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Ausgabe:

1884 Nr. 13

Spalte:

319-320

Autor/Hrsg.:

Krüger, Wilh.

Titel/Untertitel:

Glaube und Dogma. Ein theologischer Beitrag zum Bender‘schen Streit 1884

Rezensent:

Haupt, Erich

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Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 13.

320

gangenheit und Gegenwart verfteht er fehr anmuthig in
und mit einander zu verweben, das, was einft der Apoftel
Paulus erlebte, zu fchildern und felbft Erlebtes finnig
damit zu verknüpfen. Philippi, Theffalonich, Athen,
Smyrna feffeln nach einander unfere Blicke, zuletzt begleiten
wir noch den Apoftel auf feiner ftürmifchen Seefahrt
von Cäfarea nach Rom. Vielfach hat den Ref. die
Leetüre an das reizende, zu Ende der fünfziger Jahre
erfchienene Büchlein von Nicolaus Beets (aus dem
Holländifchen überfetzt von C. Grofs): ,Paulus in den
wichtigften Augenblicken feines Lebens und Wirkens'
wohlthuend erinnert.

Die beigegebenen Anmerkungen (S. 317—351) ge-
ftatten erwünfehte Einficht in die fleifsige und gewiffen-
hafte Vorarbeit des Verfaffers. Befonders werthvoll find
die Noten zur letzten Seereife des Apoftels von Cäfarea
nach Rom (S. 341—351). Hier wird auf James Smith,
the voyage and shipwreck of St. Paul. IV, ed. London 1880
hingewiefen. ,Das berühmte und claffifche Werk des
Engländers', heifst es S. 341, ,das fchon die 4. Auflage
erlebt, ift auf dem Continent noch nicht in dem Grade
verwerthet, als es verdient.' Es mag dies im Allgemeinen
richtig fein, indeffen fei es geltattet zu bemerken, 1
dafs fchon 1860 Lechler in feiner für das Lange'fche
Bibel werk verfafsten Bearbeitung der Apoftelgefchichte
das Buch von Smith, das zuerft 1848 erfchienen ift, nicht
nur citirt, fondern zur Erklärung des ganz eigenthüm-
liche Schwierigkeiten darbietenden 27. Capitels umfich-
tig benutzt hat (S. 347- 348- 349- 35°- 35T- 356).

Crefeld. F. R. Fay.

Krüger, Paft. Wilh., Glaube und Dogma. Ein theologifcher
Beitrag zum Bender'fchen Streit. Langenberg, Joofl,
1884. (32 S. gr. 8.) M. —. 50.

Wenn die Brofchüre nur den Zweck hätte, den Ge- [
finnungsgenoffendesVerf.'sdiegemeinfamen Anfchauungen I
darzustellen, an denen fie im Gegenfatz zu Bender feft-
halten follen, fo wäre diefer Zweck gewifs erreicht. Wenn
fie aber beanfprucht, ein ,theol. Beitrag zum Bender'fchen
Streit' zu fein, fo ift zu fürchten, dafs diefer Zweck nur
in bedenklichem Sinne erreicht ift. Um in einen Streit
förderfam einzugreifen, ift es nöthig, den Gegenftand des
Streites fcharf zu präcifiren und nicht gegen Sätze zu
ftreiten, welche der Gegner gar nicht als die feinen anerkennt
. Wenn aber älterer und neuer Rationalismus,
Philofophie von Frohfehammer und von J. B. Meyer,
Proteftanten-Verein und Voffifche Zeitung durch einander
geworfen werden, als ob Bender für das alles haftbar
wäre; wenn die Verehrungswürdigkeit Chrifti, welche
moderne Theologen behaupten, nur auf einen Reft von
Pietät gegen die Macht der christlichen Tradition zurückgeführt
wird, als ob von vorn ab ausgefchloffen wäre,
dafs es auf perfönlicher Glaubenserfahrung beruhte: fo
ift das zwar ein Beitrag zum Streit, aber nur in dem
Sinne, dafs eben gestritten wird, nicht aber dafs der
Gegner überwunden wird. Wenn derUnterfchied zwifchen
fundamentalen und nicht fundamentalen Dogmen betont
wird, dann aber einfach behauptet, es fei ,fonnenklar',
dafs es fich hier um erftere handle, fo ift damit doch
nur der Gegenfatz zwifchen Krüger und Bender cenftatirt,
aber in keiner Weife ein ,theol. Beitrag' gegeben. Dazu
kommt, dafs der Verf. über die reformatorifche Lehre,
die er doch vertreten will, gar nicht klar ift. Das zeigt
der eine Satz S. 15 zur Genüge, das angeborene Verderben
werde nicht durch eine lediglich vergebende
Gottesgnade getilgt. Denn diefer Satz ift nur aus einem
Begriff der Wiedergeburt zu erklären, welcher dem refor-
matorifchen entgegengefetzt ift und dadurch nicht richtiger
wird, dafs ihn viele mit dem Verf. theilen. Was
aber die fpecielle Frage nach dem Verhältnifs von
Glaube und Dogma betrifft, fo ift fie durchaus nicht
allfeitig genug erwogen. Dafs zwifchen beidem ein enges

