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Ausgabe:

1884 Nr. 18

Spalte:

441-442

Autor/Hrsg.:

Fosbery, Rev.

Titel/Untertitel:

Stimmen des Trostes für bekümmerte und angefochtene Christenherzen 1884

Rezensent:

Meyer, Ernst Julius

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 18.

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einanderzufetzen, wie damit, dafs der Menfch urfprüng-
lich als ,Androgyn' gefchaffen und der gefchlechtliche
Unterfchied Folge der Sünde fei, mit der höchft bedenklichen
Anficht, dafs das Wefen der Sünde in der
Materie ruhe und die fittliche Aufgabe in der Bildung
des Aetherleibes beftehe, mit den myftifchen Zahlendeutungen
, der Anwendung des Darwinismus (,der Frofch
ift nicht nur wirklich lebendig gewordenes, fondern auch
feine Eigenart in jeder Beziehung bewahrt habendes
Waffer [j] S. 82). In den Fragen der Gegenwart gebraucht
" der Verf. feine Waffen nach der Rechten und
der Linken, gegen Orthodoxie und Proteftantenverein,
Juden und Antifemiten, Wagnercultus, Civilftandsgefetz,
Deutfchfreifinnige u. f. w. Man müfste ein Buch fchrei-
ben, gröfser als das vorliegende, um auf all' diefe Dinge
kritifch einzugehen. Anerkannt mufs werden die warme
chriftlicheGefinnung, das ernfte Wahrheitsftreben, welches
dem Ganzen zu Grunde liegt, das Gefchick, mit welchem
das Einzelne in den Zufammenhang eingefügt ift. Gleichwohl
vermag Ref. derartige Schriften nur mit grofsem
Bedenken aus der Hand zu legen. Wohin foll es führen
, wenn man unter der Fahne der Apologetik fo viel
eigene Waare fegein läfst! Und fchon der für die letztere
beftimmte Raum beweift, wie wichtig fie dem Verf. ift.
Die einfache chriftliche Wahrheit wird durch folche Verquickungen
keinem ficher gemacht, dem fie wankend
geworden ift, dagegen meinen viele durch Angriffe,
welche derartigen Eigenthümlichkeiten gelten, nur zu
leicht das Chriftenthum felbft getroffen zu haben.

Leipzig. Härtung.

Küchle. Geo., Dichterwort und Sprichwort nach ihrem
ethilchen Gehalt erläutert. Augsburg, Preyfs, 1884.
(61 S. 8.) M. —.50.

,Yas dies Büchlein will? Ein Rathgeber für jüngere
Lehrer möchte es fein, und in concreter Weife zeigen,
wie der ethifche Gehalt eines Dichterwortes dem Ver-
ftändnifs der Jugend praktifch vermittelt wird'. Zu die-
fem Zweck werden 21 Sprichwörter und 29 Dichterworte
fchlicht und anfprechend, didaktifch klar und mit mafs-
volLer Verwerthung der Gefchichte und Literatur erklärt
. Vielleicht ift des Erklärens hier und da zuviel.
Braucht z. B. bei Sprichwörtern eine ,Morgenftunde hat
Gold im Munde' oder ,Raft ich, fo roft ich' für jüngere
Lehrer wirklich hinzugefügt zu werden: ,Bilderrede', ,ift
bildlich geredet'? — Wer aus Erfahrung weifs, was bei
derartigen Erläuterungen im Unterricht der reiferen
Jugend gefündigt zu werden pflegt, kann dem von pä-
dagogifchem Gefchick zeugenden Büchlein nur Verbreitung
wünfehen in den Kreifen, für die es gefchrieben ift.
Leipzig. Härtung.

Fosbery, Rev., Stimmen des Trostes für bekümmerte und
angefochtene Christenherzen. Aus dem Englifchen überfetzt
von Hedwig Freiin v. Zedlitz. Leipzig, Hinrichs'
Verl., 1883. (XX, 288 S. gr. 8.)geb. m. Goldfchn. M. 7.—

Diefes Andachts- und Troftbuch mit feinen 31 Betrachtungen
, die für jeden Tag im Monat einen entfpre-
chenden Abfchnitt bieten, zählt zu den bedeutenderen
Producten der ascetifchen Literatur. Es find tiefe, aus
Gottes Wort ünd aus gründlicher Kenntnifs des menfeh-
lichen Herzens gefchöpfte, mit warmer Sympathie für
die Leidenden und in edler Sprache gefchriebene Meditationen
, meift von hervorragenderen englifchen Homileten
, die fleh in diefen ,Stimmen des Troftes' finden.
Zwar entfprechen die Betrachtungen nicht durchweg
unferm Gefchmack; hin und wieder ift ein etwas über-
fchwänglicher Ton angefchlagen und eignen fleh einzelne
Betrachtungen mehr für weibliche Gemüther; aber im
Ganzen ift der Ton, den ein Andachts- und Erbauungsbuch
für gebildete Chriften haben mufs, wie fie diefe

J Schrift vorausfetzt, recht gut getroffen, und auch der
Geiftliche kann für eine der fchwierigften Aufgaben feiner
Seelforge aus diefem Buche Pfychologie und weife Benutzung
der Schrift für einzelne Fälle lernen.

