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Ausgabe:

1884 Nr. 22

Spalte:

533-534

Titel/Untertitel:

Ein Spandauer Weihnachtsspiel. 1549 1884

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 22.

534

felbe fpäter nicht mehr erreichte'. In der letzten Zeit
Friedrich's und während der Regierung feines gewaltigen
Sohnes ift diefer grofsartige Auffchwung des deutfchen
Reichs trotz der verhängnifsvollen Wendung in der
Politik des durch Friedrich allzu hoch erhobenen Erz-

nach verfchiedenen Seiten Intereffe bietenden Arbeit zu
weiterer Beachtung zu verhelfen, als ihr durch den geringen
Leferkreis der ,Märkifchen Forfchungen' in Ausficht
geftellt ift. Der Herausgeber, Gymnafiallehrer in
Berlin, liefert hier den Neudruck eines 1549 in Spandau

bisthums Köln und trotz der anfänglichen Mifserfolge , aufgeführten Weihnachtsfpieles, welches fpäter (Frank-
Heinrich's VI. in Sicilien in unaufhaltsamem Fortfehreiten ; furt a. O. 1586) gedruckt worden ift, von dem aber nur
begriffen. Deutfchland fleht vor den Thoren der wirk- I noch ein einziges Exemplar vorhanden zu fein fcheint.
liehen Weltherrfchaft, die erft Heinrich in das Programm , Verfaffer des Stückes ift der Melanchthonianer Chriftoph.
des deutfchen Kaiferthums eingeführt hat. Da wird : Lafius, der von 1546-1555 Pfarrer in Spandau gewefen
durch den plötzlichen Tod des Kaifers der ganze Bau war. Den Neudruck (S. 109—163) des in feiner Naivität
in feinen Grundfeften erfchüttert. [ anmuthenden Spieles — es ift, wie man jetzt fieht, in

Bis hierher reicht diefer zweite Band. Was den 1 dem durch Friedländer 1839 veröffentlichten Berliner

erften auszeichnete, findet man hier in faft noch bewun
dernswürdigerer Weife wieder: vor allem die abermals
und gründlicher als je geficherte Erkenntnifs, wie die
deutfehe Kirche Jahrhunderte lang ihre ganze Gefchloffen-
heit und ihre grofsartige Eeiftungsfähigkeit für die nati

Weihnachtsfpiel von 1589 fehr ftark ausgefchrieben
worden •) — begleitet nicht allein ein fprachlicher Com-
mentar fowie ein mit aufserordentlicher Belefenheit angefertigtes
Regifter von nicht weniger als 71 Weihnachts-
fpielen, fondern auch eine für den Reformationshiftoriker

onalen Bedürfnifse und vor allem die Entwickelung der beachtenswerthe Biographie des Lafius, in welcher mit
unteren arbeitenden Klaffen ganz wefentlich ihrem Bund gröfstem Fleifse die weit verftreuten Notizen über feinen
mit dem Königthum und der überherrfchaft des letzteren Lebensgang zufammengetragen, auch feine Schriften voll-
über fie zu verdanken hat, — fodann den Einblick in ftändig aufgezählt werden 'S. 179—194). Es werden hier
das ganze Getriebe ihrer Intereffen wie ihrer Verwaltung, j die Schickfale eines jener Theologen der Reformationsund
dann überhaupt die plaftifche Fülle der Darftcllung, ! zeit gezeichnet, welche theils eigene Schuld, theils die
die fich nicht mit der Überfläche und dem blofsen ; Ungunft der Parteiverhältnifse einmal ums andere ge-
äufseren Gefchehen begnügt, oder diefes nur durch ideale nöthigt haben, den Wanderftab zu ergreifen. Wir finden
Allgemeinheiten bedingt fein läfst, fondern überall in Lafius, deffen Heimat Strafsburg, deffen Bildungsftätte
erfter Linie die realen und materiellen Bedingungen des Wittenberg gewefen war, erft in der Vaterftadt als Lehrer,
Seins und Werdens ins Auge fafst und von ihnen eine dann in Görlitz als Schulrector befchäftigt; nach Empfang
klare Anfchauung zujgewinnen fucht, die wie man gefagt der Ordination in Wittenberg wird er Mörlin's Diakonus
hat, die deutfehe Gefchichte ,von der Schweinemaft auf in Arnftadt; gemeinfam mit diefem wird er abgefetzt,
fchreiben will, weil nur aus der Erkenntnifs der mate- j da fich das ftädtifche Regiment durch ihre Predigten
Hellen Bedingungen die Erkenntnifs und Werthung der ' beleidigt fühlt. Bald danach wird er in Greufsen gleichhöheren
und höchften Ziele, welche im Verlauf der i falls wegen Kanzelmifsbrauchs feines Amts entfetzt..
Geschichte aufgeftellt und verfolgt werden, fich ge- j Melanchthon's Empfehlung fchafft ihm eine Stellung in
Winnen läfst. I Spandau, wo er faft ein Jahrzehnt aushält: aber wieder

