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Ausgabe:

1884 Nr. 15

Spalte:

369-371

Autor/Hrsg.:

Bapheidos, Archimandritos Philadelphos

Titel/Untertitel:

Iera istoria tes palaias kai kaines diathekes pros chresin ton pas emin scholeion 1884

Rezensent:

Gottschick, Johannes

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Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 15.

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folcher Vorftellungen hervorgerufen wird, in denen be-
ftimmte Erwartungen eingefchloffen und die unter einander
wohlgeordnet find, fo dafs fie mit Leichtigkeit durchlaufen
werden können und alles, was in der Seele ift,
in den Dienft des fittlichen Wollens geftellt werden
kann. Insbefondere dürfen die fchwachen Seiten der
Seele nicht vernachläffigt, fie müffen vielmehr foweit entwickelt
werden, dafs fie fich einem gewiffen Gleichmafse
mit den ftarken nähern, das Intereffe mufs alfo ein
gl eich fch webend vielfeitiges fein. Mit diefer Forderung
ftimmt im Wefentlichen das überein, was fonfl als
,harmonifche Ausbildung aller Kräfte' bezeichnet wird,
nur wird diefelbe hier nicht blofs als an fich werthvoll,
fondern zugleich als Mittel zur Erzeugung eines fittlichen
Willens betrachtet.

Diefer Forderung hat nun der Unterricht dadurch
zu genügen, dafs er diejenigen feiner Stoffe, die unmittelbar
der Erreichung feines fittlich-religiöfen Zweckes
dienen und zugleich wegen ihrer Allgemeingültigkeit ein
allgemeines und nachhaltiges Intereffe hervorzurufen im
Stande find, die religiöfen,in den Mittelpunkt Hellt und
alle übrigen zu ihnen in Beziehung fetzt. Es ift dies die
fogen. Concentration des Unterrichts, die heutzutage
in weiten Kreifen gefordert, hier aber nach allen Seiten
hin in's Licht geftellt wird. Ref. mufs es fich um der
ihm gebotenen Kürze willen vertagen, auf die hierher
gehörigen Ausfuhrungen des gedankenreichen Buches
einzugehen, hofft aber in Vorftehendem wenigftens dies
gezeigt zu haben, dafs der Inhalt desfelben ein gründlich
und forgfältig durchdachter ift. Da dasfelbe übrigens fich
nicht damit begnügt, eine Theorie aufzuftellen, fondern,
um mit den Worten des Verf.'s zu reden, ,bcftimmte
Imperative für die Praxis' darbietet, fo dürfte es nicht
allzufchwer fein, die darin niedergelegten Ideen zur Ausführung
zu bringen. Möchte es diefer Pädagogik durch
die Schulgefetzgebung einmal vergönnt werden, von
ihrer Leiftungsfähigkeit eine ehrliche Probe abzulegen!

Hainichen. Theodor Steglich.

1. Barpei'dog, IdQXtuävdQtiog 0tXddeXq>O$i 'legte laxogia

xrjg 7ia).alctg y.al xaivrjg diaüijxrjg zxgdg XQij(Jiv ctov nag
fjtilv oxßXeuav. Ey KxovmavuvotmoXei, 1883,

2. Baweidoq, '4gxiftäröoixng OiXadsXcpog, OQ&odöJfög

XQioziavixi) y.axix.zoig nghg y.grfiiv ** r0'c
yviivaolocg y.al xmg di'toxtgoig exnaideuxrigloig iiadrj-
Ttvovaijg noiroöö^ov reolaiag. *Et> Ktovatavxivovziolei,
1883.

Es ift von Intereffe, diefe für die oberen Klaffen
höherer Schulen berechneten Lehrbücher aus der grie-
chifchen Kirche kennen zu lernen. Beide zeigen, dafs
man fich dort um einen gründlichen Religionsunterricht
bemüht, und fie verrathen zugleich den Einflufs^ der
neueren proteftantifchen Theologie. Die isqn hnogia ift
aus dem Unterricht des Verf.'s an der theologifchen
Schule zu Chalke hervorgegangen. Von Vorgängern, die
er berückfichtigt hat, nennt er Kurtz. Und in der That
ift der leitende Gedanke, unter den die biblifche Ge-
fchichte geftellt wird, der eines pragmatifchen Zufammen-
hangs der durch Gott zweckvoll geleiteten Heils- oder
Reichs^efchichte. Der theokratifche Gcfichtspunkt hat
vor dem erbaulichen, dafs diefe Gefchichte Beifpiele der
Vorfehung Gottes und ethifche Vorbilder gewährt, den
Vorran". Eine religionsgefchichtliche Betrachtung aber
fehlt. Im Uebrigen ift das Buch methodifch, klar und in
feiner Weife gründlich. Bei jedem Abfchnitt wird eine
Einführung in die Quellen gegeben. Diefelben werden
natürlich nach der Tradition beftimmt oder, wo diefe
im Stich läfst, werden die Hypothefen der confervativen
Schule aeeeptirt. Z. B. werden Obadja und Joel als die
älteften Propheten, Hiob als Denkmal der falomonifchen
Zeit bezeichnet. Der geographifche Hintergrund wird

i forgfältig erörtert. Jeder Periode wird eine allgemeine
Charakteriftik der ihr im Organismus der Heilsgefchichte

1 zukommenden Bedeutung vorausgefchickt. Für jede
Periode wird in befonderen Capiteln der Zuftand der
Religion, des Cultus, der Sitte dargelegt. Der Standpunkt
ift auch hierin der unterer Orthodoxie. So follen
die Patriarchen den Auferftehungsglauben gehabt haben.
Die Handauflegung beim Opfer foll Auflegung der Sünden
bedeuten. David und Salomo find Typen Chrifti.
Uebrigens ift die Typologie gemäfsigter als bei Kurtz.

