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Ausgabe:

1884 Nr. 4

Spalte:

92-94

Titel/Untertitel:

Erfurter Lutherfest-Almanach. Zum Bestehen des Luther-Denkmals zu Erfurt 1884

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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91 Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 4. 92

den mittelalterlichen Hff. gegenüber immer noch fo I weg der Nachweis der betreffenden Stellen unter Angabe
vielfach allen den Grundfätzen der Edition entziehen, j von Buch, Capitel u. f. w. — Und endlich für künftige
welche in der übrigen Welt allgemein angenommen j Fälle noch die Bitte, eine Chronik diefer Art in Capitel
find. Freilich beftehen ja auch fonft über einzelne De- 1 einzutheilen mit oder ohne Hinzufügung von kurzen
tailfragen nach gröfsere oder geringere Differenzen ; I Inhaltsangaben, fowie — namentlich bei fo grofsemFormat
aber unter folche ftreitigen Punkte gehört das nicht I und fo kleinem Druck — die Zeilenzählung am Rande
mehr, was in diefer Ausgabe geboten wird. Diefe com- durchzuführen!

pilatorifche Hf, des beginnenden 16. Jh. druckt Evers Die zweite Abhandlung ift eine erweiterte Wieder-

mit Haut und Haaren ab! Die ganze Orthographie wird i gäbe der Abhandlung des Verf.'s über ,das Franziskanerbeibehalten
, nicht einmal u und z>, i und / werden in ; Barfüfserklofter zu Leipzig' 1880. Warum diefelbe
der uns geläufigen Weife gefetzt. Die Eigennamen j diesmal in's Lateinifche überfetzt ift und dabei die
find bald mit Majuskel, bald mit Minuskel eröffnet und j Anmerkungen theilweife deutfch gefchrieben find, weifs
wie dadurch das Suchen erfchwert wird, ift einleuchtend. : ich nicht.

Es wird ferner nicht nur das ganze finnlofe und krliri. Karl Müller,

linnwidrige Gerippe der Interpunktion in Glafsberger s
Hf. beibehalten, fondern auch die Form ihrer Zeichen:
ftatt des , fteht überall j ftatt ; oder was man fich
von unferen landläufigen Interpunktionszeichen dabei
denken mag, ein • u. ä. Die Folge davon ift, dafs
nicht nur der Lefer, fondern auch der Herausgeber irre
wird. Fragezeichen, die der letztere in den Text fetzt
(vernünftiger Weife dürften fie auch nur in die Noten
kommen), wären mehrfach zu vermeiden gewefen, wenn
der Herausgeber eine andere Interpunktion unternommen
hätte (vgl. S. 6 nach quod, S. 7 nach malleo). Aehnlich
S. 5 vor Va/e, wo alle Zweifel durch Haie gelöft worden
wären. — Allein es werden weiterhin auch alle Fehler
der Hf. mit aufgenommen. Häufig werden fie gar nicht
als folche gekennzeichnet. Kaum wird der Verfuch gemacht
, fie zu corrigiren, felbft da, wo der Text des
Jordanus u. a. das Richtige an die Hand gab, z. B. S.
17, Z. 3 f. für den Satz: Jste Caesarius1 etc., wo durch

Erfurter Lutherfest-Almanach. Zum Beften des Luther-
Denkmals zu Erfurt hrsg. von Dr. Ottomar Lorenz.
Erfurt, Otto'fche Buchh., 1883. (XLVII, 295 S. gr. 8.)
M. 4. 80.

Die Stadt Erfurt ift diejenige unter den Lutherftädten
gewefen, die den Reigen der grofsen Lutherfefte diefes
Jahres geziemender Weife eröffnet hat, und gleichwie
fie im J. 1817 mit ihrem Keyfer'fchen ,Reformations-
Almanach' ihrer Feftfeier ein literarifches Andenken ge-
ftiftet hat, fo auch diefes Mal in dem vorliegenden nach
Umfang und Ausftattung gleicher Weife ftattlichen
,Lutherfeft-Almanach'. Eime Reihe von Auffätzen, von
Hiftorikern wie von Theologen verfafst, bildet den reichhaltigen
Inhalt. Prof. Schum in Halle macht den
Anfang mit einem farbenreichen Bilde des ftädtifchen
Lebens und Treibens Erfurts am Ende des Mittelalters,
den Ausfall des ,et subdiaconus' nach ,de Sjira' und die j und es gelingt ihm trefflich, ebenfo die äufsere Geftalt

Einfchiebung von ,et ejus1 nach ,ej)iscopi' eine ganz andere,
und zwar unrichtige Nachricht entftanden ift. Aehnlich
S. 37. — Solche durch und durch mechanifche Edition
erleichtert freilich dem Herausgeber felbft die Mühe
fehr, legt aber dem Benutzer der Ausgabe eine zeitraubende
Arbeit auf, die ihm abzunehmen der Heraus-

der Stadt wie ihre Verfaffung, ihre Parteien, ihre finanziellen
Verhältnifse, ihre Stellung zu der kirchlichen
Behörde und der Geiftlichkeit vor Augen zu führen.
Es folgt ein umfänglicher Auffatz von W. Heinzelmann,
der das Univerfitätsleben und fpeciell die Einflüffe des
Humanismus auf die akademifchen Verhältnifse behandelt.