Neben längeren Meditationen enthält die Schrift auch
kürzere Ausfprüche, zumTheil von hervorragenden Kirchenlehrern
älterer und neuerer Zeit und treffliche Dichtungen,
mehrere von entfehiedenem poetifchem Werth. Dem ge-

■ diegenen Inhalt, den die Ueberfetzung in wohlgelungener
Weife wiedergiebt, entfpricht die w ürdige und edle Aus-
ftattung, die das Andachtsbuch zu einer Feftgabe eignet.

Dresden. Meier.

Kurzgefasste Mittheilungen.

Schnedermann, Lic. Dr. Geo., Der christliche Glaube und
die heilige Schrift. Habilitations-Vorlefung, gehalten
am 26. Octbr. 1883 zu Bafel. Bafel, Detloff, 1884.
(42 S. gr. 8.) M. 1.20.

Man findet in diefem Vortrage gute Ausführungen über das was die
h. Schrift ift und nicht ift. Dennoch geht im Grunde ein eigenthüm-
liches Schwanken durch denfelben. Der Verf. will mit den Forderungen
der Wiffenfchaft wirklich Ernft machen; er überlieht fie aber nicht in
ihren letzten Cönfequenzen und er gewinnt aufserdem bei feinem kritifchen
Beftreben kein fröhliches Herz. Üm fo mehr fpricht er von fich felber,
von feinen Erfahrungen und Stimmungen, was hie und da geradezu peinlich
wirkt.

Maurer, Prof. Pfr. H., Der Brief Pauli an die Colosser in

31 Betrachtungen für die Gemeinde ausgelegt. Herborn
, Buchhandlung des Naffauifchen Colportagever-
eins, 1883. (IV, 204 S. 8.; M. 1.50; geb. M. 2.—

Von diefen Betrachtungen gilt dasfelbe, was Theol. Lit.-Ztg. 1881
Nr. 5 über die Auslegung des Bhilipperbriefs durch denfelben Verfaffer
gefagt worden ift.

Oort, Prof. Dr. H., Der Ursprung der Blutbeschuldigung
gegen die Juden. Vortrag beim 6. Orientaliftencon-
grefs. Leiden, 1S83. Leipzig, Harraffowitz. (31 S. 8.)
M. 1.—

In diefem Vortrage ift in überzeugender Weife der Urfprung der Blut-
befchuldigung gegen die Juden aufgedeckt. Am Schlurfe weift der Verfaffer
auf die kürzlich aus der Vergeffenheit gezogene Altercatio Simonis
I Iudaei et Theophili Christiani (saec. V) hin und zeigt, wie man an
diefer kleinen Schrift lernen kann, auf welche Weife die jüdifchen ,mazzbf-
I zu ihrem fchlechten Ruf bei den Chriften gekommen find. Durch alt-
1 teftamentliche Stellen wie Jef. 1,15; 59, 7; Deut. 32, 32 bewies man,
dafs die Juden mit blutigen Händen ihre h. Mahlzeit bereiten.

Linke, Dr. Johs., Te Deum laudamus. Die lateinifchen
Hymnen der alten Kirche, verdeutfeht. 1. Bd. Die
Hymnen des 4. Jahrhunderts. Hilarius und Ambrosius
. Bielefeld, Velhagen & Klafing, 1884. (XXVI,
168 S. 16.) M. 3.—

Eine gute, gereimte Uebertragung von 26 altkirchlichen Hymnen (nebft
Abdruck der Originaltexte nach Waeker n agel). Es ift eine folide Arbeit,
obgleich die fchwülftigen Ausführungen in der Vorrede weder vom Gefchmack
noch von den kirchenhiftorifchen Kenntnifsen des Ueberfetzers
Zeugnifs ablegen. Eine Vertiefung der letzteren ift nöthig, wenn der Verfaffer
das grofse Unternehmen, welches er ankündigt (p. XVII f.), wirklich
zur Ausführung bringt: ,Ich hoffe in einigen Jahren einen neuen
Thesaurus hymnorum herausgeben zu können, bei deffen kritifcher Text-
redaction nicht allein noch gegen 100 bisher unerforfchte Codices ma-
nuscripti verwerthet, fondern auch die Werke von Daniel, Neale,
Mone und Morel, fowie die übrige vereinzelte Literatur zufammenge-
arbeitet fein werden. . . Es wird dann ftatt der vielen, noch dazu im
Buchhandel vergriffenen Bücher, nur ein Werk fein, auf das fpätere For-
fcher zurückzugreifen haben, da es alle anderen in fich aufnimmt, das
Zerftreute zufammenfafst und ordnet und den Querftrich unter fämmtlichen
Ergebnifsen der Forfchung zieht. Diefes grofse Werk fei hiermit vorläufig
angekündigt.1 Qui vivra verra Ueber die bisherigen Ueberfetzungen
der lateinifchen flymnen fpricht fich der Verf. fehr ungünftig aus und
ftellt an die eigene Arbeit hohe Anforderungen: ,Nur wer lebenslang die
Luft der alten Kirche geathmet und das Brod der alten Kirche gegeffen
hat, wird auch das Lied der alten Kirche als Kirchenlied fingen' td h
überfetzen). Gilt diefe Bedingung, dann foll Niemand fich erdreiften es
zu fingen.