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Ausgabe:

1884 Nr. 6

Spalte:

138-140

Autor/Hrsg.:

Ribbeck, Konr.

Titel/Untertitel:

Die sogenannte divisio des fränkischen Kirchengutes in ihrem Verlaufe unter Karl Martell und seinen Söhnen 1884

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 6.

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wiffenfchaftliche Unterfuchungen auch nur gründlich zu
lefen?

Giefsen. Adolf Harnack.

hier noch immer eine Kirchengefchichte alten Stils auf j Schwerter, die jefuitifchc Kritik der Gefchichte, fchon
dem Grunde der fo bequemen und fo folgenfchweren I auf fie wartet. Wie diefe übt auch jene fich bereits in
Arbeitstheilung zwifchen den Hirtorikern der theolo- : Verfchweigungen und gewinnt die eherne Stirn, die fie
gifchen und philofophifchen Facultät. Aber auch wenn unerbittlich werden läfst gegenüber allen unbequemen
man diefe Theilung gelten läfst, fo laffen fich doch dem 1 hatfachen und ihr unter Umrtändcn eine Skepfis ver-
jener Facultät überwiefenen Stoffe auch in feiner Ifoli- leiht, gegen welche die Skepfis der ,negativen' Kritik ein
rung noch andere Momente abgewinnen als die her- Kmderfpiel ift. Oder foll man dergleichen Dinge, wie
kömmlichen; ja fie liegen an vielen Stellen fchon parat, wir ihnen heutzutage in Deutfchland in unferer theolo-
Hätte der Verf. z. B. die Abhandlung Overbeck's über gifchen Preffe leider zu Dutzenden begegnen, minder
die Anfänge der patriftifchen Literatur ftudirt, fo hätte, tragifch nehmen? Sind fie nur ein Beweis, dafs diefe
follte man meinen, das 13. Cap. feines Werkes anders Preffe in Bezug auf ganze Disciplinen der Theologie
ausfallen müffen. Indeffen gewifs ift das nicht; nicht mehr über Männer verfügt, die wiffenfehaftlichen
denn der Verf. hat bei feiner ausgebreiteten Leetüre ! Leirtungen gewachfen find, und dafs fie daher an folche
Vieles kennen gelernt, was feine Aufmerkfamkeit und (ich nothgedrungen wenden mufs, die vor lauter Kirchenfeine
Intereffen hätte modificiren und dirigiren müffen. angft und^ Kirchenpolitik nicht mehr im Stande find,
Aber es ift — vom Aeufserlichften, dem Stofflichen, ab-
gefehen — ziemlich fpurlos an ihm vorübergegangen.
Diefes alles bei Seite gefetzt — auf die fog. apokryphe
Literatur der älteften Kirche hätte der Verf. doch, fei
es auch nur in feiner referirenden Weife, eingehen müffen.
Diefes grofsc Gebiet ift aber nahezu völlig ausgefallen. Ribbeck, Konr., Die sogenannte divisio des fränkischen
Es pafst allerdings nicht in ein Schema der Literatur- Kirchengutes in ihrem Verlaufe unter Karl Martell und
gefchichte, nach welchem uns in eintöniger Reihenfolge feinen Söhnen Leipziger Doctordiffertation 188*
ein Kirchenvater nach dem andern vorgeluhrt wird. Wie g >

