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Ausgabe:

1885

Spalte:

273-277

Autor/Hrsg.:

Köhler, Aug.

Titel/Untertitel:

Lehrbuch der biblischen Geschichte Alten Testamentes. 2. Hälfte. 1. Thl 1885

Rezensent:

Kamphausen, Adolf

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack und D. E. Schürer, Proff. zu Giefsen.

Ericheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich iö Mark.

IM0- 12.

*

13. Juni 1885.

10. Jahrgang.

Köhler, Lehrbuch der biblifchen Gefchiohte
Alten Teftaments. 2. Hälfte, t. Theil (Kamphaufen
).

Bickell. Ein Papyrusfragment eines nicht-
kanonifcheu Evangeliums (A. Harnack).

Haufsleiter, De versionibus Pastoris Hermae

latinis (Lipfius).
Klei nermanns, Der dritte Orden von der

Bufse des h. Dominicus (Müller).
Kittel, Sittliche Fragen (Kaftan).

Gottfchick, Der evangel. Religionsunterricht
in den oberen Klaffen höherer Schulen (Hollenberg
).

Leonhardi.Cafualpredigten. 2. Samml. (Diegel).
Andreae, Die Pfalmen (Achelis).

Köhler, Prof. Dr. Aug., Lehrbuch der biblischen Geschichte
Alten Testamentes. 2. Hälfte. 1. Thl. Erlangen, Deichen
, 1884. (IV, 473 S. gr. 8.) M. 8. —
Die vor zehn Jahren erfchienene erfte Hälfte diefes
wichtigen Lehrbuches habe ich in der Theol. Lit.-Ztg.
1876 Nr. 6 ausführlich befprochen, ohne zu erwarten, dafs
der Charakter des Werkes im weiteren Verlauf der Arbeit
ftch ändern werde. Wir finden hier diefelben grofsen
Vorzüge und diefelben fchlimmen Mängel wieder, einer-
feits die unverkennbare Wahrheitsliebe des Verfaffers,
den würdigen Ton feiner Polemik, grofse Gründlichkeit
in der Exegefe, nie ermüdende Sorgfalt in der Benutzung
und Verzeichnung des gelehrten Materials, andererfeits
trotz der nicht fehlenden Anfätze zu wiffenfehaftlicher
Kritik eine oft erftaunliche Gebundenheit an die dogma-
tifche Tradition, welche dem Verf. nur zu häufig ein tieferes
Eindringen in die gefchichtliche Wirklichkeit ganz
unmöglich macht. Die am Schlufs meiner früheren Anzeige
ausgesprochene Hoffnung, dafs die Befchaffenheit
der Quellen für die Königszeit dem Verf. feine Arbeit
dankbarer machen werde, ift reichlich in Erfüllung gegangen
, fo dafs ich den jetzt vorliegenden erften Theil
der zweiten Hälfte für wiffenfehaftlich werthvoller, als
die erfte Hälfte, halten mufs und für den noch ausheilenden
anderen Theil oder dritten Band mindeftens den-
felben gröfseren Werth erwarten darf. Wohl jeder Lefer
wird das Anfchwellen der zweiten Hälfte auf den doppelten
Umfang der erften, welches befonders durch die
reichere Mittheilung ,des gelehrten Materials' fich ergiebt,
mit Freuden begrüfsen. Keine Forfchung, welche fich
der Unerreichbarkeit des Ideals bewufst bleibt, nimmt den
Ruhm, zu der vollkommen gefchichtlichen Anfchauung
und Darftellung der religiöfen und politifchen Entwicklung
des alten Volkes Ifrael gelangt zu fein, ernftlich für
fich in Anfpruch. Gewifs verfährt der eine Forfcher viel
gefchichtlicher als der andere; manche, aber nicht jede
Entfernung von den Vorausfetzungen der traditionellen
Kritik führt zu gröfserer Gefchichtlichkeit. Darum ift's
gut, dafs auf dem weiten Felde gefchichtlicher Forfchung
Arbeiter verfchiedener Richtung thätig find. Infoweit, als
fie wirklich Forfcher find, d. h. unabhängig von kirchlichem
Parteiwefen die Wahrheit zu erkennen fich bemühen
, werden fie auch von einander zu lernen fuchen,
mag auch dem guten Willen der Erfolg nicht immer ent-
fprechen. Diefer zweite Band von Köhler's Lehrbuch
dient, wie das von C. Fr. Keil ihm gefpendete überfchwäng-
liche Lob zeigt, vorzugsweife dem, was die confeffionellen
Theologen und die Freunde der fogen. pofitiven Union
für ihr kirchlich-wiffenfchaftliches Bedürfnifs halten. Die
vielen Abweichungen des Verf.'s von den als kirchlich
geltenden Meinungen werden auf die gewiffenhaft For-
fchenden unter feinen kirchlichen Freunden nicht ohne

