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Ausgabe: | 1884 |
Spalte: | 118-120 |
Titel/Untertitel: | Wangemann, Die lutherische Kirche der Gegenwart in ihrem Verhältnis zur Una Sancta 1884 |
Rezensent: | Kattenbusch, Ferdinand |
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H7 Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 5. n8
Chriftenthum fo mächtig wurde, dafs nur durch die I Die zweite Auflage ift eine vielfach verbefferte, im
überwältigend kräftige Zufammenfaffung des chriftlichen 1 Wefentlichen aber ift das Werk unverändert geblieben.
Geiftes in der Reformation der Kirche der Sieg erhalten Wider die Kritiker, welche der Zufammenfaffung Raffael's
wurde. Und noch übt das Evangelium der Renaiffance, und Michelangelo's die innerliche Begründung abfprechen
wie es u. a. durch unfere Klaffiker feinen Weg in die J wollten, bemerkt der Verfaffer: ,Schiller fchrieb einmal
Gegenwart gefunden, feine pofitive Wirkung, zumal in an Süvern: »Die Schönheit ift für ein glückliches Ge-
den Kreifen der Gebildeten (diefesWort ernft genommen) , fchlecht, aber ein unglückliches mufs man erhaben zu
und macht dem Evangelium von Chrifto, wenn ich fo rühren fuchen«. Italien im 16. Jahrh. war beides, darum
fagen darf, mit Erfolg Concurrenz — hier die praktifche 1 befafs es Raffael und Michelangelo'.
Urfache, weshalb wir Theologen dem Wefen der Re- ' Zu Bd. II, S. 377 mag bemerkt fein, dafs die,Synagoge
naiffance auf den Grund gehen müffen. des Satans1 auf Apokal. 2, 9. 3, 9 zurückgeht. Und warum
Nur angedeutet feien einige Fragen, welche die ! II, S. 146. 150.286 fr. ,Rachel', S. 223 ,Samfon', während
Renaiffancezeit an eine ethifch gerichtete Gefchichts- der Verf. fonft die biblifchen Namen in den Formen der
forfchung Itellt. ,Als eine Wunderblume, einem Mift- Luther'fchenUeberfetzung wiedergiebt, welche Gemeingut
häufen entfproffen und mit Jauche begoffen, wird ge- ; der deutfchen Schriftfprache geworden find?
meinhin die italienifche Renaiffance aufgefafst' (Spr. a. Der Verleger hat fein Beftes gethan und würde
a. O. S. 18). Wo liegt der Fehler diefer monftröfen ! gewifs noch viel mehr gethan haben, wenn in Deutfchland
Auffaffung? —,Sie verwirklicht, wenn auch nur für wenige , das Publicum dafür zu finden wäre.
Jahre, den Traum der vollkommen harmonifchen Durch- Schönbach. Rade
dringung zweier Weltalter und zeigt uns die Antike und j _ _,___ '
das Chriftenthum zu einer wunderbaren Einheit ver- Wangemann, Miffionsdir. Dr., Die lutherische Kirche der
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ihn verwirklicht? Wie verhalten fich die beiden Elemente Jubiiaumsgabe 111 7 Buchern. 1. Bd.: Grundlegung,
bei ihrer Verfchmelzung ? — Wie Homer den Hellenen A. u. d. T.: Der 7. Artikel der Augsburgifchen Kon-
die olympifchen Götter neu fchenkte, ,fo haben Raffael feffion als Fundament zu einer biblifchen Lehre von
und Michelangelo den Geftalten des chriftlichen Glaubens der Una Sancta Schnitze in Comm., 1883
durch ihre Kunft ein neues Leben eingehaucht und ihnen Tj ' 100>
damit die Unfterblichkeit in der menfchlichen Phantafie V °' sr- °-) 1h- l- 2 5-
gefichert' (Bd. II. S. 62). In der That, es ift merkwürdig Das erfte von fieben Büchern über die una Sancta.
