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Ausgabe:

1884

Spalte:

512-516

Autor/Hrsg.:

Nöltingk, G. C.

Titel/Untertitel:

Der Gustav-Adolf-Verein und die lutherischen Gotteskasten 1884

Rezensent:

Rade, Martin

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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führung wie in höchft gefälliger Form bietet es das
Gefammtergebnifs der Forlchung dar. Das ift freilich eine
Arbeit, welche die Kräfte eines Einzelnen überfteigt, es
mufs eine Collectivarbeit fein. Der verdienftvolle Herausgeber
der Encyklopädie des gefammten Erziehungs- und
Unterrichtswefens (II Bände 1859—1878, zweite Auflage
feit 1876), K. A. Schmid, ift der Herausgeber auch
diefer Gefchichte der Erziehung; für den erften Band
hat derfelbe den glücklichen Griff gethan, Prof. Dr.
Guft. Baur in Leipzig zur Mitarbeit heranzuziehen.
Die beiden Männer haben fleh in die Arbeit fo getheilt,
dafs Schmid die Erziehung bei den Griechen und
Römern bearbeitet hat, während Baur der Verfafler des
ganzen übrigen Inhaltes vom erften Bande ift. Aeufser-
lich tritt die Verfchiedenheit der Bearbeiter darin hervor,
dafs die Einheitlichkeit der Ueberfchriften nicht gewahrt
ift; inhaltlich ift die Verfchiedenheit noch mehr erkennbar
, indem Schmid fleh mehr auf die Darftellung in
einheitlichem Bilde befchränkt, Baur auch der Aufgabe
der gefchichtlichen Entwicklung Rechnung trägt und
damit auch energifcher den kritifchen Mafsftab anwendet.
In einem überaus anziehenden Gemälde wird uns von
Schmid die leibliche, die muflfehe und die Epheben-
Erziehung bei den Griechen und Römern gefchildert,
doch das Frühere und Spätere tritt nicht fcharf hervor.
,Die Gefchichte der Erziehung bei den bisher befpro- i
chenen Völkern' heifst es S. 294 (vgl. das treffende Wort
über das Griechenthum S. 332), . . ., mufste fchliefslich
immer zu einer Gefchichte des Verfalles werden', aber
die Gefchichte des Verfalles ift uns in der Erziehung !
der Griechen und Römer nicht gegeben. Bis fehlt ja
nicht an der Geltendmachung des Mafsftabes der Beur- ;
theilung, allein die Schilderung orientirt fleh nicht daran;
mit vollem Rechte wird auf die Mangelhaftigkeit des
religiöfen Factors verwiefen, aber fle geht mehr neben
dem fchönen Bilde her, als dafs dasfelbe dadurch feine j
Färbung empfangen hätte. — Neben dem reichen Buche
von Lor. Grasberger (Erziehung und Unterricht im
claffifchen Alterthum. 3 Bände 1864—1881), welches die
Hauptquelle der Darftellung bildet, würde auch das
fchöne Werk von Leop. Schmidt: Die Ethik der alten
Griechen (2 Bde. 1882), namentlich Bd. I erftes und
zweites Capitel und Bd. II erftes und viertes Capitel,
reiche Beute gewährt haben.

G. Baur behandelt nach einer lichtvollen Einleitung
über den Gegenftand und feine Bedeutung, über Gang
und Methode der Behandlung, über die Literatur, in
drei Abfchnitten die Naturvölker, die Culturvölker
des Orientes, nämlich die Chinefen, die Inder, die Perfer,
die Semiten, insbefondere die Affyrer, und die Aegypter,
und das Volk der vorbereitenden Offenbarung, die Ifrae-
liten. Auf ausdrückliches Verlangen feines Mitarbeiters
erklärt der Herr Herausgeber im Vorwort, dafs derfelbe
die Arbeit in der Erwägung übernommen habe, dafs er
in feiner Stellung auf die Unterftützung durch literarifche
Hülfsmittel und namentlich durch persönliche Belehrung
von Seiten fachkundiger Collegen rechnen dürfe. Wenn
es nicht gefagt wäre, würde wohl niemand auf den Gedanken
gekommen fein, dafs wir es nicht mit einem das
gefammte Material beherrfchenden Manne zu thun hätten;
fo ficher und anfehaulich ift die Zeichnung, fo mit dem
Stempel des Eigenen verfehen die Darftellung. Selbft-
verftändlich ift es, dafs weder in der bunten Reihe der
Naturvölker, noch bei mehreren der Culturvölker
des Orients von einer gefchichtlichen Entwicklung der
Erziehung die Rede fein kann; doch bei den Affyrern
und den Aegyptern kommt fle bereits zur Darftellung,
und fle tritt fcharf hervor in der vorzüglich gelungenen
Arbeit über die Ifraeliten.