Verhältnifs befteht, dafs ein falfches Dogma aucii für den
Heilsglauben gefährlich werden kann, ift richtig; ebenfo
dafs der Glaube nicht als pfychologifche Qualität rechtfertigt
, fondern wegen feines Objects. Aber überfehen
ift, dafs auch nicht das Mafs von Klarheit und Richtigkeit
meiner Auffaffung des Objects das Entfcheidende ift,
fondern nur dafs ich, verzichtend auf alles eigne Thun,
Haben und Können, rückhaltslos der in Chrifto gegebenen
Gottesgnade mich in die Arme werfe. Es läfst fich
fchlechterdings kein Mafs von Orthodoxie feftftellen, das
für die rechtfertigende Gnade Gottes nöthig ift, und kein
Mafs von Heterodoxie, das zu dem Urtheil berechtigt, der
Betreffende fei vom Heil ausgefchloffen. Ich darf fagen:
das richtig verftandene Chriftenthum fchliefst diefes oder
jenes Dogma ein; aber ich darf niemals fagen: wer dies
oder jenes Dogma nicht anerkennt, fteht darum unfehlbar
aufser der Gemeinfchaft mit Chrifto. Denn in dem
wirklichen Leben ift nicht alles fo einfach und confequent
wie im Syftem. Darauf hat der Verf. nicht genügend
Rückficht genommen und darum ift leine Loiting des
Problems unzureichend. Je weniger ich in der Lage bin,
den Bender'fchen Vortrag zu vertheidigen, um fo mehr
halte ich es für Pflicht gegen eine unrichtige Behandlung
der betr. Fragen zu proteftiren.

Greifswald. Erich Haupt.

Pädagogisches Jahrbuch. Rundfchau auf dem Gebiete des
Volksfchulwefens. Unter Mitwirkung von Lehr. Free,
Reallehr. Grau, Sem.-Mufiklehr. Linnarz etc., herausgegeben
von Johannes Meyer. Jahrgang 188283.
Berlin, Th. Hofmann, 1884. (XVIII, 610 S. gr. 8.)
M. 4.50.

Der Schulfragen giebt es gegenwärtig fo viele und
theilweife fo wichtige, dafs Niemand, dem das Wohl des
Volkes und befonders der Jugend am Herzen liegt, die-
felben unbeachtet laffen kann; am wenigften darf dies
von den Geiftlichen gefagt werden, wenn fie ihre Stellung
auch bei den veränderten Zeitverhältnifsen behaupten
wollen. Es ift denfelben nicht feiten von Seiten der
Lehrer und deren Freunden der Vorwurf gemacht
worden, fie wollten die Schulaufficht beibehalten und
kümmerten fich doch wenig um die Fortfehritte des
Schulwefens und die neuere pädag. Literatur u. f. w.
Selten würden in ihren Lefecirkeln päd. Zeitfchriften gehalten
und bei ihren Conferenzen päd. Fragen befprochen.
Diefen Vorwurf müffen die Diener der Kirche thatfäch-
lich widerlegen, wenn fie ihren Einfiufs auf die Schule
nicht ganz verlieren wollen. Es ift gerade für fie befonders
wünfehenswerth, ja nothwendig, dafs fie ein Mittel
haben, fich über den gegenwärtigen Stand des Volks-

I fchulwefens, über die Bestrebungen der Lehrer, wie fich

I folche befonders bei deren Verfammlungen und deren
Vereinen kundgeben, über die neueren Schulgefetzge-
bungen u. f. w. fich zu belehren, ohne der päd. Preffe
zum Nachtheil ihres nächften Berufs allzuviel Zeit widmen
zu müffen. Nun haben wir allerdings fchon zwei

1 jährlich erfcheinende Schriften, welche zu diefem Behufe
benutzt werden können, nämlich den ,Päd. Jahresbericht
von Dittes' und die ,Schulchronik von Seyffarth'; wir
glauben aber, dafs neben beiden noch ein drittes Unter-

| nehmen der Art recht gut beftehen kann, und Concurrenz
kann hier gewifs nicht fchaden. Am nächften fteht das
Jahrbuch in Anordnung und Geift der Schulchronik; die-
felbe ift von gleichem liberalen päd. Standpunkte abge-
fafst, ift aber in vielen Berichten, namentlich über die
Lehrerverfammlungen und Lehrervereine ausführlicher
und vollftändiger. Dagegen laffen die Berichte über die
einzelnen deutfehen Staaten an Vollftändigkeit manches
vermifsen; fo ift das Grofsh. Heffen, wo das Schulwe-
fen gewifs nicht hinter andern Staaten zurückfteht, allzukurz
weggekommen; auch hatdasfelbe nicht 2, fondern