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Ausgabe:

1884 Nr. 3

Spalte:

64-65

Autor/Hrsg.:

Röhm, J. B.

Titel/Untertitel:

Confessionelle Lehrgegensätze. (I. Thl.) 1884

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 3.

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huius inpetum ( Wirceb. und Lügdun. impetuni populi huius).
Diefes Verhältnifs, einmal erkannt, ift auch auf die Ergänzung
der Lücken in M nicht ohne Einflufs. So ergänzt
der Verf. S. 19 A 18 (Ex. 32, 24) et dixi eis si qui (xat
eifta avzoiq' ei Zivi); L hat aber vlvi ohne et, und in der
That pafst et dixi eis qui beffer zu dem Umfange der
unmittelbar vorhergehenden und folgenden Zeilen in M
(v. 26 hat M wirklich si qui, aber auch L et rtg). Auch
für die Beurtheilung des Verhältnifses von M zu O
{Ottobonianus) ift unfere Beobachtung wichtig. Wie M,
fo hat nämlich auch O Ex. 16, 31 manna, 17, 1 et non
erat, (17, 3 läfst O das ibi aus), 17, 4 proclamavit (Ex.
32 ift in O nicht erhalten). Ift das Zufall? und follten
wir es hier wirklich, wie.Z. dafür hält, mit zwei unabhängig
von einander entftandenen Ueberfetzungcn zu
thun haben ? Oder werden wir nicht auch dadurch auf
eine gemeinfame Grundlage geführt, dafs z. B. Ex. 17,
1 M und O Tcäoa owaycopr) vhbv Aaqa^X mit omnis
synagoga filioruni Israel wiedergeben, desgleichen eben-
dafelbft naqevsßciXoaav (refp. 7cao£vtßaXov) durchvenerunti
Ganz anders gehaltet fich das Verhältnifs von M zu
Wirceb. und Lugdun. im B. Exodus. Die Verfchiedenheit
ift hier eine fo durchgängige, dafs man mit Z. für M
eine felbftändige, von der in den beiden anderen Hand-
fchriften enthaltenen völlig unabhängige Ueberfetzung in
Anfpruch nehmen mufs. Die dreifache Geftalt des Le-
viticustextes möchten auch wir nicht auf eine gemeinfame
, ,nur durch Abichreiber getrübte' Quelle zurückführen
. Ob aber Wirceb. und Lugdun. in der That ganz
unabhängig von einander find, fcheint uns nicht fo
zweifellos, und auch mit Monac. berühren fich beide, bei
aller Verfchiedenheit des Ausdrucks, bisweilen in fo
auffallender Weife, dafs es fchwer hält, von einer gemein-
famen Grundlage ganz zu abftrahiren. Dasfelbe gilt endlich
auch von dem im Deuteronomium zwifchen Wirceb.
und Monac. beftehenden Verhältnifs, nur dass hier die
Uebereinftimmung eine noch ftärkere ift als im Leviticus.

Den in den Adnotationes enthaltenen Commentar
möchte man hier und da etwas ausführlicher wünfchen.
S. 1 A 16 (Ex. 9, 19) erwartet man ,/estina colligere'
(y/.mäanevaov ovvctyw/üv); ift etwa die letzte Silbe im Mf.
(am Schlufs der Zeile) verwifcht? oder wurde fie vom
folgenden pe(cora) Verfehlungen? Zu S. 3 A 13 (Ex. 10,
5) ,fructiferumdansl bemerkt Z. (S. 77) ,nescio quo librarii
errore corruptum est; LXX: näv i-vXov %b qjvo/.ievov1.
Die Vorlage hatte wohl ,fructum dans', wofür dem
Schreiber das geläufigere ,/ructifera)tsi (vgl. Rönfch,
Itala und* Vulg. S. 174) in die Feder kam; bei dem Zu-
ftande des Palimpfefts (f. o.) kann es nicht überrafchen,
dafs die Punkte, mit welchen er die unrichtigen Buch-
Itaben (ifer) tilgte, jetzt nicht mehr fichtbar find.

Göttingen. O. v. Gebhardt.

Westcott, Prof. Brooke Foss., D. D., D. C. L., The
Historie Faith: short lectures on the Apostles' Creed.
London, Macmillan and Co., 1883. (272 p. 8.) 6 s.

Diefes Buch ift nicht etwa eine Gefchichte des
apoftolifchen Symbols. Ich hatte das — zum Theil
wegen des Namen feines Verfaffers, zum Theil wegen
des Titels, den es führt — erwartet und vielleicht haben
auch andere, welche von dem Buche nur erlt durch die
buchhändlerifche Anzeige erfahren, eine ähnliche Vor-
ftellung. Es ift eine praktifche Auslegung des Symbols.
Der ,hiftorifche Glaube' ift das Symbol, welches nur die
Thatfachen des Glaubens ausfpricht. Diefe Thatfachen
in ihrer religiöfen Bedeutung aufzuhellen, um das noch
immer lebendige Symbol auch wirklich zu einem religiöfen
Bekenntnifs der Gemeinde der Gegenwart zu
machen, das ift das Abfehen des Buches. Das Buch ift
ein Mittelding zwifchen einem Erbauungsbuch und einer
wiffenfehaftlichen Arbeit. Es ift fein, herzlich und lebhaft
gefchrieben. Vielen dürfte das Buch auch in

