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Ausgabe:

1884 Nr. 5

Spalte:

122-123

Autor/Hrsg.:

Spurgeon, C. H.

Titel/Untertitel:

Vorträge bei Pastoral-Conferenzen 1884

Rezensent:

Bassermann, Heinrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 5.

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werthvollere Gedanken enthielten, als man gewöhnlich I dafs er alles, was diefer trotz feiner vorwiegend theoerfahre
', müfste überrafchen, wenn der Verfaffer fich felbft retifchen Deutung der Religion über das praktifche
an den von ihm als der moderne bezeichneten Begriff ; Moment in derfelben wirklich fagt, gewiffenhaft her-
der Sache gehalten hatte. Denn, fo geiitreich und be- ■ vorhebt.

deutend das Syflem Schelling's nach anderen Seiten hin ! Bei der Gruppirung der (wirklich oder angeblich)
fein mag, ja fo fehr auch z. B. deffen (übrigens vom I nicht originalen Religionsphilofophen ift der Verf. nicht
Verf. gerade nicht erwähnte) Hypothefe über die (nicht j allenthalben glücklich verfahren. Daub durfte nicht erft
abfolut, aber relativ) monotheiftifche Befchaffenheit der ] nach Marheineke, deffen Lehrerer war, aufgeführt werden.
Urreligion (vgl. z. B. Schelling's Einleit. in die Philofophie '. Schenkel's Gewiffenstheologie ift nicht fchleiermacherifch.
der Mythologie) Berücklichtigung verdient, in der Haupt- j C. Schwarz hat mehr fchleiermacherfche als hegelfche
fache hat Sendling die Erkenntnifs des wirklichen Wefens j Elemente. Zeller aber ift zwar von Hegel ausgegangen,
der Religion nur aufgehalten, weil feine Beftimmung jedoch allmählich gänzlich von ihm abgekommen und
desVerhaltnifses zwifchen Religion, Philofophie und Kunft darf verlangen, dafs man feine Religionsphilofophie heute
an coiifitsio grenzt. Beiläufig fei bemerkt, dafs, was das j anftatt nach Auffätzen vom J. 1845 vielmehr nach feiner
VerhältnifsSchelling'sundSchleiermacher'sbetrifft.unwahr- , betreffenden Abhandlung v. 1877 (in feinen Vorträgen
fcheinlichift,dafsdesletzterenRedend799)durchdeserfteren j und Abhandlungen, 2. Saml.) darfteile. Dafs Ritfehl als
.Weltfeele' (1798) beeinflufst find (Pünj. 178), weil diefe Philofoph fich an Lotze angefchloffen hat, erkennt der
Schrift Schelling's zunächft eine Hypothefe der (höheren) ; Verf. erft auf S. 393, nachdem er erftcren zuvor fchlecht-
Phyfik enthält, die Abhandlung über ,das Verhältnifs weg den (ethifchen) Neukantianern zugerechnet hat.
des Realen und Idealen in der Natur' aber (welche Wiederum worin Kaftan von Ritfehl abweicht, wird nicht
Pünjer hier im Auge zu haben fcheint) erft feit der correct und vollftändig hervorgehoben, z. B. verfchwiegen,
zweiten Auflage (1806) zu jener phyfikalifchcn Abhand- dafs erfterer (f. S. 26 feines ,Wefens der ehr. Rel.') die
lung (von Sendling felbft) hinzugefügt ward. Anderer- Gefühle in der Frömmigkeit für fundamentaler hält, als
feits fleht die Bekanntfchaft Schelling's mit Schl.'s Reden, was fonft zu ihr gehört, und dafs er das Verhältnifs von
die unferem Verf. unzweifelhaft ,erfcheint', längft feft, I Sitttichkeit und Religion, ja das Wefen der letzteren,
(f. einerfeits Dilthey: Aus Schleiermachers Leben, in , anders fafst als Ritfchl. Intereffant ift die Vergleichung
Briefen, Berk 1861, III, 120. 125. 136, andererfeits G. L. zwifchen Biedermann und E. v. Hartmann. Schliefslich
Plitt: Aus Schellings Leben, Leipzig 1869, S. 345 u. 375). j wiederhole ich, dafs m. Er. zwar der Titel des Buches
Eingetheilt hat der Verf. feinen Stoff in neben Ab- j feinem Inhalte nicht ganz entfpricht, dafs der Verf. je-
fchnitte.&Die fünf erflen tragen an der Spitze die Namen doch ein in der Hauptfache fehr brauchbares Promtu-
Kant (S. 3—59», Fichte 60—83), Schelling (84 —177), arium oder Repertorium geliefert hat, ein Studenten-
Schlciermacher (178—224) und Hegel (225—299). Darauf buch im guten Sinne des Wortes, wie wir namentlich
folgen dann im 6. Abfchnitt ,der äflhetifche Rationalis- : hinfichtlich der neueften Entwicklung feither keins be-
mus und der Neukantianismus'(300—358), im 7. Herbart, ! fafsen. Wir möchten aber den Verf. bitten, diefen
Beneke, Lotze und Rechner (359—399). Im 1. Abfchnitt | Charakter in einer etwaigen 2. Ausgabe noch fchärfer
werden auch die Koryphäen des theologifchen Ratio- auszuprägen, namentlich durch eine noch vollftändigere
nalismus und Supranaturalismus charakterifirt, während i Angabe der Ausgaben und der Literatur.
Ritfehl, W. Herrmann und Kaftan im 6. Abfchnitt als j Kiei_ p Nitzfeh

