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Ausgabe:

1884

Spalte:

329-334

Autor/Hrsg.:

Mangold, Wilh.

Titel/Untertitel:

Der Römerbrief und seine geschichtlichen Voraussetzungen. Neu untersucht 1884

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack und D. E. Schürer, Proff. zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 14.

12. Juli 1884.

9. Jahrgang.

Mangold, Der Römerbrief und feine gefchicht-
Hchen Vorausfetzungen (Schiirer).

Otto, Bibelftudien für die gebildete Gemeinde.
Erklärung des Römerbriefs (Weiffenbach).

Hilgenfeld, Evangeliorum sec. Hebraeos, se-
cundum Petrum . . . quae supersunt addita

doctrina XII apostolorum etc. Editio se-
cunda (Harnack).
Ryffel, Ein Brief Georgs, Bifchofs der Araber
(Möller).

Rabaud, Histoire de la doctrine de l'inspiration

des saintes ecritures dans les pays de langue

francaise (Kraufs).
Hirzel, Unterfuchungen zu Cicero's philof.

Schriften. 1—3. Bd. (Siebeck).
Entgegnung.

Mangold. Confift.-R. Prof. Dr. Willi., Der Römerbrief und
seine geschichtlichen Voraussetzungen. Neu unterfucht.
Marburg, Elwert's Verl., 1884. (XIII, 368 S. gr. 8.)
M. 7.20.

In feiner Schrift ,Der Römerbrief und die Anfänge
der römifchen Gemeinde' (Marburg 1866)
hatte Mangold die Baur'fche Anfchauung, dafs der
Römerbrief judenchriftliche Lefer vorausfetze, dafs alfo
die ältefte römifche Gemeinde eine vorwiegend judenchriftliche
gewefen fei, in fo umfichtiger und befonnener
Weife (mit wefentlichen Modificationen, die fämmtlich als
Verbefferungen anzufehen waren) vertreten, dafs es ein De-
cennium hindurch fchien, als wolle diefe Auffaffung fich
allgemeine Geltung verfchaffen. Eine entfchiedene Wendung
trat aber ein mit der Abhandlung Weizfäcker's
(Jahrbücher für deutfche Theol. 1876), in welcher die
ältere Auffaffung, dafs die römifche Gemeinde eine vorwiegend
heidenchriftliche gewefen fei, in durchaus neuer
und origineller Weife, mit Anerkennung der Wahrheitsmomente
der Baur-Mangold'fchen Auffaffung, wieder
vertheidigt wurde. Die Zuftimmung, welche diefe Abhandlung
Weizfäcker's vielfach gefunden hat, fcheint
Mangold namentlich veranlafst zu haben, noch einmal
das Wort zu ergreifen, und feine frühere Pofition zu
vertheidigen. Das neue Werk, in welchem dies gefchieht,
ift aber doch nicht blofs eine Neubearbeitung des alten.
Abgefehen davon, dafs die Ausführungen des neuen
Werkes wefentlich der Auseinanderfetzung mit Weiz-
fäcker gewidmet find und fchon dadurch die Neuheit
ihres Inhalts bedingt ift, ift hier namentlich ein fehr
grofser Abfchnitt über die Integrität des Römerbriefes
(Cap. 15—16) hinzugekommen, überhaupt aber die ganze
Krage unter Berückfichtigung der feit 1866 hinzugekommenen
reichhaltigen Literatur ganz von neuem
durchgearbeitet und in erfchöpfendfter Weife behandelt.

