werden.
Jena. Lipfius.

Kleinermanns, Prof. D. Jof., Der dritte Orden von der
Busse des heil. Dominicus. Quellenmäfsige Darfteilung
der Gefchichte desfelben von der Entftehung bis zur
Beftätigung durch die Päpfte Innocenz VII. und
Eugen IV., nebft einer ausführlichen Erklärung der
Regel. Zugleich ein Handbüchlein für die Mitglieder
des Ordens. Dülmen, Laumann, 1885. (XIV, 450 S.
8.) M. 1.50; geb. in Leinw. M. 1.75; in Ldr. M. 2.—

Nachdem der dritte Orden des h. Franz in Deutfch-
land bereits feine ftarke Verbreitung gewonnen hat und
nach der berühmten Empfehlung als Mittel gegen alle
focialen Schäden der Zeit, die ihm von Leo XIII. zu
Teil geworden ift, vorausfichtlich noch eine weit gröfsere
Zukunft zu erwarten hat, regt fich jetzt auch fein Bruder
von den Dominikanern lebhafter und ftrebt nach einer
ähnlichen Rolle in der Disciplinirung des katholifchen
Volkslebens. Die Schrift, die ich hier vorlege, ift eines
der Mittel, die dem Inftitut weiteren Eingang verfchaffen
follen. Sie giebt eine Gefchichte der Entftehung, Ausbildung
und Beftätigung des dritten Ordens vom h. Dominikus
, feine Regel deutfeh und lateinifch mit Commen-
tar, eine Darftellung der Verfaffung und Aemter in den
Bruderfchaften des dritten Ordens und endlich eine
Sammlung von Riten, Gebeten und Andachten für die
Mitglieder der Bruderfchaften für die verfchiedenften
Gelegenheiten und Acte, die monatlichen Verfamm-
lungen, Einkleidung, Profefsablegung, dann für die Tagzeiten
zu Ehren der h. Jungfrau Maria, die Missa Privileg
iata votiva per anni circulum ss. Rosarii BMV. fowic
endlich die Andachten, welche vorzüglich von den Mitgliedern
des dritten Ordens geübt werden follen: die
Andacht zum allerheiligften Altarsfacramente, die Andacht
zum h. Namen Gottes oder Jefu, den hochheiligen
Rofenkranz, den ewigen Rofcnkranz, den lebendigen
Rofenkranz, die fünfzehn Samstage, die fünfzehn Dienstage
oder die Andacht zum h. Dominikus, die englifche
Heerfchaar oder Gürtelbruderfchaft des h. Thomas von
Aquin, die Andacht zum h. Petrus Martyr, die Andacht
zum h. Vincentius Ferrerius, wobei dann jedesmal die
dazu gehörigen Abiäffe, auch die befonderen Segnungen
der betreffenden Andachten aufgezählt werden. So verfchaffen
die fünfzehn Samstage erwiefenermafsen Blinden
das Geficht, Tauben das Gehör u. f. w., die fünfzehn
Dienstage Wiederherftellung des geftörten Ehefriedens,
Befferung ausgearteter Kinder, Bekehrung verftockter
Sünder, Befeftigung im Guten, entfehiedene Flucht der
nächften Gelegenheit. Die Andacht zum h. Dominikus
ift u. a. defshalb fo befonders empfehlenswerth, weil er
der Welt gegeben ift zur Abwendung drohender Strafen
Gottes, wie ihm der Herr felbft im Geficht geoffenbart
hat. Hier fah D. ,den Himmel offen und den Sohn
Gottes mit drei Pfeilen in der Hand im Begriff, feinen
Zorn über den Erdkreis auszufchütten. Die aller-
feligfte Jungfrau aber warf fich ihm zu Füfsen und
bat um Barmherzigkeit, zugleich wies fie ihn auf
die eifrige Predigt und den erbaulichen Wandel des h. D.

..... Der Heiland liefs fich auf diefe Vorftellung

hin befänftigen' u. f. w. (Bekanntlich gehört es auch
mit zu den proteftantifchen ,Lügen' über die Zeit vor
der Reformation, dafs man Jefus fich als den ftrengen
furchtbaren Richter vorgeftellt habe, der erft durch die
erbarmungsreiche h. Jungfrau befänftigt werden muffe!)