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Ausgabe: | 1884 Nr. 16 |
Spalte: | 393 |
Titel/Untertitel: | Der Frauen-Bund. Organ des Frauen-Bundes zum treuen Hirten. Red.: A. Merensky. 1. Jahrg. 1884. 12 Nrn 1884 |
Rezensent: | Schlosser, Georg |
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Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 16.
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von diefem Buche gelten, dafs man ihm anmerkt, dafs
es aus der Fülle eigener Erfahrung und Anfchauung
gefchöpft ift.
Giefsen. Gg. Schloffer.
Der Frauen-Bund. Organ des Frauen-Bundes zum treuen
Hirten. Red.: Stadtmiffions-Infp. A. Merensky.
1. Jahrg. 1884. 12 Nrn. Berlin, Schriften-Bureau der
Berliner Stadtmiffion. (ä i/j B- gr. 4-) M. 1. —
Die Berliner Stadtmiffion unter der energifchen Leitung
von Hofprediger Stöcker hat, durch die von ihr
gemachten Erfahrungen dahin geführt, begonnen, den
Kampf mit der Peft der gewerbsmäfsigen Unzucht aufzunehmen
. Sie will dadurch nicht mit den fchon be-
ftehenden Arbeiten der rettenden Liebe auf diefem Gebiete,
den Magdalenenvereinen und Afylen, in Concurrenz
treten. Vielmehr will he dem Lafter auf feinen Wegen
felbft nachgehen, die dadurch Gefährdeten bewahren, die
ihm fchon Verfallenen durch ein Syriern rettender Für-
forge herausreifsen. Sie will dazu vor allem die Frauenwelt
felbft zur Mitarbeit aufrufen. Befonders angeflellte
Schwertern follen direct an die Arbeit treten, Frauenvereine
follen he durch perfönliche Hülfeleiftung und
durch Befchaffung der Mittel darin unterftützen. Diefen
Zwecken will der .Frauenbund' als Organ dienen. Der
Natur der Sache nach hat das Blatt feine Beftimmung
zunächft für Berlin. Aber feine Bedeutung geht über
diefen engeren Kreis hinaus. Die Hauptftadt des deut-
fchen Reiches übt ihre Anziehungskraft bis in die ent-
fernteften Theile des Reiches. Töchter aus den verfchie-
denen Ländern fuchen dort ihr Forlkommen und fallen
in die Stricke der Proftitution. Die Erkundigungen von
auswärtigen Eltern und Paftoren haben zu diefer Arbeit
der Stadtmiffion den erften Anltofs gegeben. So haben
wir ein gemeinfames Intereffe an diefem Kampf, und
fchulden den tapferen Männern und Frauen, welche um
Gotteswillen lieh in diefen unfagbaren Schmutz hineinwagen
, allen Dank. Dazu kommt, dafs diefe Nothftände
lieh leider in kleinerem oder gröfserem Mafsflabe fäft in
allen Städten des deutfehen Reiches, vor allem in den
Garnifonftädten, wiederholen. Wer, wie Ref., erfahren hat,
zu welcher verderblichen Peft die Unzucht wird, fobald
fie unter dem jetzigen Controlfyftem zum regelmäfsigen
Gewerbe wird, wie vor allem, — und das erfcheint mir
als das Schlimmfte, — der Ernft des fittlichen Urtheils
in allen Bevölkerungskreifen, die damit in Berührung
kommen, abgeftumpft wird, der kann nicht ernft genug
die Unterftutzung diefes Werkes und feines Organs befürworten
. Die durchaus nüchterne und befonnene Art,
mit der bisher vorgegangen worden ift, und die fich auch
in diefer erften Nummer wiederfpiegelt, ift feine befte
Empfehlung.
Giefsen. Gg. Schloffer.
Schulze, Palt Otto, Stille Sonntagsstunden in Spruch und
Lied. Geiltliche Lieder mit kirenlichen Melodieen nach
Ordnung des chriftlichen Kirchenjahres. Berlin, Parrifius,
1883. (132 S. 8.) M. 2. -
Für jeden Sonntag des Kirchenjahres find zwei
Sprüche ausgewählt, meift den evangelifchen und epi-
ftolifchen Abfchnitten des Sonntags entnommen, zuweilen
aus dem Alten Teftament oder anderen bibhfehen
Schriften, deren Gedanken dann im Liede wieder klingen.
Die Lieder gehören zu den belferen der neueften reli-
aiöfen Literatur. Sie find Zeugnifse eines Glaubens, der
m der Schrift und in den Liedern der Väter leine Heimat
hat und aus ihnen feine Kraft fchöpft. Faft durchweg
find es wirkliche, fangbare Lieder, denen die Melodie
nicht als eine ganz fremdartige Etikette aufgeklebt ift.
