Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1884 Nr. 18

Spalte:

438-440

Autor/Hrsg.:

Wasserschleben, F. V. v.

Titel/Untertitel:

Die Religion des dreieinigen Gottes. Ein Glaubensbekenntniß 1884

Rezensent:

Hartung, Bruno

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

437 Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 18. 438

Im Allgemeinen hat man ja nur Grund zur Freude,
wenn Nichtfachleute fich an derartigen Unterfuchungen
betheiligen, und wir gedenken nicht, dem Verfaffer ,als
Sohn eines proteftantifchen GeifHichen und felbfl Proer
mit befonderer Liebe neben Liebner des nun auch
entfchlafenen Dorner, mit dem er am meiften zu fym-
pathifiren bekennt. Er fleht ihm noch höher als Rieh.
Rothe, fo hoch er diefen auch Hellt, weil er mit wahrer

teftant' das Recht eigener Forfchung in den Quellen j Wiffenfchaftlichkeit tiefe Pietät für das kirchlich Ueber-
(Vorwort) zu beeinträchtigen. Allein imBefonderen | lieferte verbindet. Seiner Dogmatik fpendet er hohes
ift bisweilen doch der Anlafs gegeben, die Bitte auszu- j Lob; fie enthalte namentlich in den Auseinanderfetzungen

fprechen: Ne sutor siipra crepidam!

Marburg. Achelis.

über die Gottesidee Entwicklungsmomente von der höch-
ften Bedeutung. Ueber die verfchiedenften bedeutfamen
Fragen, auch weit über die Grenzen des kirchlichen Lebens
hinaus in Politik, Kunfl und Literatur enthält feine Bio-
Martensen, Bifchof Dr. H. Aus meinem Leben, Mitthei- j graphie höcnft beachtenswerte, treffliche Ausfprachen:
lungen, 2. u. 3. Abth. in 1 Bde. 1837—1883. Mit dem j über Philofophie und Poefie, über das Verhältnifs von
(Holzfchn.-) Bildnifs des Verfaffers. Aus dem Däni- j Kirche und Staat, über den Liberalismus und Socialis

fchen von A. Michelfen. Karlsruhe, Reuther, 1884.
(VII, 176 u. III, 260 S. 8.) M. 4. 50.

Dem nun inzwifchen heimgegangenen, bis in fein

mus, über die confeffionellen Gegenfätze, über Secten-
wefen, innere Miffion u. dgl.

Sehr intereffant find auch die Mittheilungen über
Begegnungen, die er mit hervorragenden Männern auf

Alter geiftesfrifch gebliebenen Martenfen ift es noch ver- Reifen gehabt, wie z. B. eine Begegnung mit Döllinger,
gönnt gewefen, kurz vor feinem Ende feine Biographie, von dem er verfchiedene eigenthumliche Urtheile anführt,
deren erlter Band im vorigen Jahre in diefen Blättern an- j Dahin gehört Döllinger's Urtheil über diePerfönlichkeit des
gezeigt wurde, zu vollenden. Die Beforgnifs, die der | Papftes PiusIX., den er mit einer ,alten Nonne' vergleicht,
Verf. im Vorwort ausfpricht, dafs die Fortfetzung feiner , mit welcher er diefelbe Eitelkeit, diefelbe naive Unwiffen-
Lebenserinnerungen, die den Mann unter den Arbeiten 1 heit und Selbstzufriedenheit theile, ferner deffen Urtheil
und Kämpfen des Lebens mit feiner Profa darstellen, nicht | über die Altkatholiken, über die er fich lehr bedenklich
dasfelbe Intereffe finden werde, als die erste Abtheilung ausgefprochen, zweifelnd, ob fie einen Kern wahrhaft
derfelben mit der Entwicklungsgefchichte des, den hoch- religiöfen Lebens in fich trügen, und feine Anficht über
iten Idealen nachstrebenden jungen Mannes, rechtfertigt j den Culturkampf, deffen Ende nicht abzufehen fei. Auch
lieh nicht. Der Hauch edler Idealität, der alle Schriften ] was M. über feine literarifchen Arbeiten, namentlich feine
Martenfen'sdurchweht, die Anmuth, mit der er zu erzählen j Dogmatik und Ethik, ihre Entstehung und ihren Zweck
weifs, und vor Allem der durchaus harmonifche Eindruck | äufsert, läfst tiefe Blicke in feine Perfönlichkeit, wie in
feiner Perfönlichkeit, der fich in feinem Style fo wohl- 1 feine Theologie thun. Seine Mittheilungen befchliefst
thuend abfpiegelt, machen auch die Leetüre diefer zweiten I M. mit einer Ofterpredigt über ,den Anker der Hoffnung',
und dritten Abtheilung feiner Selbstbiographie zu einem I die mit grofser Freudigkeit den festen Grund der chrirt-
wirklichen Genufs. Mit Intereffe verfolgt man die amt- ; liehen Hoffnung bezeugt. Beigefügt hat der deutfehe
liehe Laufbahn des Verfaffers zuerst als Universitätslehrer, i Herausgeber, dem man für die treffliche Ueberfetzung
der durch feine Vorlefungen über die in Dänemark da- I diefer genufsreichen Schrift nur dankbar fein kann, einen
mals noch ziemlich unbekannte neuere Philofophie und j Bericht über Tod und Begräbnifs des edlen, unvergefs-
ihre Einwirkung auf die Theologie von Kant bis Hegel j liehen Theologen, in welchem die Elemente des Chrift-
die Jugend mächtig entzündete und eine grofse Bewegung i liehen und des Humanen, über deren Vereinigung M.
hervorrief, fodann als Hofprediger und zuletzt als Träger j gelegentlich auch in diefer Schrift fich trefflich ausfpricht,
des höchsten kirchlichen Ehrenamtes, als Bifchof und zu- 1 zu fchöner Einheit in vorbildlicher Weife zufammenge-