Vertreter des .ethifchen Neukantianismus' auftreten. Im____'___'

2. Abfchnitte werden drei Phafen der Philofophie Fichte's, Spurgeon, C. H., Vorträge bei Pastoral-Conferenzen Mit
im 3. (bei Schelling) die Perioden der Naturpludofoph.e, I Genehmigung des Verf. aus dem Englifchen übe'rfetzt
Identitätsphilofophie.Uebergangsphilofoph.eundpof.tiven I SeherLn* .SS. (W „fisnu

Philofophie unterfchieden. Unter den Schellingianern, | J5onn> Schergens, 1883. (IV, 176 S. 8.) M. 1. 50.
welche der Natur- und der Identitätsphilofophie nahe j Die Ueberfetzung diefer fechs Vorträge des berühm-
ftehen, figuriren auch Schopenhauer und v. Hartmann, | ten Baptiftcnpredigers, welche derfelbe bei Conferenzen
während Baader, Kraufe, Rothe u. a. einer zweiten Gruppe , von in feinem College ausgebildeten Predigern in den
(den der pofitiven Philofophie naheftehenden Denkern) Jahren 1875—82 gehalten hat, ift höchft dankenswerte
zugewiefen werden; daran fchliefsen fich endlich als die : .Keine Paftoraltheologie und doch eine' fagt der Ueber-
ethifchen Theiften' der jüngere Fichte, Wirth, Chalybaeus < fetzer in der Vorrede. Von unfern landläufigen Paftoral-
und Ulrici. Der 4. Abfchnitt fondert die religiöfen , theorien unterfcheidet fich das Büchlein fehr vortheilhaft
Anfchauungen, die philofophifchen Aufftellungen und fchon dadurch, dafs, während diefe meift fehr langweilig
die Nachwirkungen' Schleiermacher's. und voll Trivialitäten find, hier Alles frifch, lebendi

Im Ganzen nun find die Syfteme der leitenden Phi-
lofophcn nicht nur quellenmäfsig, fondern auch aus den
Quellen dargeftellt, und von dem einmal eingenommenen.
Standpunkte aus in zweckmäfsigem Umfange, d. h. weder
im allzuknappen Stile des Compendiums, noch in der

Ausführlichkeit der Monographie. Auch fehlt es nicht i die des h. Geiftes, Alles für möglich zu halten geneigt

kräftig, warm und originell erfcheint. Eine tiefe, innige,'
enthufiaftifche Frömmigkeit, die doch nicht der verftän-
digen Vermittelung entbehrt, ein heiliger fittlicher Ernft,
ein feuriger Muth, der, von einer inneren Gluth entflammt,
vor nichts zurückbebt, und, keine Regeln kennend als

an neuen Auffaffungen und Berichtigungsverfuchen. So
wird Kant gegen die Anklage auf Rückfall in den Eu-
dämonismus (welche Etliche, mit Hinweifung auf feine
Hereinziehung der Glückfeligkeit in das bointm consuvi-
maturn, erhoben haben) vertheidigt (S. 23), jedoch unter
Zurückwcifung der gleichfalls apologetifchen Darftellungen
Gottfchick's und Katzer's. Dafs Kant die Religion auf
die Moral reducire, wird beftritten (S. 28). Was Schleiermacher
anlangt, fo wird, wie es fcheint, in polemifcher
Richtung gegen Bender (der aber weder widerlegt, noch

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ift, eine ftarke, ihrer felbft gewiffe Ueberzeugung, errungen
in heifsen Kämpfen und durch fchwere Erfahrungen,
jetzt aber auch alles ihr Widerftrebende fpröde von lieh
abftofsend, dabei ein heiliger Liebesdrang, eine Sehn-
fucht Seelen zu retten und Seelenretter heranzuziehen:
das Alles fpricht fich hier in einer P'orm aus, deren
Durchfichtigkeit und Leichtigkeit auf der einen, deren
zuweilen humoriftifche Derbheit und Realiftik auf der
anderen Seite auch durch die Ueberfetzung nichts verloren
zu haben fcheint, und die fich namentlich durch
u/pircrehende Ueberein- eine Fülle von brillanten, oft poetifchen Bildern wie von
überhaupt genannt wird) die f?«*S™ f , • daraus j aufscrordentlich treffenden Gelchichten, Anekdoten, Bei-
ftimmung' femer 1 heologie und i^v ^nox n ^ Vortheilhaftt.fte auszeichnet. Dabei greifen

erklärt, dafs feine Phll?foPhl%S^^ die Themata tief; überall ift es die Peinlichkeit des

unmittelbar feftftehenden rel'g^n |.T Gerechtigkeit, Geiftlichcn in ihrer Bedeutung für das Amt und in ihrer
(S. 179). Gegen Hegel übt