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Ausgabe:

1884 Nr. 20

Spalte:

486-489

Autor/Hrsg.:

Böhl, Ed.

Titel/Untertitel:

Von der Incarnation des göttlichen Wortes 1884

Rezensent:

Rade, Martin

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Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 20.

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ftenthum fei nicht die abfolute Religion, 2. es fei, weil Principien zur Erweiterung unferer Erkenntnifs über die

Religion, nicht werthvoll. In einigen Unterabtheilungen finnliche Erfahrung hinaus ausgegeben werden (S. 292).

diefer Titel wird ausgeführt, was verfchiedene Gegner Nun foll die Wahrheit von göttlicher Offenbarung fchon

des Chriftenthums in neuerer Zeit in diefen beiden Rieh- dadurch angedeutet fein, dafs keine Empfindung ohne

tungen vorgetragen haben. Der Verf. hatte nun entweder Reiz eintritt (S. 269); die Auffaffung der Ideen aber foll

zu zeigen, dafs der Grundrifs mit diefen beiden Themata nicht ohne Offenbarung des göttlichen Geiftes erfolgen

erfchopft fei, indem er allen Stoff der Beftreitung des i (S. 292). Mit diefen Ergebnifsen, auch wenn fie bündig

Chriftenthums auf fie reducirte, oder er hatte noch andere ! bewiefen wären, ift man noch fehr weit von der Denk-

Themata zur Ausmeffung feines Grundriffes nachzuweifen. | nothwendigkeit der chriftlichen Religion entfernt. Und

Er hat jedoch weder das eine noch das andere gethan; , wenn man dazu vernimmt, dafs jene vom Verf. präten-

vielmehr bricht er (S. 96) plötzlich ab: ,Hieran (an die 1 dirte Erkenntnifs keine abfolute fondern eine relative ift,

beiden Themata) fchliefse (ich die eigentliche und pofi- i dafs er felbft keinen Anfpruch auf abfolute Metaphylik

tive Arbeit der A., die rechten Methoden der Verthei- j erhebt, die es nur für übermenfehliche Wefen, oder viel-

digung gegen alle möglichen und wirklichen An- , leicht nur für Gott geben kann (S. 293), fo entläfst der

griffe nach Form und Inhalt zu befchreiben'. Das alfo j Verfaffer feine geduldigen Lefer mit der gröfsten Ent

bedeutet einen Grundrifs!

Der vierte Beitrag über die Vorbildlichkeit desN.T.'s
für die directe Apologie ftellt diefelbe daran feft, dafs die
Bedürftigkeit der Menfchen, erlöft zu werden, ferner die

täufchung. Er ift weder feiner Herbart'fchen Intentionen,
noch überhaupt feines Unternehmens mächtig. Eine
methodifche Vertheidigung des Chriftenthums erfordert
zunächft den Befitz einer methodifchen fyftematifchen

Möglichkeit und Wirklichkeit der Erlöfung, endlich ihre I Theologie; und wenn man eine folche gewonnen hat,
Bedingtheit durch Glaube und Bufse zur Vertheidigung j fo wird fie auch die unter dem Titel: Apologetik ge-
des Chriftenthums verwendet werden foll. Hiermit, und ! fuchte Anleitung zur Vertheidigung des Chriftenthums

dafs diefer Zufammenhang durch Offenbarung umfafst
wird, will der Verf. das Hauptobject der Apologie bezeichnen
. Allein wer wird fo etwas unter dem obigen
Titel erwarten, welcher vielmehr auf formelle Bedingungen
der Vertheidigung des Chriftenthums vorbereitet? Gehörten
nicht jene vom Verf. genannten Themata in feinen

umfaffen. Welche fyftematifche, politive Theologie dem
Verf. zu Gebote fteht, wird nirgendwo klar; nur in Hinficht
der Infpirationslehre, der biblifchen Darfteilung der
Schöpfung, der Beurtheilung des Heidenthums als ganz
falfcher Religion will er von der hergebrachten Dog-
matik abweichen (S. 128. 131. 181). Diefen Spuren von

Grundrifs der directen Apologie? Wenn man aber, gemäfs , Ereifinn fteht jedoch gegenüber, dafs er die Uebel aus

dem Titel des vierten Beitrags, als Apologet fich nach
Chriftus und den Apofteln richten foll, fo ift es zwar
wahr, dafs diefe Auctoritäten keine directen Beifpiele von
wiffenfehaftlicher Vertheidigung ihrer Sache gegeben
haben: allein fie haben Sätze ausgefprochen, nach deren
Analogie auch jene Aufgabe eingerichtet werden mufs.
Wenn nur dem gegeben wird, welcher hat, fo ift es auch
nur möglich einem folchen Gegner die Wahrheit des
Chriftenthums zu beweifen, deffenUeberzeugung in irgend
einer Beziehung mit dem Chriftenthum übereinftimmt.
Wenn Paulus die bekannte Entgegenfetzung der Thor-