unter folchen Umftänden der dogmengefchichthehe Be- ; / • >i

rieht ausfallen mufste — die Efchatologie fleht dem , Die fog. divisw des fränkifchen Kirchengutes im
heutigen Schema getreu wieder einmal am Ende der | achten Jahrhundert ift ein lehrreiches Beifpiel für die
allbekannten Paragraphenreihe, nach welcher die Väter Wahrheit, dafs die gefchichtliche Forfchung, wenn nur
abgehört find —, brauche ich nicht auszuführen. Wie , wenig Quellen ihr zu Gebote flehen, vielfach gar nicht
flüchtig der Verf. die Arbeiten, welche er citirt und ! im Stande ift, die ,objective gefchichtliche Thatfache'
ausbeutet, gelefen hat, dafür fei ein Beifpiel angeführt, darzuftellen ohne das Kleid der nothwe ndigerweife
In S 176 referirt er über Zahn's und meine Unter- j fehr fubjectiven Beurtheilung. ,Diefelbe Thatfache' ift
fuchungen den Evangeliencommentar des angeblichen von den beiden Gelehrten, die fie im Zufammenhang
Theophilus betreffend. Er ftimmt mir im Allgemeinen , mit umfaffenderen Fragen der deutfehen Verfaffungs-
bei, dafs der Commentar Züge der nachnieänifchen Zeit ; gefchichte behandelt haben, fo verfchieden aufgefafst
tra^e, fährt aber dann fort (p- 735): »Ktf as Jerome read worden, dafs fie bei dem einen das gerade Gegentheil
and ttsed a Gospel Commcntary of Tlicophilus and this deffen ift, was der andere in ihr zu fehen meint. Roth
Latin work (der von de la Bigne veröffentlichte Com- j fieht in ihr eine gefetzliche Mafsregel der Söhne
mentar) //as n/any peadarities whicli point to Ante-Niccne ' Karl Martell's, durch welche unter Billigung fynodaler
or/o-in wc may rcasonably assume that it xvas based upon j Körperfchaften das bedeutende Kirchengut jener Zeit
a %en/ine Grcek work of the bishop of Antioch. In the zu einem beträchtlichen Theile vom Staate eingezogen
absence of MSS. it is t/npossible to decide the und als beneficinm an die Gefolgsleute der Herrfchergegeben
amount of original matter and the merits of wurde; und dies in einer Ausdehnung, der gegenüber
De la B/'o-ne's ed. prineeps front which all olher 1 dievereinzeltgewifsvorgekommenenunrechtmäfsigen Ver-
editions are derived'. Hieraus ergiebt fich, dafs ; gabungen kirchlicher Güter unter Karl Martell verschaff
meine Unterfuchung gar nicht gelefen hat; denn fchwindende Ausnahmen gewefen feien. Waitz dagegen
dort ift ausführlich über eine von mir entdeckte und betrachtet die divisio als eine der Kirche günftige Mafs-
verMichene Brüffeler Handfchrift des Commentars ge- regel Karlmann's und Pippin's, die dem heillofen Uebel-
handelt und zugleich ftreng bewiefen, dafs der Com- ftande, den die maffenhafte unrechtmäfsige Vergabung
mentar nicht auf ein griechifch.es Werk zurückgeführt des Kirchengutes unter Karl Martell herbeigeführt, da-
werden kann' Welches Zutrauen foll man zu einem durch Abhülfe gefchafft habe, dafs Karls Söhne das
Werke deffen Werth lediglich in feinen Referaten bc- , Kirchengut theilweifc reftituirten, theilweife unter Her-
fteht haben wenn folche Leichtfertigkeiten nicht ver- i ftellung eines ordentlichen Precarienverhältnifses es

mieden find! Dafs hier Abficht waltet, will ich nicht Befitze derer beliefsen, die fie anders für ihre geleifteten
Mauben • dagegen kann ich mich diefes Verdachtes in Dienfte zu entfehadigen, nicht mehr die Mittel hatten.
Bezug auf die Kritik in Deutfchland nicht ganz, ent- Das Intereffe an d.efer Streitfrage beruht zunächft auf
fchla^en Mir liefen ein paar Recenfionen meiner Theo- 1 ihrer Bedeutung für die deutfehe Verfaffungsgefchichte, —
philusarbeit vor. Scharffinn oder Gelehrfamkeit werden nach Roth ift die divisio d. i. die Säcularifation und
in üblicher Weife anerkannt; dann aber wird fo über ftaathehe Vergabung früher kirchlichen Gutes durch
die Unterfuchung referirt, dafs die wichtigfle ihatfache, : Karl s Sohne die Geburtsftunde des Beneficialwefens —,
die ich entdeckt habe — das Selbftzeugnifs des Verf. s j doch hat die Sache auch für die Kirchenhiftoriker ein
des lateinifchen Commentars, dafs fein Werk eine Com- lelbftandiges Intereffe. Denn die Synoden, in deren
Dilation ift — verfchwiegen und nun behauptet wird, < Beftirnmungen Roth die Sanction der beginnenden Säcu-
cHe ganze Frage fei noch nicht entfehieden, Zahn lanfation, Waitz den Anfang vom Ende der gcwaltfamen
könne doch Recht haben, im Commentar erinnere Verfchlcuderung des Kirchengutes erblickt, find die be-
Manchcs an Irenaus und Aehnliches, was .unbefangene' kannten Synoden, die auf Anregung des Bonifatius

im

Gemüther beruhigen mag. Diefe Kritiker wollen nicht ; Frankenreiche gehalten wurden. Hat Bonifaz jene Beinehr
wiffen was'in der Gefchichtswiffenfchaft ein Be- ! raubung dulden müffen, die Roth den Söhnen Karl

urtheilen , Martell's nachfagt, oder ift er einflufsreich genug gewefen

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weis, eine Hypothcfe oder ein Einfall ift; fie urtheile
nach dem Standpunkt und dem Anfehen der Perlon un
nach dogmatifchen Vorurthcilcn; fo gleitet ihre Kritik
von Jahr zu Jahr immer tiefer auf der abfehüffigen Bahn
herab, an deren Endpunkte die ältere, vielerfahrene

um das Brüderpaar zu der ausgedehnten Reftitution des
von ihrem Vater verfchleudcrten Kirchengutes bewegen
zu können, die nach der Auffaffung von Waitz auf Jenen
Synoden befchloffen ift?