fchloffen find.

Dresden. M e i e t

gleich als königlicher Beichtvater. In diefen hervor
ragenden Stellungen imponirt M. durch die Festigkeit
und Entfchiedenheit feines Charakters, die er gegenüber

dem Hofe in einzelnen fchwierigen Situationen, gegen- Wasserschieben, F. V. v., Die Religion des dreieinigen

über dem weltlichen Regimente durch männliches Ein- g- Glaubensbekenntnifs. Berlin, C. Duncker,

ftehen für die Freiheit der Kirche, wie namentlich auch

gegenüber nationalen Vorurtheilen durch energifche Iöö4- (45 ^- gr. «KJ Afc -.00.

Geltendmachung feiner abweichenden, leidenfchaftslofen An eine Schrift, welche nach dem Vorwort das

und befonnenen Anfchauung bewiefen hat. Bei aller j ,Glaubensbekenntnifs' mittheilt, welches dem Verf. ,nach

dreifsigjährigem Ringen den Frieden der Seele wiedergegeben
hat', wird man immer mit Achtung herantreten,
auch wenn die ebenfalls im Vorwort, wie in der Einleitung
, als feftftehend behandelte Vorausfetzung, dafs

warmen Liebe für fein Vaterland hat er fich doch in
dem Kampfe Dänemark's mit Deutfchland einen freien
Blick bewahrt, wie fpeciell feine Haltung gegenüber dem
famofen Sprachenrefcript zeigt, das f. Z. in Schleswig fo

grofse Aufregung im kirchlichen Leben hervorgerufen. ! die chriftliche Lehre mit fich felbff, wie mit den Ttrgeb-
Die rückhaltlofe Offenheit, mit welcher M. feine wohl- j nifsen der Naturforfchung in Widerfpruch ftehe, ahnen
begründete Ueberzeugung über diefen Punkt in feiner läfst, dafs man fich zu den darin ausgefprochenen
Biographie ausgefprochen, hat ihm bekanntlich fchwere ! Anfchauungen ebenfalls in Widerfpruch werde fetzen
Anfechtungen verurfacht, die noch feine letzten Lebens- j müffen. Der Verf. geht von dem Begriff der Materie
tage verbittert haben. aus mit ihren drei Ureigenfchaften .Körperlichkeit, Be-

Mit der Fertigkeit feines Charakters aber verbindet 1 wegung und Geift', welche fich im Menfchen, als dem
fich eine feinen hohen und freien Geift kennzeichnende,
wahrhaft wohlthuende Milde und Weitherzigkeit im Urtheil
über einzelne hervorragende Perfönlichkeiten, fowie
über verfchiedene Geiftes- und Lebensrichtungen. Unter
den Perfönlichkeiten, über welche er fich am ausführ-
lichrten ausfpricht, ftehen obenan der ihm fehr fympathi-

höchften Gefchöpf, das fie im Kampf um's Dasein aus
fich hervorbringt, zum Willen, Empfinden und Denken
entwickeln. In Betrachtung feines kämpf- und leidenreichen
Schickfals nun gelangt der Menfch ,zu zwei Ideen,
welche zu gleicher Zeit hervorgetreten zu fein fcheinen,
,dem Selbftmord und der Religion'. Diefe Zufammen-
fche Mynfter, eine ihm offenbar geiftes verwandte ftellung verliert bei näherer Betrachtung an Seltfamkeit.
Perfönlichkeit, der ihm antipathifche Grundvig, über Beide haben nämlich dies gemeinfam, dafs fie den Menden
er fich doch fehr gerecht ausfpricht und der fehr
begabte, aber auch fehr leidenfehaftliche und finguläre
Kierkegaard. Von den deutfehen Theologen gedenkt

fchen dem mechanifchen Naturzufammenhang, welcher
der Grund feiner Qual ift, zu entnehmen fuchen, jene
auf äufserlich mechanifche Weife, bei welcher die innere