genug: in unferer Phantafie leben Gott Vater, Chriftus, Wenn ich mich recht erinnere, habe ich das Erfcheinen
Propheten und Apoftel nicht, wie gut proteftantifche j aller oder doch eines Theiles der weiteren Bücher bereits
Künftler, wie ein Rembrandt fie gut proteftantifch ge- [ irgendwo angezeigt gefunden. Das vorliegende ift das
dacht und dargeftellt, fondern völlig beherrfcht uns die grundlegende Buch. Nach der Schlufsbemerkung, S. 70,
Kunft der Hof künftler Julius'II. und Leo's X. Wie ift das will der Verf. mit der hier gebotenen Auslegung des
gefchehen, wie zu beurtheilen? Jedenfalls beweifen Raffael ! fymbolifch-lutherifchen Kirchenbegriffs, befonders nach
und Michelangelo, dafs die römifche Kirche beim Ein- J Art. VII der Auguftana, fich die Bafis fchaffen zu einer
tritt der reformatorifchen Bewegung in fich eine Summe Beurtheilung der gefchichtlichen lutherifchen Kirche und
idealer Mächte barg, welche, ob an fich nicht fpecififch Kirchen, um dem wahren lutherifchen Kirchenbegriff mit
chriftlicher Natur und darum nicht direct als Waffen im feiner ökumenifchen Weite auch eine Bahn im Leben
Kampfe wider die Reformation zu gebrauchen, mit halfen, zu fchaffen. Es gehe dermalen ein ökumenifcher Zug
fie widerftandskräftig zu machen. durch die Kirchen. Der Verf., felbft L utheraner, aber
Der Raum geftattet nicht weiter auszuführen, welche innerhalb der Union, hat den höchften Wunfeh, dafs die
Ausbeute gerade die theologifche Bearbeitung der Re- Sehnfucht nach der ,Ausgeftaltung der una sancta zu
naiffance erhoffen läfst. Genug, wir bedürfen dazu folchen ! einem gröfseren Kirchenkörper fich vollziehen könne'.
Beiftandes, wie er uns durch Springer's klaffifches Das .gröfste Hindernifs' dafür in unferem Jahrhundert
Werk geletftet wird. Es ift in diefen Blättern etwas von ift ,die Heterodoxie einer neulutherifchen Freikirche', die
dem Geifte der Renaiffance. Aber bei aller Freude an : fich für ,die lutherifche', ja überhaupt für ,die Kirche'
diefem ,herrlichften hiftorifchen Traume' bleibt der Verf. halt. Die preufsifche Union ift die hochzubegrüfsende
doch Hiftoriker, der zu wägen verfteht und jederzeit den . Anbahnung zu einer Annäherung aller Glieder der una
Thatfachen fich unterordnet. j sancta zu einem Kirchenkörper.
Directen Gewinn mag dieKirchengefchichte ziehen aus Ich kann jedenfalls diefes erfte Buch nur der all-
der Beleuchtung Julius' II. und Leo's X. Ich bedauere, feitigften Beachtung von Seiten der Theologen an-
dafs die betreffenden, aus befter Feder geflohenen Artikel empfehlen. Es ift in feinen Grenzen eine forgfame, fehr
der H. R. E. 2. Aufl. in ihren Literaturangaben für werthvolle Erörterung über den fymbolifch-lutherifchen
Springer's Werk keinen Raum gefunden haben. Burck- Kirchenbegriff. Seine Refultate find in naher Ueberein-
hardt vor allen Dingen fei unvergeffen, aber er allein ftimmung mit den bekannten Refultaten Ritfchl's. Dafs
thut's nicht. Springer ift es, der uns in Julius II. den der Verf., der eine Ucberficht der von ihm citirten
wahren und grofsen ^Renaiffancepapft kennen lehrt und Werke voranftellt, R.'s Arbeiten über den lutherifchen
den Ruhm Leo's auf das verdiente Mafs zurückführt. Kirchenbegriff gar nicht kennt, könnte man ein Markes
Dabei wird es bleiben trotz des Widerfpruchs Geiger s ; Stück nennen. Denn diefer Arbeiten find feit der erften
(Renaiffance und Humanismus in Italien und Deutfchland. ; ,über die Begriffe: fichtbare und unfichtbare Kirche' in
1882 p. 281 — ein Werk, welches uns im Verftändnifs den Studien und Kritiken von 1859 ja eine ganze Reihe,
jener Culturepoche, foweit ich fehe, nicht weiterbringt). ] Die letzte ausführliche Behandlung diefes Begriffs in dem
Sonft ift von befonderem Intereffe für den Theologen Auffatze ,die Entftehung der luth. Kirche' (Zeitfchr. f.
die Befprechun^ der Disputa und der Schule von Athen*), ; KGefch. I, 1877) führte zu einer Gegcnabhandlung von
fowie der religiöfen Stellung Michelangelo's und feiner Frank (Zeitfchr. f. Prot. u. Kirche, N. F. Bd. 72) und
Beziehung zu Vittoria Colonna. ! zu einer Replik von R. (Zeitfchr. f. KGefch. II). Auch
von A. Kraufs' Buch über das ,Dogma von der unficht-
baren Kirche' weifs der Verf. Nichts. Man wird fich
») Die Schule von Athen ift Gegenftand einer befonderen, reich aus- ; die eigentümliche Einfeitigkeit der Literaturbeachtune
geftatteten Schrift Springer's (,883); «dieer find et man arf.P««.XXXV _ ;n erfter ^ die ^ Altlutheraner, ein Hufchke
'L^ST^ DeUtUngen' ! ScheibeI' Na?du' f' w.berückfichtigt- aus £