Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1884 Nr. 16

Spalte:

380

Autor/Hrsg.:

Hoffmann, Georgius

Titel/Untertitel:

De oratione dominica. Dissertationem ad historiam religionum pertinentem una cum sententiis adjunctis ad licentiati in theologia honores rite obtinendos ... publice defendet 1884

Rezensent:

Schürer, Emil

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

379

Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 16.

380

11. Von den Königsgräbern fand fich keine Spur.
Wahrfcheinlich find fie die Opfer eines Steinbruches
im Hügel der Davidsburg geworden.

12. Die erhaltenen Mauerrefte zeigen fünf verfchiedene
Bauarten, die ganz oder theilweife verfchiedenen Zeitaltern
angehören mögen.

13. Schwarzer Cementbewurf fcheint ausfchliefslich
dem hohen Alterthum zu eignen.

14. Eine Thonfeherbe mit der Bezeichnung der
Legio Decima Fretensis, im Schutte des Akrahügels gefunden
, läfst vermuthen, dafs römifche Soldaten nach
der Kataftrophe vom Jahre 70 n. Chr. dafelbft fich anfiedelten
.

Gegen die Schlüffe, welche Guthe aus feinen Ausgrabungen
für die gefchichtliche Topographie Jerufalems
zieht, haben wir in der Hauptfache nichts einzuwenden.
Keine Urkunde meldet, wann zum erften Mal die Stadtmauer
quer über den Südwefthügel gezogen worden.
Nach den dürftigen Mittheilungen des Bordeauxpilgers
(333 n- Chr.) möchte man annehmen, dafs zu feiner Zeit
fchon diefer Mauerlauf beftanden habe. Es fcheint
mir der Sachverhalt folgender zu fein: Wohl bald nach
der Zerftörung der Stadt im Jahre 70 bildete fich im
Anfchlufs an die drei berühmten maffiven Thürme, welche
Titus zu fchonen befohlen, eine kleinere Feftung auf dem
Südwefthügel, die füdwärts foweit reichte als die Um-
faffungsmauer der einfügen Herodesburg. Als dann
unter Hadrian Jerufalem wieder zur förmlichen Stadt
erhoben wurde, wurden auch die Stadtmauern in ihrem
alten Umfang hergeftellt. Diefe Sachlage traf der Bordeauxpilger
333 n. Chr., darum konnte er melden, dafs
der eine Siloahteich innerhalb der Stadtmauer liege, und
dafs, wenn man von da auffteige nach ,Zion', man zu
den Trümmern des Kaiaphashaufes gelange, hernach innerhalb
der Mauer Zion zu den Trümmern des Davidifchcn
Palaftes. Eucherius (c. 440) bemerkt, durch den Mauerlauf
der Stadt werde auch der Berg Zion, der die übrige
Stadt überrage, umfafst. Theodofius (c. 530) u. Antoninus
Martyr (c. 570) bezeugen beide, dafs der Siloahteich
innerhalb der Stadtmauer liege, Willibald (723—726),
dafs die Zionskirche mitten in der Stadt fich befinde.
Darnach kann erft nach 726 die füdliche äufsere Mauer
des Südwefthügels demolirt worden fein, vielleicht in
Friedenszeiten, da der ganze aufserhalb der jetzigen
Südmauer der Stadt liegende Bezirk nur fpärlich oder
gar nicht bewohnt gewefen zu fein fcheint und eine fo
ausgedehnte Mauer die Vertheidigung nur erfchwerte.

Die Erzählung des Jofephus, dafs in jahrelanger
Arbeit derAkrahügel abgetragen worden fei, damit letzterer
den Tempel nicht mehr überrage, halte ich für eine
Fabel. Ein fpäteres Gefchlecht konnte fich die tiefe
Lage der einfügen Davidsftadt nur durch eine folche
Suppofition erklären mit nicht befferem Rechte, als wie
es die Reichthümer von Merodes I. theilweife auf eine
Plünderung der alten Königsgräber zurückführte.

Ohne den Bericht Guthe's ftudirt zu haben, redet
Conder in den quarterly statemenis abfehätzig von deffen
Ausgrabungen. Doch fo verdient dieser englische Ingenieur
fich um die Vermeffung des hl. Landes gemacht, in
Sachen der hiftorifchen Topographie Jerufalems bleibt
er ein arger Confufionarius, daher ift auf fein Urtheil
über Guthe's Werk nichts zu geben.

Möge es deutfehem Forfcherfleifs vergönnt fein, die
Arbeit des trefflichen Leipziger Gelehrten zu vervollftän-
digen. Er felber hat die Wege vorgezeichnet, auf denen
fein Werk weiter zu führen wäre. Die Freunde der
hiftorifchen Topographiejerufalems werden feine Leiftung
in dankbaren Ehren halten.

