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Ausgabe:

1885

Spalte:

256-258

Autor/Hrsg.:

Knauth, Frz.

Titel/Untertitel:

Johannes Bugenhagen, Pomeranus. Ein Lebensbild für Alt und Jung 1885

Rezensent:

Rade, Martin

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Theologifche Literaturzeitung. 1885. ISir. 11.

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derbnifsen. Ihm zunächft flehen an Güte die codd. Paris,
lat. 2164 (C) und Vindobon. 1030 (G), beide saec. XI,
darnach cod. Vatican. Regin. 201 (R) und Einsidlens. 318
(H), beide saec. X; ferner cod. Sangall. 846 (L) saec. X

ftorbene Verf., welcher die Herausgabe feiner Schrift
nicht mehr felbft übernehmen konnte, zur Behandlung
des Gegenftandes in ganz befonderer Weife befähigt,
wovon denn auch feine Arbeit auf jedem Blatte Zeug-

exeuntis, cod. Vatic. Palatin. 240 (S) saec. XI. Geringeren ; nifs giebt. Dafs ihm dabei doch noch manche Stellen

Werthes find cod. Paris, latin. 16340 (A), obwohl der alterte
von allen (saec. IX), Paris, latin. 2779 (B) saec. X; ferner
Montepess. H 145 (D) saec. XII, Paris, lat. 2165 (E)
saec. XIII und Paris, latin. 18080 (E) saec. XII; doch
ift cod. E nach einer fehr vorzüglichen Handfchrift cor-
rigirt (E2). Mit Recht bemerkt der Herausgeber, dafs
die Textüberlieferung eigenthümliche Schwierigkeiten
bereitet. Er gefleht auch, vielfach allzu vertrauensvoll

der Alten, auf die Luther gelegentlich Bezug nimmt,
entgangen find, dafs ebenfo manches Citat aus Luther's
Schriften noch beigefügt werden könnte, ift bei dem Umfang
des durchzuarbeitenden Stoffes, fowie bei der
Schwierigkeit, die oft nur andeutungsweife von Luther
citirten Stellen der Claffiker überall zu entdecken, nicht
zu verwundern. Aber felbft durch eine längere Reihe
folcher Nachträge, die Ref. liefern könnte, würde dem

den Lesarten des cod. M gefolgt zu fein, während er , Lobe der Tüchtigkeit, das die Arbeit verdient, kein
jetzt zu dem offenbar richtigen kritifchen Grundfatze j Abbruch gefchehen, um fo weniger, als u. E. wenigftens
gelangt ift, in allen Zweifelsfällen den consensus aller j kein Schriftfteller ganz übergangen ift. Nur in zwei
übrigen Handfchriften den Lesarten von M vorzuziehen, Punkten kann Ref. nicht feine volle Zuftimmung aus-

dagegen letztere überall da feftzuhalten, wo auch nur
ein andrer Zeuge beftätigend hinzutritt. Leider war der
Text bereits gedruckt, als Engelbrecht zu diefer befferen
Einficht kam, fodafs er fich nun nachträglich in der
Vorrede p. XVI—XXVII zu zahlreichen Retractationen
genöthigt fleht. Zu dem allein in M erhaltenen Epilog
der Bücher de statu animae hat Härtel eine Reihe von
Emendationen geliefert, welche ebenfalls nur in der
Vorrede nachträglich verzeichnet werden (p. XLVI sq.);
dagegen haben zahlreiche Emendationen von Schenkl
in den kritifchen Noten unter dem Texte Platz gefunden.

fprechen. Der eine betrifft die Verwerthung der gefundenen
Stellen feitens des Verf.'s. Mit jedem Claffiker,
von dem er eine Stelle aufgefpürt, fchreibt er Luthern
eine Bekanntfchaft zu, was u. E. fo in Baufch und Bogen
nicht angängig erfcheint. Der Verf. fagt zwar felbft
S. 11 ganz richtig: ,Noch nicht jedes Citat wird uns
ohne Weiteres zu dem Schluffe berechtigen, dafs Luther
den Hiftoriker oder Dichter, aus dem es genommen ift,
von Anfang bis zu Ende gelefen und genau ftudirt hat.
Manches der Art kann ihm auch auf anderem Wege,
durch den proverbiellen Gebrauch jener Worte, durch

Der Schrift des Claudianus Mamertus ift der vollftändige j damals fchon im Schulunterrichte gangbare Florilegien
Text des Briefes des Fauftus vorangefchickt; anhangs- oder fonft [Ref. meint befonders auch durch des Erasmus
weife find ein Brief des Claudianus an Sidonius und das Adagien] bekannt und felbft geläufig geworden fein'.
Antwortfehreiben des letzteren abgedruckt; dagegen find 1 Von diefer richtigen Erkenntnifs hätte nun aber der
die dem Claudianus zugefchriebenen Hymnen, darunter Verf. bei feiner Arbeit felbft auch Gebrauch machen

auch das bekannte 'pange lingua gloriosi proelium certa-
minis' welches von den alten Schriftftellern und allen
Handfchriften vielmehr dem Venantius Fortunatus beigelegt
wird, abfichtlich weggelaffen. Den Schlufs auch
diefer Ausgabe bilden die indices {scriptorum, nomintim,
verborum et locutionum). Eine befondere Abhandlung de
Claudiani Mamerti latinitate wird als demnächft erfchei-
nend in Ausficht geftellt.