Deutfchland zu Danke gefchrieben fein. Artikel für
Artikel wird durchgegangen und von erbaulich-dogma-
tifchen Bemerkungen angeknüpft, was, wie es fcheint,
dem Bedürfnifs eines gebildeten, kirchlich-gefinnten, eng-
lifchen Publicums entfpricht —. Es erinnerte mich am
eheften an Werke wie Melanchthon's explicatio symbo/i
Niceni oder Dieterich's institutiones catecheticae —• nur
dafs es eben dem modernen Gefchmacke und Bedürfnifse
entfpricht. In neun Beilagen, Notes, geht der Verf.
einigen Fragen fpecieller nach. Note V ,All-Sovereign
and Allmighty' — eine kurze Beleuchtung der Differenz
zwifchen dem navToxoccTfjjQ des gricchifchen und omni-
potens des lateinifchen Formulars — ift wegen der hier
gebotenen patriftifchen Nachweife für denjenigen, den das
Tauffymbol gefchichtlich intereffirt, nicht ohne Belang.

Giefsen. F. Kattenbufch.

Röhm, Domcapitul. J. B., Confessionelle Lehrgegensätze.

(1. Thl.) Hildesheim, Borgmeyer, 1883. (285 u. X S.

gr. 8.) M. 3. —

Erfter Theil eines Werkes über die confeffionellen
Lehrgegenfätze. Specialtitel: ,Quelle und Richtfchnur
des Glaubens'. Thema: Nachweis, dafs im Proteftantis-
mus Niemand weifs, wie er eigentlich mit dem Chriften-
thume und der Wahrheit daran ift; hier ift Alles entweder
im Widerfpruch mit fich felbft oder ungreifbar und un-
beftimmbar; dem gegenüber weifs die katholifche Kirche
auf Alles, was ein religiöfes Gemüth bewegen kann, die
klare feite Antwort und eben damit die .Gewifsheit' zu
geben. Die Schrift gehört zum Kleinkram der Polemik
oder vielmehr der Propaganda. Es wäre ein Kinder-
fpiel, wenn man beliebig jede theologifche Richtung
aller Zeiten, wiffenfehaftliche Bücher und ephemere Bemerkungen
ad hoc, gefchichtliche Erörterungen und dog-
matifcheUnterfuchungen, dazu Ausführungen in jedwedem
genus dictionis, wie der Verf. es mit uns macht, benutzen
wollte, um auch über den Katholicismus aus katholifchen
Autoren ein Büchlein oder ein Buch herzuftellen, welches
bewiefe, dafs dort Niemand wiffe, wie er eigentlich
daran fei. Verf. braucht kein Bangen zu haben, dafs
einer von uns folches Kindcrfpicl einmal triebe. Wir
werden uns immer befinnen, dafs es eine Wiffenfchaft
der Polemik giebt und wiffenfehaftliche Mittel, feftzuftellen,
welcher Art der Geift und die idealen Mächte find, die
in den verfchiedenen Confeffionen fich geltend machen.
Wir werden uns nicht mehr auf die Pfade folcher arm-
feligen Polemik, wie fie der Verf. übt, locken laffen.

Verf. verfichert natürlich nur der ,Wahrheit' dienen
zu wollen. Sonderbar, dafs er bei feiner ,Objectivität',
fobald er auf die Reformatoren als Perfonen zu fprechen
kommt, nur noch von feinen Janffen, Evers u. f. w. Etwas
weifs. Zu fchön, als dafs ich darüber hingehen möchte,
ift es, wie Verf. in § 13, ,die Geltung der Bekenntnifse',
Luther's Anerkennung der Auguftana zu discreditiren
verfucht. Es fcheint mir, dafs er hier einem originalen
Einfall folgt. ,Luther nannte fie die »Leifetreterin«; in-
defs er erkannte fie an — vielleicht aber nur, weil er
mufste. In den Tagen des unglücklichen Bauernkrieges
hatte er fich verheirathet, wie Goethe unmittelbar nach
der Schlacht bei Jena dies that. Luther's Verbindung
war aber nach ftrengem weltlichem, wie kirchlichem
Rechte nichts anderes als eine wilde Ehe: in der Gegenwart
, in der man die Majeftät des Gefetzes fo hochhält,
darf man wohl getroft an diefe Thatfache erinnern.
Wenn er feine Zuftimmung zur Auguftana nicht gab,
konnte er wegen Concubinats in Anklagezuftand verfetzt
und vor Gericht gezogen werden. Gefchah diefes, fo
war feine Verurtheilung gewifs und damit feinem Wirken
ein unrühmliches Ende bereitet. Ob Luther feine Lage
nicht kannte?'

Als Nachtrag giebt Verf. eine .Entgegnung'. Diefelbe
bezieht fich auf eine Bemerkung, welche die Luthardt'fchc