Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1884

Spalte:

481-483

Autor/Hrsg.:

Scaduto, Francesco

Titel/Untertitel:

Guarentigie pontificie e relazioni fra stato e chisa (legge 13 maggio 1871) 1884

Rezensent:

Benrath, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 20.

482

den 4. November 1520 und nach Köln zu verlegen. Die
ebenfo langathmigen wie charakteriftifchen Infovviationes
dandae Rev. Episcopo Tergestino et Iudoco . . .*) Caesaris
a ConsiHis ituns oratoribus ad Fridericuni Ducem Saxoniac
ob causam Fralris Martini Luthe ri in Nr. 35 (S. 87—97),
ohne Zweifel von Aleander verfafst (wenn ich recht fehe,
liegen fie in den Act. Worm. fogar in feiner eigenhändigen
Niederfchrift vor) find in Bezug auf ihre Zeitlage
(Januar oder Februar 1521 ?) und eventuelle Ausführung
noch genauer zu unterfuchen. Bisher ift meines
Wiffens von diefem Verlüche den Kurfürften zu captiviren
nichts bekannt. Eine genauere Unterfuchung verdienen
vor allem die von Aleander (?) oder dem Trierifchen
üfficial Eck zufammengeftellten Acta Wonnacicnsia über
Luthers Verhöre vom 17. und 18. April (Nr. 68, S. 175
bis 183), für welche augenfcheinlich eine gedruckte
Lutherifche Relation benutzt ift (aus diefer fcheint auch
trotz der Verficherung des Compilators S. 177, dafs ihm
eine Abfchrift zugekommen fei, die Rede Luther's vom
18. entnommen zu fein); ihr Werth befteht hauptfächlich
darin, dafs fie die Reden des Trierifchen Officials ausführlicher
wiedergeben als jede andere Relation. (Die
Ueberfchrift S. 68 rührt von Bai. her; die finnlos wiedergegebene
Randnotiz ift zu lefen: Addidit, si rite audita
recordor: ,nisi forsan' u. f. w. Das am Schlufs S. 183 f.
angehängte doppelte Verzeichnifs von Schriften Luther's
gehört nach Papier und Handfchrift nicht zu diefem
Actenftuckl — In Nr. 69 und 71 erhalten wir eine ungemein
willkommene Ergänzung zu den Reichstagsverhandlungen
, nämlich die Sentenz des Brandenburger Kurfürften
über Luther vom 19. April und die Antwort der
Stände vom 20. auf die kaiferliche Propofition vom 19.;
über diefe Vorgänge waren wir bisher nur mangelhaft
unterrichtet. Zu den Nummern 59 und 60 ift zu bemerken
, dafs die Daten des 5. und 8. April 1521 von B.
nicht der Handfchrift entnommen find; beide Urkunden
werden wohl noch dem Herbft 1520 angehören. — Unter
den Breven Leos X., die B. neu mittheilt, ift hervorzuheben
das bisher vermifste vom 25. Febr. 1521 an Karl
(Nr. 26, S. 65 f.), desgleichen das ebenfalls an den Kaifer
gerichtete, aber nicht abgefchickte von Anfang März
(Nr. 39, S. 108—112). — Endlich von den Briefen in-
terefürt uns am meiften derjenige des Card. Albrecht
an den Papft (genauer ein Memorial feines Procurators
in Rom) (Nr. 107, S. 267—71), ein Klagcfchrei über das
rapide Wachsthum und die von Tage zu Tage gröfsere
Frechheit der/actio hdheriana: befonders über das Treiben
in Wittenberg, die bekannten Erfurter Vorgänge, die beweibten
Priefter u. f. w., fo dafs aufsergewöhnliche Ge-
cenmafsregeln zu treffen find: fogar an ein Provincial-
Concil dachte Albrecht. (B. fetzt den Brief auf Mitte
Juli an: doch wird er wohl eher dem Auguft angehören,
da Medici ihn erft am 18. Sept. an Aleander überfendet;
f. B. S. 291). — Ein befonderes Gewicht legt B. auf
Nr. 1, Breve Leo's X. an Kurfürft Friedrich vom 8. Juli
1520. Hierauf ift jedoch erft in der Anzeige des 2. Heftes
einzugehen, da B. in der diefem beigegebenen Vorrede
dem Breve einen Excurs gewidmet hat.

Marburg. Th. Brieger.