geber unbedingt verpflichtet ift. 1 Etwas Neues war hier kaum noch neben den Schilder-

Zu den Aufgaben des Herausgebers gehört aber auch, I ungen von Kampfchulte und Kraufe (,Eoban Hefs') zu
dafs er — womöglich, wie in den Monumenta Germaniae, j bieten, aber das Bekannte ift in überfichtlicher Weife
fchon durch verfchiedenen Druck — anzeigt, wo der dargeftellt, und die Charakteriftiken find meift zutreffend.
Chronift Quellen benutzt, die uns zugänglich find, und Am wenigften möchten wir der Schilderung zuftimmen,
nachweint, welche Quellen dies find. Das ift freilich eine | die von Erasmus gegeben ift (S. 29 ff.); fie ftellt unferes
der mühfeligften Arbeiten des Herausgebers: aber wer Erachtens den theologifchen Gehalt feiner Schriften zu
fich einmal an folche Aufgaben macht, darf fich ihr hoch, betont zu wenig das Schillernde und Zweideutige
nicht entziehen. Nun hat Evers zwar überall die Pa- Sin feiner literarifchen Thätigkeit und rechnet ihm als
rallelen aus Jordanus in der Ausgabe von Voigt nach- ' echt claffifche acofpgoouvri zu gut, was bei Lichte befehen
gewiefen. Allein feine Hauptaufgabe wäre gewefen, ' fich als Charakterfchwäche crweifen dürfte. Beiläufig
gerade die Abweichungen von demfelben bemerklich zu ' fei bemerkt, dafs auch die bekannte Nachricht (S. 27),
machen, zumal da, wo uns durch Wadding und etwa dafs die epistolae vir. obscr. anfangs von den Dominikanern
Gonzaga die Möglichkeit gegeben ift, diefe Abweichungen ! eifrig verbreitet worden feien, doch wohl nur einem Witz
als Eigenthümlichkeiten Baldewin's zu erkennen. Dafür I der Gegner ihren Urfprung verdankt. Der darauf folgende
druckt Evers in den Noten Jordanus ftets gefperrt und [ Auffatz von Paftor Bärwinkel, über die Bedeutung
fetzt Wadding's oft genug faft wörtlich aus Baldewin j Erfurts für Luther und die Reformation in Erfurt, ift in
bezw. deffen Abfchreiber entnommene Darftellung nur | feinem erften Theile nicht ganz ohne Irrthümer (der
daneben in zweiter Linie und ohne Sperrung, deutet Freund ,Alexius', der Ordensprovinzial Staupitz, der
auch in der Regel nicht an, ob Wadding dabei die Quelle Heidelberger Auguftinerconvent 1516, der ,Convent der
Glafsberger's gleichfalls benutzt habe, oder ob er nur Auguftiner Sachfens und Thüringens Ende 1521'— man
als Beleg zweiten Rangs für eine bei Glafsberger er- | merkt die Unbekanntfchaft mit Kolde's ,Auguftinercon-
wähnte Thatfache citirt werde.—Von da an, wo Jordanus j gregation'), und manche Annahme dürfte auf Wideraufhört
, find die bei Wadding überlieferten Stellen Bai- j fpruch ftofsen, fo wenn Luther's Dictum bei feiner Primiz
dewin's, bezw. des auf ihm fufsenden ChrmiconSaxonicutn, j (nicht Priefterweihe), das Klofterleben fei ein fein geruh-
nicht mehr genügend beigezogen. Eine Vergleichung fam göttlich Leben, zum Beweifc dafür gebraucht wird,
mit Zeifsberg's Ausgabe des Johann von Komorovo 1 dafs damals fchon das Wort von der Glaubensgerechtig-
fehlt ganz und doch hätte fich aus einer folchen für keit feine Seelenangft gemildert habe; auf S. 51 find
die Ausdehnung von Jordan's Denkwürdigkeiten und wohl Bonaventura und der heil. Bernhard mit einander
Baldewin's Verhältnifs zu ihnen noch mehreres ableiten verwechfelt. Die Zufammenflellung der Nachrichten über
laffen. In Betreff der von Glafsberger felbft angezogenen den Verlauf der Reformation in Erfurt bis zu der Ent-
und fchon zu feiner Zeit gedruckten Gefchichtswerken, fcheidung des J. 1530 durch den Hammelburger Vertrag
wie denen des Jacob von Vitry, Vincenz von Beauvais, ift dankenswerth. Ein Anhang über Luther's Einzug in
Hermann Gigas, Werner Rolewinck u. a., fehlt faft durch- ! Erfurt bei Gelegenheit feiner Reife nach Worms befchliefst