Halle a. S. Karl Müller. treiben ihn feine Predigten, in denen der Gegenfatz der

'___ I Philippiften gegen den jetzt das correcte Lutherthum

verfechtenden Joh. Agricola zu immer gereizterem Aus-
Schott. Prof. Dr. Thdr.. Deutsche Fürsten im Zeitalter der druck kommt. Er mufs die Mark räumen, und nun be-
Reformation. Vortrag. Stuttgart, Krabbe, 1884. ^29 S. gegnen wir dem Ausgetriebenen in kurzen Zwifchenräumen
8) M — 50. ' in ^chnfieBeberg in Schieben und in Lauingen in Süd-

' deutfchland, wo ihn feine Strafpredigten wieder um fein
Mit kurzen Strichen zeichnet der Verfaffer eine An- ; Amt bringen; dann in Strafsburg, Augsburg, Zeitz,
zahl jener Fürften, die in den Tagen der Reformation Cüftrin, Cottbus — bis er endlich 1572 in Senftenberg
theils als Schirmherren, theils als Gegner der evangel. diefes Wanderleben befchliefst. Es ift ja charakteriftifch
Bewegung hervorgetreten find. Wir finden hier, wie zu ] für die fpäteren Jahrzehnte der Reformationszeit, diefes
trwarten ftand, die drei Erncftiner: Friedrich, Johann ; mit den Parteikämpfen und der rückfichtslofen Kanzel-
und Joh. Friedrich, und neben ihnen den Landgrafen polemik der Theologen zufammenhängendeWanderleben
Philipp: dann aber auch die vier Hohenzollern Albrecht : fo vieler Geiftlichen. Die ,exiliai der Zeloten der flacia-
von Mainz und Albrecht von Preufsen, fowie die beiden ; nifchen Partei find bekannt; hier haben wir die eines
Joachim's, Vater und Sohn, von denen eine Charakte- Melanchthoniancrs vor uns, der aber in Kanzelmifsbrauch
riftik gegeben wird; den Schlufs bildet Moritz von Sachfen. j der Gegenpartei nicht nachgeftanden zu haben fcheint.
Sind es auch nur Skizzen, da der knappe Raum eines : In der fleifsigen Zufammenftellung der Quellennotizen,
Vortrages eine ausführlichere Darfteilung nicht geblattete, ; aus denen die Biographie zufammengefügt werden mufste|
fo find doch die Umriffe mit ficherer Hand gezeichnet; : vermiffe ich nur Corp. Ref. F529; auch fei daran erinnert'
der Sachkundige merkt es auch ohne die am Schlufs dafs die Wittenberger Ordinandenrecfifter jener Tahre

angefügte Nachweifung über die verwerthete Literatur,
dafs der Vortragende in der Lage war, aus dem Vollen
zu fchöpfen. In dem am ausführlichften behandelten
Bilde Friedrich's des Weifen fchliefst fich Schott in der

unlangft durch D. Rietfchel aufgefunden worden find.
Es fei noch befonders darauf hingewiefen, dafs auf S.
184 ein bisher unbekannter Brief des Grafen Günther
v.Schwarzburg an Luther aus dem SondershäuferArchiv

Beurtheilung der Gefammtftellung desfelben zur Refor- mitgetheilt wird. Der undatirte Brief dürfte Ende 1544
mation an Kolde an; Ref. hat f. Z. bei der Anzeige der anzufetzen fein.

betr. Schrift Kolde's feinen Diffenfus bekannt.

Magdeburg. Kawerau.

Ein Spandauer Weihnachtsspiel. 1549. Herausgegeben von
Johs. Bolte. In: Märkifche Forfchungen XVIII. 1884.
S. 109—222. Berlin, [Ernft & Korn].

Wenn ausnahmsweife hier eine Zeitfchriftpublication
zur Anzeige gebracht wird, fo gefchieht es, um einer

Magdeburg. Kawerau.

l) Nähere Nachweife hierüber fiehe in Bolte's Auffatz im Jahrbuch
des Vereins für niederdeutfehe Sprachforfchung IX, S. 94_104.