Jena. Lipfius.

Schmidt, weil. Superint. Pfr. Dr. Osw. Glob., Luther's
Bekanntschaft mit den alten Klassikern. Ein Beitrag
zur Lutherforfchung. Leipzig, Veit & Co., 1883.
(VII, 64 S. gr. 8.) M. 1. 20.

Das Thema, welches vorftehende Schrift behandelt,
wird zwar in den Luther-Biographien in mehr oder
minder ausführlicher Weife berührt, am eingehendften
wohl in Jürgens, Luth. Leb. I, 443—484; doch fehlte es
bisher noch an einem fpeciellen Nachweis darüber, mit
welchen Claffikern des Alterthums Luther wohl bekannt
gewefen. Ob die ältere Arbeit von Klinckfieck,
Lutherus humanioris literaturae cultor et aestimator in der
Beziehung Stoff darbietet, vermag Ref. nicht zu fagen,
da fie ihm nicht zu Gebote fleht; auch der Verf. fcheint
fie nicht gekannt zu haben, da fie fich nirgends bei ihm
citirt findet. " Von welcher Wichtigkeit aber nicht blofs
für das Verftändnifs des Entwicklungsganges Luther's,
fondern auch für das feiner Schriften eine folche Arbeit
ift, hat fchon Jürgens hervorgehoben, wenn er fagt: ,Es
wäre fehr der Mühe Werth, einmal ausdrücklich die
Spuren der Einwirkungen aufzufuchen und zufammen-
zuftellen, welche die Befchäftigung mit den claffifchen
Schriftftellern auf Luthern, feine Anflehten, fein ganzes
Geiftesgepräge und Gefühls- und Gemüthsleben, feine
Schreibart geübt haben'. Zur Löfung diefer fo umfehrie-
benen Aufgabe hat der Verf. einen werthvollen Beitrag
geliefert. Ausgerüftet mit einer nicht gewöhnlichen
Kenntnifs der Alten, fowie mit einer genauen Bekannt

und die einzelnen Stellen daraufhin unterfuchen follen;
es würde dadurch wohl mancher weniger bekannte
Römer u. Grieche, z. B. Publilius Syrus (S. 36) oder
der Alexandriner Lycophron (S. 53) ausgefallen fein. —
Der andere Punkt betrifft die von dem Verf. — der feit-
herigen Annahme entgegen — Mark angezweifelte Bekanntfchaft
Luther's mit dem römifchen Dichter Plautus,
von dem fall keine Spur bei Luther zu finden fei, mit
Ausnahme einer einzigen blaffen Beziehung auf ihn in
den Tifchreden (S. 21 f.). So liegt denn aber die Sache-
eben doch nicht! Plautus wird z. B. namentlich erwähnt
in der Schrift ,von den Conciliis und Kirchen' (Erl.
Ausg.2 25, 414), ihm entlehnte Worte finden fich ferner
hie und da in Luther's Briefen (z. B. in meiner Ausg. I,
15. Z. 16; 192. Z. 12. letztere Stelle wenigften ficher
nicht den Adagiis entnommen) etc.

Von Hörenden Druckfehlern find dem Ref. aufgefallen
S. 10 Wiesheim ft. Winsheim; S. 42 Nafenus ft.
Nefenus; auch einige falfche Citate haben fich einge-
fchlichen; lies z. B. S. 35. Note 5: I, 218; S. 48. Note 3.
letzte Zeile: III, 186; S. 59. Note 1: III 427; Note 7:
IV. 2.

Oberrad. Enders.

1. Zitzlaff, Archidiak., D. Johannes Bugenhagen, Pomeranus.

Sein Leben und Wirken, zum 400jährigen Gedächtnis
feiner Geburt erzählt. Wittenberg, Herrofe, 1885.
IV, 143 S. 8.) M. 1.20.

2. Knauth, Frz., Johannes Bugenhagen, Pomeranus. Ein Lebensbild
für Alt und Jung. Berlin, Wohlgemuth, (1885).
(79 S. 16.) M. —.50; cart. M. —.60; Velinpap. cart.
M. —.70.

3. Petrich, Archidiak. Herrn., Bugenhagen-Büchlein, d. i. Le-

bensgefchichte Johann Bugenhagens, genannt Doktor
Pommer. Zum Gedächtnis feines 400jährigen Jubiläums
den 24. Juni 1885. Bevorwortet von Gen.-
Superint. D.Jaspis. Anklam, 1885. [Leipzig, Buchh. d.
Vereinshaufes.] (18 S. 12.) M. —.15.
Nachdem uns Bertheau rechtzeitig darüber be-
fchaft mit Luther's Schriften, war der bereits 1882 ver- 1 ruhigt hat, dafs Bugenhagen wirklich am 24. Juni 1485