Die poetifche Form ift mitgrofser Sicherheit und Leichtig-
j keit gehandhabt, die Verfe fliefsen glatt und ohne Kün-
ftelei. Ein fehr origineller Geilt herrfcht darin allerdings
nicht. Die Meilter unferes Kirchenliedes dürften den
Gedanken, wie den poetifchen Wendungen gegenüber
oft das Gefühl haben: Das ift Fleifch von meinem Fleifch,
und Bein von meinem Bein. Aber deswegen ift das an-
fpruchslofe Buchlein für den Zweck, Erbauung und Erquickung
für ftille Sonntags ftunden zu bieten, doch recht
wohl geeignet.
Giefsen. Gg. Schloffer.
Archiv für kirchliche Baukunst und Kirchenschmuck, hrsg. von
Archit. Thdr. Prüfer. 7. Jahrg. 1883. 12 Nrn. Berlin,
Prüfer. (IV, 96 S. m. eingedr. Holzfchn. u. 13 Taf.
gr. 4.) M. 6. —
Das fchon im VII. Jahrgang erfcheinende Blatt ift
Ref. bisher unbekannt gewefen. Dagegen find ihm die
foliden und ftreng Itilgemäfsen Leiltungen des von Herrn
Prüfer geleiteten Ateliers für Kirchenbau und Kircheneinrichtungen
fehr vortheilhaft bekannt. Ein Blatt, das
fich die Berathung der betheiligten Kreife für Bau und
Ausfchmückung von Kirchen, Friedhöfen u. f. w. zur
Aufgabe ftellte, wäre ficherlich höchft zeitgemäfs. Noch
ift viel zu thun, um Gefchmack und Stilgefühl zu entwickeln
, noch bringen unfere officiellen Baukünftler Dinge
zu wege, die einen haarfträubenden Mangel an kirch-
: lichem und hiftorifchem Verltändnifs bekunden. Was in
; Nr. 3 diefes Archivs von katholifchen Kirchen gefagt wird,
■ gilt leider vielleicht noch mehr von den evangelifchen:
.Anftatt, dafs die mafsgebenden Perfönlichkeiten Vortheil
I aus der augenblicklichen kunftgewerblichen Bewegung
und ihren Früchten zögen und Künftlern wie Handwerkern
eine paffende Gelegenheit gäben, fich an die unge-
löfte Aufgabe noch mancher kirchlichen Gegenftände zu
machen, — ich erinnere nur an die problematifche Natur
j der kirchlichen (?) Vafen und anderer Dinge — fchliefsen
fie fich vielmehr fall hieratifch ab und dulden vielfach
in ihren Gotteshäufern zum Aerger eines jeden kunftge-
bildeten oder auch nur feinfühlenden Chriften ein heid-
nifches Chaos von allen möglichen und unmöglichen,
fabrikmäfsig hergeftellten Dutzendwaaren, die nicht nur
oft in ihrer Form für den Gebrauch unzweckmäfsig find,
fondern — was noch viel fchlimmer — in der Verwendung
des Materials vielfach aus Surrogatftoffen beliehen, —
alfo mit einem Wort eine principielle Schein- und Trug-
kunft im Verherrlichungsdienfte des Höchften!' Im Chor
aufgeftellte Orgeln, Kanzeln über dem Altar, in der
Holzftruktur nachgeahmte Steintechnik, Abendmahlskelche
in der Form von Schützenbechern, Taufkannen
und Schüffein wie Kaffeekannen und Kuchenfchalen, das
find, um nur einzelnes herauszugreifen, Dinge, die man
auch in neuerer Zeit leider noch vielfach erleben mufs.
Aber eine Wendung zum Befferen hat fich angebahnt.
Reflaurationsarbeiten, wie die des Kölner Doms und der
Katharinenkirche find für die Förderung des kirchlichen
Kunfthandwerks, wie für die Anregung kirchlichen Schaffens
in ihrer Umgebung von grofser Bedeutung geworden.
Nun ficht man fich nach fachverltändigem Rath um.
Ein Blatt, das feine kirchliche und künftlerifche Richtung
durch das Bild des heiligen Bernwardus, des kunftver-
ftändigen Hildesheimer Bauherrn, und den Spruch: ,Herr,
ich habe lieb die Stätte deines Haufes' in der Titelvignette
zum Ausdruck bringen will, dürfte Vielen willkommen
fein. Allerdings ift aus den mir vorliegenden
zwölf Nummern nicht mit Sicherheit zu erfehen, ob es
den ausgefprochenen Erwartungen entfpricht. Nach dem
Inhalt diefer zwölf Nummern läfst fich wohl urtheilen,
dafs mit dem Motto: ,1m Alten das Neue' Ernft gemacht
wird, nicht in dem ungefunden Sinne eines ein-
feitigen Archaismus, als ob es damit gethan fei, das
Neue in alte Formen zu kleiden, fondern in dem ge-