(S. 435), von Anderen, denen die Notiz, dafs für die Richtigkeit
der Tradition hier noch von Orelli eintritt, vollkommen
genügt, mit dem Mantel der Liebe zugedeckt
werden, weil dem Verf. für feine fonftigen apologetifchen
VerdienftegrofserDank gebühre. Auch diejenigen Lefer,
welche mit der traditionellen Kritik Gewiffens halber in
viel höherem Grade gebrochen haben, als der Verf. thun
konnte, werden aus feinem mit Treue und Liebe gearbeiteten
gelehrten Buche vielfachen Nutzen fchöpfen und
Köhler's gerechten Wunfeh erfüllen helfen, dafs trotz aller
Mangelhaftigkeit feiner Leiftung Gottes Segen auf diefem
Bande ruhen möge.

Was den Inhalt desfelben betrifft, fo wird S. 1 —127
die Richterzeit behandelt unter der Auffchrift: ,V. Periode
. Der unverfehrte P'ortbeftand des Volksthums Ifrael's
ausfchliefslich bedingt durch deffen Treue gegen Jehova's
Lebensordnung'. Hier giebt der erfte Abfchnitt eine
allgemeine Ueberficht über die Verhältnifse der Richterzeit
, der zweite befpricht die Chronologie, der dritte endlich
die einzelnen Ereignifse der Richterzeit. Dann folgt
S. 128—457: ,VI. Periode. Das Volksthum Ifrael's durch
die Centraigewalt des Königthums gefchützt' in fechs
Abfchnitten, deren erfter (S. 130—181) von Saul handelt,
der zweite bis vierte (S. 181—374) von David, nämlich
feiner Zurüftung für den Thron, feinem Königthum über
Juda und über Gefammtifrael, der fünfte und fechfte
(S. 374—457) von der Herrfchaft Salomo's und der
Reichsfpaltung. Einen nützlichen Anhang bilden
(S. 459—472) drei chronologifche Beilagen, worauf Inhalts-
überficht und Druckberichtigungen den Schlufs machen.

Flüchtigkeitsfehler gleich der S. 329 nach Wellhaufen
in 2 Sam. 24, 15 vermeintlich gefundenen ,Duplette' kommen
bei der grofsen Sorgfalt des Verf.'s fehr feiten vor.
Als Druckfehler finde ich S. 51 gekannt ftatt genannt;
S. 180 Vorgängern ft. Vorgängen; S. 200 f. fünfmal ex-
ftatifchft. ekftatifch; S. 208 finnlofen ft. finnlichen; S. 248
BL. ft. HWB.; S. 250 (vgl. S. 294 gegen S. 474) entfprofst
waren. Abigail ft. entfproffen waren. Zeruja; S. 251
nur 40 ft. nur 20 und 18, 17 ft. 18,7; S. 259 denn ft. dann;
S. 260, Z. 3 v. u. Abner ft. Joab; S. 283 Moabiter ft. Am-
moniter, ebenfo S. 292; S. 308 2 S. 20, 3 ft. 2 S. 21, 3;
S. 325 1 S. 24 ft. 2 S. 24; S. 371, Z. 1 v. u. 209 ft. 229;
S. 408 lies: Lobgefängen u. S. 450, Z. 5 v. o. tilge ein ,in'.

Mehr hätte ich an Stil und Sprache des Verf.'s
auszufetzen. Das erfte Erfordernifs einer wiffenfehaft-
lichen Arbeit, die Klarheit, wird wohl nirgends vermifst,
wenn auch S. 268 die .Gleichung' fchwer verftändlich ift,
und ftörende Wiederholungen (vgl. S. 302 mit S. 185
Nt. 9) werden auch durch die fleifsig angebrachten Ver-
weifungen vermieden. Aber die fonft edle Sprache wird
durch manche Fremdwörter entftellt, z. B. ftationiren S. 74,
Expedition S. 260, Chefs S. 304, beordern S. 346. Da-

Eindruck bleiben, mögen fie auch, wie z. B. die Beftrei- rauf lege ich kein Gewicht, dafs der Titel Pharao gleich
tung der falomonifchen Herkunft von Pf. 72 und Pf. 127 einem Eigennamen ftets ohne Artikel fteht (z.B. S. 378)

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