Das Buch zerfällt in drei Hauptabfchnitte: I: Die
Integrität des Römerbriefes (S. I —164), II: Die erften
Lefer des Römerbriefes (S. 165—292), III: Zweck und
Gedankengang des Römerbriefes (S. 293—366). — Die
Ausführlichkeit des erften Abfchnittes ift namentlich bedingt
durch die noch viel ausführlichere Behandlung,
welche Lucht diefem Gegenftande'hat angedeihen laffen
(Ueber die beiden letzten Capitel des Römerbriefes,
Berlin 1871). In fortwährender Auseinanderfetzung mit
ihm fucht Mangold feine Auffaffung zu begründen, welche
üch in die drei Sätze zufammenfaffen läfst: 1) die Doxo-
logie Cap. 16, 25—27 ift unpaulinifch, 2) der Abfchnitt
Cap. 16, 3 -20 ift zwar paulinifch, gehört aber nicht zum
Römerbrief fondern ift ein Fragment eines nach Ephefus
gerichteten Briefes Pauli, 3) alle übrigen Abfchnitte der
beiden letzten Capitel, alfo Cap. 15 ganz und Cap. 16,

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1—2 u. 21—24 find echte Beftandtheile des Römerbriefes.
Referent kann in allen diefen drei Punkten, wenigftens
fofern es fich um das Refultat handelt, entfchieden
zuftimmen (nur bei dem äufserlich fchwach bezeugten
Schlufsvers 16, 24 kann man ein Fragezeichen machen).
Es fei daher geftattet, hier auf eine Discuffion'des Details
zu verzichten, um für Anderes Raum zu gewinnen. Auch
der dritte Hauptabfchnitt über Zweck und Gedankengang
des Römerbriefes wird verhältnifsmäfsig weitgehende
Zuftimmung finden. Denn dafs der ganze theoretifche
Theil des Römerbriefes darauf, und lediglich darauf
berechnet ift, die judenchriftlichen Bedenken und Einwürfe
gegen das paulinifche Evangelium zu widerlegen,
dafs er alfo nicht einen allfeitigen Abrifs der paulini-
fchen Dogmatik, fondern lediglich eine Begründung und
Rechtfertigung derjenigen Seiten des paulinifchen Evangeliums
giebt, welche den Judenchriiien anllölsig waren,
dies ift eine Einficht, welche feit der von Baur und Mangold
gegebenen Begründung wohl nicht wieder verloren
gehen kann, wenn fie auch von Einzelnen noch nicht in
ihrer vollen Schärfe anerkannt wird. Gerade die frühere
Schrift Mangold's darf fich das bleibende Verdienft zu-
fchreiben, in diefer Hinficht einen fehr weitgehenden
Confenfus der meiften neueren Forfcher herbeigeführt zu
haben. Mangold geht daher auch von diefer Annahme
als von einer nahezu allgemein anerkannten aus, indem
er in feinem zweiten Hauptabfchnitt die Frage nach den
erften Lefern des Römerbriefes unterfucht.

Diefer zweite Abfchnitt bildet nicht nur äufserlich
die Mitte, fondern auch inhaltlich den Kern des Buches;
und hier liegen nun hauptfächlich die controverfen
Fragen. Mangold hat mit gröfster Umficht und Gründlichkeit
, wie fchon der Umfang zeigt (S. 165—292),
aufs neue die ganze Frage discutirt. Auch wenn feine
Auffaffung nicht die richtige fein follte, ift es daher auf
alle Fälle ein Gewinn, dafs er nach den beftechenden
Ausführungen Weizfäcker's es noch einmal unternommen
hat, feine Pofition zu vertheidigen. Man kann nun um
fo unbefangener prüfen, was für die eine, und was für
die andere Auffaffung fich fagen läfst. Ich darf nun
meinerfeits behaupten, dafs ich sine ira et studio an die
Leetüre diefes Abfchnittes gegangen bin, in der ehrlichen
Abficht, mich belehren zu laffen. Aber ich mufs
auch geliehen, dafs gerade die Leetüre diefer meifter-
haften Selbftvertheidigung Mangold's mich in der Ueber-
zeugung von der Richtigkeit der Weizfäcker'fchen Auffaffung
beftärkt hat. So fehr man auch bei vielen
Punkten geneigt fein kann beizuftimmen, fo kann es
doch dem aufmerkfamen Lefer nicht entgehen dafs
Mangold bei einzelnen entfeheidenden Punkten zu Auslegungen
gezwungen ift, die nicht mehr als die nächft-
liegenden und natürlichen bezeichnet werden können._