Beim Rückblick auf das Ganze des erften Bandes
kann Ref. nur dem lebhaften Danke für die fchöne Gabe
der Herren Verfafler, die auch in der fplendiden Aus-
ftattung fo vortheilhaft fleh empfiehlt, wiederholten Ausdruck
geben. Möchten nur die Gebildeten unferes Volkes
ihre Bildung durch fleifsiges Studium diefes Werkes
bewähren!

Marburg. Achelis.

1. Funke, Pafl. Wilh., Das Werk der lutherischen Gotteskasten
und verwandten Unterstützungsvereine. Gefam-
melte Beiträge über die Notwendigkeit, Gefchichte
und Arbeitsgebiete der Gotteskaften, nebft einem
Anhang über den Guftav-Adolf-Verein. Mit 5 Abbildungen
. Hannover, Feefche, 1883. (VIII, 255 S.
gr. 8.) M. 3. -

2. Nöltingk, G. C, Der Gustav-Adolf-Verein und die lutherischen
Gotteskasten. Bernburg, Bacmeifter, 1884. (40 S.
gr. 8.) M. —. 60.

Von diefen beiden Schriften ift nur die zweite an
die Redaction der Th. Lit.-Z. eingefandt und von ihr dem
Ref. übergeben worden. Aber da begegnet dem Lefer
auf S. 2 ein fo nachdrücklicher Hinweis auf das Bunke'fche
Buch, dafs man fchwer daran vorbeikommt. Dasfelbe
wird nämlich gedeutet als die Antwort auf die ,bange
Frage' nach der Zukunft des G.-A.-V., wie fle Rüling in
feiner Feftpredigt bei der Leipziger Jubelfeier gethan
haben foll. Andere fahen in der Frage und in dem
daraus entftrömenden Gebet den Ausdruck der Zuverficht
, dafs wir die Zukunft des G.-A.-V. getroft in Gottes
Hände legen können. N. möchte darin die bange Ahnung
des nahenden Untergangs erkennen. Freilich wenn das
F.'fche Buch die Antwort ift, mufs einem wohl bange
werden.

Ein gewiffenhafter Rccenfent kommt denn über S.
2 des N.'fchen Schriftchens nicht hinweg, er nimmt den
Funke und lieft. Und das lohnt fleh. Funke, der Schriftführer
des hannoverfchen Gotteskaftens, feinerzeit Paftor
zu Schinna, jetzt P. prim. zu Gehrden bei Hannover,
bietet eine Sammlung von Auffätzen aus eigener und
fremder Feder, welche über das Werk der lutherifchen
Gotteskaftens vollftändig orientiren. Das ift in jedem
Falle mit Dank zu begrüfsen, denn bei der Mannigfaltigkeit
der genannten Vereine war es bisher für den
Fernftehenden fchwer, fleh genauer darüber zu unterrichten
. Cap. 1 bringt Allgemeines über die Gottes-
: kaftenfache, voran den Vortrag, den der Herausgeber
über Nothwendigkeit und Berechtigung der Gotteskaften
1879 in Nürnberg gehalten hat, nebft Protocoll der
j ebendort abgehaltenen Specialconfcrenz. Cap. 2 (S.
24—78) giebt die Gefchichte der Gotteskaften (es find
heben: Hannover, Mecklenburg, Sachfen, Lauenburg,
! Baiern, öftl. Provv. Preufsens, Württemberg) und der verwandten
Unterftützungsvereine (Neuen-Dettelsau, Stade,
Rufsland) in zehn, je von einem Mitarbeiter am betr.
Werk geschriebenen Artikeln. Cap. 3 (S. 79 — 175) behandelt
die Arbeitsgebiete der Gotteskaften in einer allgemeinen
Ueberflcht und auserlefenen Skizzen, die wieder
von verfchiedenen Verfaffern flammen und meint recht
wirkungsvoll gefchrieben find: 20 Artikel. Darauf folgt
I — ein Anhang über den Guftav-Adolf-Vercin (S. 176—221),
| der, wie F. in Anm. Iii fagt, nach Joh. 18, 23 beurtheilt
fein will. Endlich fehr reichhaltige Anmerkungen (S.
222—253).

Der G.-A.-V. bietet leider nicht nur Stoff zu einem
Anhang, fondern die Polemik gegen ihn durchzieht das
ganze Buch. Man kann fragen, was dem Hrsg. mehr am
Herzen liege: Bericht zu geben von den Gotteskaften
oder den G.-A.-V. zu verdächtigen. Oder ift eines nicht
möglich ohne das anderer Die Th. Lit.-Z. ift nicht der
Ort, den Angriff zurückzuweifen, wohl aber, das F.'fche
Buch zu charakterifiren. Dazu nur fo viel.

Vier Vorwürfe erheben P und Gen. gegen den
I G.-A.-V.: 1. er unterftütze die Glaubensgenoffen nur in