Scaduto, Doc. Francesco, Guarentigie pontificie e relazioni
fra stato e chiesa (legge 13 maggio 1871). Storia,
esposizione, critica, documenti. Torino, Loescher,
1884. (505 p. gr. 8.) L. 9. —

Das Garantiengefetz, jener unglückfelige Wechfel-
balg italienifcher Kirchenpolitik, gezeugt aus Indifferentismus
in allen religiöfen und kirchlichen Fragen, fowie
aus Ancfft vor der römifchen Curie und unglaublicher
Unkenntnifs ihres wahren Wefens — bildet den Gegen-

') Hier ift was Balan überfehen hat, in den Acta Wormac. eine
Lücke gelaflen zur Yervollftändigung des Namens.

ftand der vorstehenden fehr fleifsigen und inftruetiven
Studie. Der Verfaffer, Privatdocent für Rechtsgefchichte
und Kirchenrecht an der Univerfität in Rom, fleht feinem
Gegenftande in anerkennenswerther Objectivität gegenüber
. Er will aber auch, wie er in der Einleitung und
nochmals am Schlufs fagt, keine principielle, fondern
| nur eine ,hiftorifche' Kritik an demfelben üben, d h. er
legt nicht den höchften Mafsftab an, fragt nicht, welcher
Art das befte Gefetz zur Regelung der ,römifchen Frage'
und überhaupt des Verhältnifses von Staat und Kirche
hätte fein müffen, fondern fragt nur, was man zu dem
Behufe 1871 ,machen konnte', was man gemacht und
wie man's gemacht hat, nicht ohne hie und da feiner
eigenen abweichenden Meinung befcheiden Ausdruck zu
verleihen.

Um nun die Gefchichte desGefetzes zu geben, welche
bei weitem den gröfsten Raum einnimmt, fchlägt der
Verfaffer den Weg ein, dafs er aus den ftenographirten
Kammer- und Senatsdebatten zu jedem einzelnen Paragraphen
die betr. Aeufserungen der Freunde und der
Gegner mittheilt. Das ift zwar kein übler Weg, aber zu
dem rechten Ziele führt er doch nicht. Denn es ift
; z. B. von den Miniftern bekannt, dafs fie gar oft nicht
alles fagen dürfen, worüber die Abgeordneten gern Aus-
i kunft erhalten möchten, und es ift ferner bei einem feit
13 Jahren in Wirkfamkeit flehenden, fo häufig befprochenen
Gefetze unumgänglich, dafs man die fpäteren Aeufserungen
der Staatsmänner auch mit heranziehe zur Erklärung
und event. zur Berichtigung. Das Letztere hat
i der Verf. nur in fehr befchränktem Mafse gethan — fo
fcheint es ihm z. B. entgangen zu fein, dafs Bonghi, einer
der Hauptmacher des Gefetzes, diefes nach Ablauf von
noch nicht zehn Jahren öffentlich als ein fehlgefchlagenes
i Experiment bezeichnet hat Trotzdem treten gewiffe
! Gelichtspunkte für die Beurtheilung des Gefetzes mit
hinlänglicher Klarheit hervor. Erdens die Thatfache —
welche freilich vom Verf. nur angedeutet wird —, dafs
j die ,europäifchen Mächte-, d. h. die allein in Betracht
kommenden römifch-katholifchen und die mit ftark ge-
mifchrer Bevölkerung, an keiner Stelle derartige Garantien
' ausdrücklich verlangt oder beantragt haben; zweitens,
dafs fchon bald nach dem Falle der weltlichen Herrfchaft
alle Verftändigen fich überzeugt haben, dafs nunmehr
die amtliche Freiheit des Papftes eine gröfsere geworden
als jemals vorher; dann, dafs italienifcherfeitsdie Verzicht-
leiftung ohne jeden Entgelt auf die ,monarchia Sicu/a',
den Bifchofseid, die königliche Ernennung der Bifchöfe,
: fowie das Preisgeben des niederen Clerus unter die ab-
folute Gewalt der Bifchöfe deshalb ein fehr grofser
; taktifchcr Fehler war, weil die Curie fich, obwohl fie
! das Gcfetz als folches verwarf, doch der damit gebotenen
Vortheile zur Verftärkung ihrer feindlichen Stellung fofort
zu bemächtigen und zu bedienen gewufst hat.

Das Gefammturtheil des Verf.'s, wie es zum Schlufs
in einer ,Critica' refumirend gegeben wird, lautet folgender-
[ mafsen: der erfte Thell des Garantiengefetzes ',die
Prärogativen des Papftes und des heiligen Stuhles') ift
j im ganzen feinem Zwecke entfprechend; durch feine dreizehn
Artikel wird nicht nur die Perfon des Papftes hin-
! länglich gefchützt und auch pecuniär ficher gehellt, die
i Veröffentlichung feiner Erlaffe, die Ungeftörtheit der
Conclaven, der diplomatifche Verkehr durch Vertretungen
I auswärtiger Mächte wird dadurch genügend garantirt,
j fowie der freie Verkehr durch Poft und Telegraph. Was
, aber den zweiten Theil des Gefetzes angeht (,Be-
; Ziehungen zwifchen Staat und Kirche'), fo ift der Verf.

mit Recht der Anficht, dafs die unter ihm befafsten
t Artt. 14 bis 19 nichts weniger als eine befriedigende
Löfung jenes lchwierigen Problems darftellen, und er
deutet den principiellen Fehler auch richtig an: nämlich
i die Incompetenterklärung des Staates in allen Dingen,
j welche das kirchliche Gebiet auch nur ftreifen. Um nicht
j lediglich negirend fich zu verhalten, führt der Verf. — hier

**