der Naturwelt als nothwendige Störungen der Naturordnung
durch gefallene Engel ohne Schwierigkeit meint
nachweifen zu können (S. 211). Ich wünfehe guten Erfolg
dazu. Ferner hat die Darftellung des Verf.'s eine
grofse formale Unficherheit; die Zufammenhänge feiner
Gedanken werden immer durch abfpringende Gefichts-
punkte unterbrochen; er bringt Dinge ankündigungsweife
vor, die ihren Ort erft fpäter finden, er fällt auch einmal
wieder in eine fchon gefchloffene Erörterung zurück,
indem er in dem Abfchnitt über Werth der A. von S.
42—52 auf deren Definition gegen die Meinungen Anderer

heit der chriftlichen Verkündigung und der Weisheit , zurückkommt. Auch die Sprache ift nicht rein von
der Welt ausgefprochen hat, fo warnt er vor jedem I Ausdrücken, die von halbgebildeten Zeitungsfchreibern
Verfuch, das Chriftenthum einer Lebensanficht verftänd- j gebraucht werden. Ein wiffenfehaftlicher Theolog darf
lieh zu machen, in welcher der Werth des fittlichen 1 nicht felbftredend, diesbezüglich, anormal (S.
Handelns gegen die Ordnung der Natur zurückgeftellt wird. 182) fchreiben. Entweder abnorm oder anomal;

jene vox hybrida ift von Leuten erfunden, welche von
Latein und Griechifch nur haben läuten hören.

Dafs folche Grenzen der Apologie in der Eigenthüm
lichkeit des Chriftenthums eingefchloffen find, fcheint der
Verf. in manchen Ausführungen zuzugeftehen, z.B. S. 132,
wo der Glaube als das Correlat der Erlöfung betont und
feine Unabhängigkeit gegen Verftandesdemonftration hervorgehoben
wird. Aber in der Hauptfache ift diefes für
den Verf. nicht vorhanden. Denn indem er in den Beiträgen
6—10 eine Reihe von Specialfragen erörtert,
nämlich die Stellung der Vertheidigung des Chriftenthums
zur Xaturwiffenfchaft, zur Gefchichte der Religionen, zur
Frage des Uebels, fo kommt er zuletzt bei der Frage
nach der Objectivität der rchriftlichen) Religion an. Hier

Göttingen. A. Ritfchl.

Böhl, Prof. Dr. Ed., Von der Incarnation des göttlichen Wortes.

Wien, Faefy, 1884. (VII, 135 S. gr. 8.) M. 2. 40.

Der Verf. hat bisher auf exegetifchem und biblifch-
theologifchem Gebiete gearbeitet und fich dabei zur
Aufgabe gemacht, dem Vordringen der neukritifchen
Schriftforfchung einen Damm entgegenzufetzen. Die Be-
fprechung feiner letzten Streitfchrift in der Th. Lit.-Z.
findet er nun, dafs der Beweis des Chriftenthums aus j (Nr. 5 diefes Jahrg.) wird den Lefern derfelben noch in

der in ihm gewährleifteten fittlichen Beftimmung der [ frifcher Erinnerung fein. Indem er fich nun anfehickt

Menfchen, welchen er in den Darftellungen durch Lipfius,
Kaftan, Herrmann durchgeht, deshalb nicht genüge, weil
man auf die Anerkennung der Sittlichkeit und ihres
Werthes nicht überall rechnen kann (S. 233). Was er
aber, um diefen Beweis zu überbieten, in dem letzten,

feine Kräfte der fyftematifchen Theologie zuzuwenden,
tritt er auf wie einer, der berufen ift, auch hier endlich
Ordnung zu fchaffen. Er hält auf den erften Blättern
feiner Schrift Gericht über alle die Männer, die bisher
an dem Problem der Chriftologie fich abmühten. Sie

dem 10. Beitrag, zur Feftftellung der Objectivität der hätten fich die Mühe fparen können; da ift keiner, der
chriftlichen Religion zu leiften unternimmt, nennt der I etwas Brauchbares zu Stande gebracht, auch nicht einer.
Verf. befcheiden und vorfichtig: Grundlinien eines Beweis- j Manche werden kurz abgethan, andere mit vollen Schalen

verfuches. Er verbindet in diefem Verfuch die Inftanz
der Herbart'fchen Metaphyfik mit Lotze's Poftulat der
Idee Gottes zur Herftellung der Einheit der vielen in
Wechfelwirkung flehenden Dinge, ferner mit Kants
Begriff von den Ideen, welche aber nicht blofs als regulative
Principien des Handelns, fondern als conftitutive

des Spottes und Hohnes überfchüttet. ,Schleiermacher
blies in's Horn; er warf fich in die Bruft und wollte
allen alles werden'. ,Vom frommen Bewufstfein wird
Chriftus geboren, warum nicht? Pur Schleiermacher war
das alles eine Kleinigkeit'. ,Das rechte, kühne Wort,
um die ganze Grofse des Attentats, das mit Schleier-