, Recht überfichtlich ift die Gefchichte Jefu angelegt, indem
für die Hauptmaffe des Stoffs auf chronologifche Har-
moniftik verzichtet wird und dafür fachliche Rubriken
eintreten (Lehre Jefu über das Gefetz, feine Perfon,
fein Werk, das Reich Gottes; die Wunderthaten Jefu
nach Claffen geordnet; die Ausdehnung feiner Wirkfam-

' keit, fein Erfolg).

Die y.axi]yrtaig ift in Form von Frage und Antwort
abgefafst, aber die PTagen find nur Ueberfchriften und
die Antworten eingehende Expofitionen. Auch dies Werkchen
zeigt deutlich den Einflufs der neueren proteftantifchen
Orthodoxie, befonders in den allgemeineren Lehren.
Die Einleitung handelt in der apologetifchen Weife

1 unferer Prolegomcnen von der Religion überhaupt, der
Offenbarung, dem Unterfchied von Judenthum und Chri-

j ftenthum, dem Beweis für die Wahrheit des Chriftenthums.
Die Religion wurzelt in einem naturnothwendigen Gefühl,
welches, die angeborene Gottesidee begleitend, die Ge-
meinfehaft zwifchen Gott und Menfch ausdrückt. Die

: Offenbarung ift wefentlich Belehrung. Die Vollkommen-

: heit des Chriftenthums wird bewiefen durch die allgemeine
Erhabenheit feiner Dogmen und insbefondere
durch feine ethifche Vortrefflichkeit, durch Wunder und
Weiffagungen, durch feine rafche Verbreitung über die

j Welt. — Der Unterricht felbft wird abweichend von dem
Schema der confessio orthodoxa (Glaube, Hoffnung, Liebe)

, in einen dogmatifchen und einen ethifchen Theil einge-

j thcilt. Dem erfteren wird das fog. Nicaenoconstantino-

' politanitm zu Grunde gelegt. Aber es wird in ziemlich
lofem Anfchlufs an dasfelbe 1. von Gott im Allgemeinen
und der Trinität, 2. von Schöpfung und Vorfehung, 3.
von der Erlöfung, 4. der Kirche, 5. den Myfterien, 6. dem
zukünftigen Leben gehandelt. In Abfchnitt 1—3 ift die Einwirkung
moderner Mufter am deutlichften, während im
4. u. 5. der fpeeififeh griechifche Standpunkt fich kräftig
geltend macht. Ganz wie bei uns werden für das Dafein
Gottes und die Schöpfung die herkömmlichen Vernunft-
beweife vorgetragen. Das griechifche Element tritt zu
Tage, wenn auf die Claffen der Engel und auf die Lehre
vom Schutzengel Gewicht gelegt wird. Die Lehre vom
Werke Chrifti wird in dem lutherifchen Schema der 3
Acmter dargelegt. Die proteftantifchen Lehrfätze, auf
die ebenfo wie auf die römifchen eingegangen wird,
richtig zu würdigen, gelingt dem Verf. nicht. Von dem
hierarchifchen Kirchenbegriff aus, bei dem übrigens die
Aneignung der abendländifchen Schätzung der Kirche als
des Reiches Gottes auffällt, erfcheint ihm als prote-
ftantifcher Begriff von der Kirche, dafs fie eine religiöfe
Gemeinfchaft fei, die keine innere Einheit habe, fondern
auf der Willkür der .Atome' beruhe. Von dem ftark
betonten Synergismus aus ftellt es fich ihm fo dar, als
ob die Proteftanten die guten Werke als überflüffig betrachteten
. Uebrigens wird das Moment des Vertrauens
im Glaubensbegriff kräftig hervorgehoben.

Der ethifche Theil handelt vom angeborenen und
pofitiven Sittengefctz, vom Verhältnifs der Bergpredigt
zum mofaifchen Gefetz und befchreibt dann das ethifche
Leben zuerft als perfönliches, dann als gemeinfehaftliches.
Der I. Abfchnitt zerfällt in die Lehre von den Pflichten
gegen Gott, uns felbft, den Nächften, und ftellt der pofitiven
Forderung regelmäfsig die entgegengefetzten Ver-
irrungen an die Seite. Pflichten gegen Gott find Glaube,

| Liebe, Gebet, Gottesdienft, Gottesfurcht. Unter dem