Zürich. K. Furrer.

Hoff mann, Georgius, De oratione dominica. Dissertationem
ad historiam religionum pertinentem una cum sen-
tentiis adjunetis ad licentiati in theologia honores rite

obtinendos......publice defendet. Vratislaviae,

(Koebner), 1884. (36 S. gr. 8.) M. 1.—

Diefe Auslegung des Vater-Unfers ift ein anerkennens-
| werthes speeimen eruditionis, das von guten Kenntnifsen
I und gefundem Urtheil zeugt. Mehr zu fein beanfprucht
fie wohl felbft nicht; und fo möge es genügen, die Auf-
faffung des Verf.'s in Kürze zu charakterifiren. Er erkennt
mit allen neueren Textkritikern an, dafs das
Vater-Unfer bei Lucas (11, 2—4) nach dem richtigen
Texte nur fünf Bitten umfafst, und er hält diefe
kürzere Faffung für die urfprüngliche, die des Matthäus
(6, 9-13) für eine Erweiterung. Mit der Anrede Gottes
I als des Vaters wird bereits das Bekenntnifs ausgefprochen,
! dafs der Betende fein ganzes Vertrauen auf Gott fetzt,
der in Chrifto unfer gnädiger Vater geworden ift (S. 4 f.).
j Die Abficht der erften Bitte geht nicht nur dahin,
dafs Gottes Name bei uns geheiligt werde (Luther),
fondern dahin, dafs Gottes Name eben als der des Gnädigen
und Barmherzigen immer mehr in der Welt erkannt
] und gepriefen werde (S. 6 f.). Ebenfo ift die zweite
j Bitte nicht nur darauf gerichtet, dafs das Reich Gottes
zu uns komme (Luther), fondern darauf, dafs diefes
Reich, das in feinen Anfängen fchon vorhanden, in
feiner Vollendung aber noch zukünftig ift, intenfiv und
extenfiv immer mehr wachfe und zunehme (S. 8 f.). Die
dritte Bitte bei Matthäus bringt fachlich nichts Neues,
fondern ift nur eine Explication der beiden erften. Sie
j ift alfo nicht ein Ausdruck der Ergebung in Gottes Vor-
: fehung, fondern eine Bitte darum, dafs Gottes Wille
| auch innerhalb der Menfchheit immer vollkommener verwirklicht
werde (S. 9—II). In der vierten Bitte (nach
der Zählung des Matthäus) follen wir um das zum
phyfifchen Leben Nothwcndige bitten, nicht um feiner
felbft willen, fondern weil es die Vorausfetzung ift für
,i die Erfüllung unferer Aufgabe in der Welt und für die
j Verwirklichung des Willen Gottes in derfclben(S. Ii —14).
I Wie fich alfo diefe Bitte auf die phyfifchen Bedingungen
zur Verwirklichung des Gottesreiches bezieht, fo beziehen
fich die fünfte bis fiebente Bitte auf die moralifchen
Bedingungen zur Verwirklichung desfelben: Vergebung
begangener Sünden und Bewahrung vor neuen (die
fiebente Bitte ift nur eine Ergänzung der fechften),
S. 14—21. — In dem ganzen Gebete findet der Verf.
die wefentlichen Grundgedanken des Evangeliums fo
präcife ausgefprochen, dafs dasfelbe als Symbol der
gefammten Chriftenheit gelten könne, wie es ja auch in
I der That von allen chriftlichen Denominationen ge-
i braucht werde, was fonft von keiner Bekenntnifsformel,
felbft dem apoftolifchen Symbolum nicht, gelte, da die
griechifchc Kirche ftatt des letzteren das Nicäno-Con-
ftantinopolitanum habe.

Giefsen. E. Schür er.

! Keil, Prof. Dr. Carl Friedr., Commentar über die Briefe
des Petrus und Judas. Leipzig, Dörffling & Franke,
1883. (337 S. gr. 8.) M. 7.-

Die Eigenart der Keü'fchen Commentare ift fo all-
1 gemein bekannt, dafs es hier genügt, das Erfcheinen
j eines neuen Theiles zu conftatiren. Jedermann weifs ja,
j was er von dem Verf. zu erwarten hat: und diefe Erwartung
wird auch bei dem vorliegenden Theile nicht
J getäufcht. In zweckmäfsiger Auswahl und mit nüchternem
Urtheil wird das exegetifche und kritifche Material in
derjenigen Zulüftung dargeboten, welche für einen ge-
wiffen dogmatifchen Standpunkt nothwendig ift. Freilich
gehören die hier behandelten Briefe zu den hinfichtlich
ihrer Echtheit am ftärkftcn angefochtenen. Aber dem
Verf. macht die Vertheidigung der Flchtheit doch auch