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Ausgabe:

1884 Nr. 13

Spalte:

318-319

Autor/Hrsg.:

Dalton, Herm.

Titel/Untertitel:

Reisebilder aus Griechenland und Kleinasien. Randzeichnungen zu einigen Stellen des Neuen Testamentes 1884

Rezensent:

Fay, Friedrich Rudolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 13.

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Fiction einer Uebertragung (welche freilich in diefem Falle i fortbeftehen lallen, fondern beide zu einer einzigen ver-
faft allzu kühn zu nennen wäre im Hintergrunde fleht, j fchmolzen, fo dafs in diefer beide die rechtliche Fort-
Man folgte der bayerifchen Staatstradition. In der Pfalz 1 fetzung ihres früheren Beflandes haben. Sehr fraglich
hatte die regierende katholifche Linie (anders als in | iß, ob der S. 199 verbuchte Nachweis, dafs Geiftliche
Sachfen, wo der katholifch gewordene Kurfürft fein ,mittelbare Staatsbeamte' im Sinn des Reichsftrafgefetz-
Summepifkopat der Sache nach aufgeben mufstej das buchs feien, als gelungen zu betrachten iß. Der Kern
früher von den reformirten Kurfürften geübte Kirchen- der Beweisführung liegt darin: das Wefentliche der Amtsregiment
weiter geführt — es hatte dort ein Jahrhundert j Übernahme beftehe in der Unterwerfung unter die amt-
hindurch als Mittel gedient, die reformirten Gemeinden liehe Disciplin; die Disciplinargewalt der Kirche aber fei
unverantwortlich zu bedrängen. Dafs die von dem König diefer, weil eine Rechtsgewalt, vom Staate delegirt, folg-
von Bayern über die proteftantifche Kirche ausgeübten lieh u. f. w. Aber die Unhaltbarkeit des Vorderfatzes
Rechte wirklich kirchliche Regierungsrechte, nicht etwa leuchtet ein. Sehr fraglich, wenigftens von evangelifchen
nur folche der Staatsaufficht lind, erweift der Verf. ein- Vorausfetzungen, ift die Beftimmung des Begriffes der
leuchtend (S. 174). Der innere Widerfpruch, der in dem kirchlichen Verwaltung S. 200: fie fei ,die Realifirung
Zuftande liegt, ift nicht hinwegzufchaffen. der durch die kirchlichen Disciplinar- und Glaubensge-

Der zweite Haupttheil des Buches ftellt die landes- i fetze gegebenen Normen', insbefondere der Lehr- und
herrlichen Befugnifse in Kirchenfachen nach dem gel- Sacramentsverwaltung S. 205 als ,Verfügung auf Grund
tenden Rechte dar und zwar, nach einer Einleitung über der Glaubensgefetze'. Das heifst doch über Gebühr von
Rechtsquellen u. f. w., in folgender Gliederung: Auf- ; geiftlichen Dingen ungeiftlich geredet. Aus dem Satze
nähme in die Kirchengefellfchaften, Verfaffung der | des R. E, dafs Niemand zu religiöfen Handlungen ge-
Kirchengefellfchaften nach Staatsrecht (1. Kirchenange- i zwungen werden könne, leitet der Verf. S. 214. 225) die
hörigkeit, 2. Kirchengewalt), kirchliche Verwaltung (1. die 1 Folgerung ab: es beftehe keine Rechtspflicht für die
eigentliche Kirchenverwaltung, 2. das religiöfe Moment Eltern, ihre Kinder am Religionsunterricht Theil nehmen
in der Staatsverfaffung), kirchliches Finanzrecht. Die zu laffen, wenn auch diefe felbft, weil noch erziehungs-
Anordnung ift rein vom ftaatlichen, bezw. juriftifchen bedürftig, dazu angehalten werden könnten (m. a. W. es
Gefichtspunkte gemacht. Da es dem Verf. allein darauf könnten bei muthwilliger Verfäumnifs zwar die Kinder
ankommt, die ftaatsfeitig gegebenen kirchlichen Vor- gezüchtigt, gegen die Eltern aber keine Verfäumnifs-
fchi iften, und diefe ohne Unterfcheidung des ftaatlichen ftrafen verhängt werden). Ref. mufs fehr zweifeln, ob
Kirchenhoheitsrechts und des inneren Kirchenregimentes, 1 diefe Folgerung dem Sinn des Gefetzes und der bayeri-
darzuftellen, fo ift gegen die gewählte Stoffordnung nichts fchen Verwaltungspraxis entfpreche. Auch kann man
zu fagen. An fich freilich ift von jedem fpeciellen Rechts- richtiger Weife nicht von einem mit dem elterlichen Er-
fyftem zu fordern, dafs es fich aus der inneren Natur ziehungsrecht coneurrirenden Erziehungsrecht der Schule
des Lebensgebietes, um deffen rechtliche Ordnung es j (S. 211), wohl aber von einem folchen des Staates reden,
fich handelt, heraus entwickele und geftalte, alfo das | Doch wir müffen darauf verzichten, diefe und andere
Kirchenrecht aus dem Wefen der Kirche. Dabei wird j Anftände noch weiter zu verfolgen. Sie werden den
fich dann bald herausftellen, dafs ein gemeinfames ka- Beweis geben, dafs Ref. das Buch aufmerkfam und mit
tholifch-proteftantifches Kirchenrecht nicht möglich ift Intereffe gelefen hat, follen aber dem Gefammturtheil in
(der Verf. nimmt nicht blofs die beiden Confeffionen keiner Weife präjudiciren, welches dahin gehen mufs,
durchgängig zufammen, fondern zieht gelegentlich auch , dafs wir eine tüchtige und beachtensvverthe Leiftung vor
die jüdifche Kirche' herein), fondern dafs das kirchliche uns haben. Der bearbeitete Stoff ift offenbar kein leicht
Recht beider Confeffionen, wenn auch in demfelben zu behandelnder. Mangewinnt den Eindruck, dafs das
Buch neben einander behandelt, fich, weil von ganz ver- bayerifche Staatskirchenrecht an einem ungewöhnlich
fchiedenen inneren Motiven beftimmt, in allen feinen hohen Mafs von Verworrenheit leide. Schon die gerügte
Theilen verfchieden geftalten mufs. Abgefehen von die- Vermifchung von Staatshoheitsrecht und KirchengewWlt
fem Bedenken ift anzuerkennen, dafs der Verf. feinen liegt in dem Stoffe felbft, Concordat und Religionsedict
Gegenftand mit ausgebreiteter Sachkenntnifs, mit ach- j widerfprechen fich, letzteres felbft leidet an Unklarheiten
tungswerther Sorgfalt und Objectivität und juriftifchem und Widerfprüchen, es ift in feiner abftracten Faffung
Scharffinn behandelt. Eine Reihe von Einzelpunkten, für die concreten, gefchichtlich gegebenen Verhältnifse
wobei Ref. Anftände zu erheben hätte, kann hier nicht oft wenig bemeffen. Der Verf. hat feine Aufgabe mit
eingehend erörtert werden, um den Umfang diefer An- Fleifs und Gefchick gelöft. Die Darftellungsweife läfst
zeige nicht über Gebühr auszudehnen. Nicht genügend hin und wieder noch den Anfänger erkennen; überall
erfcheint, was S. 135 über den Begriff der .öffentlichen aber offenbart fich eine tüchtige wiffenfehaftliche Kraft,
Corporation' gefagt ift; die Urfache mag zum Theil in 1 fo dafs man wünfehen mufs, dem Verf. auf dem kirchenden
zu Grunde liegenden Gefetzesftellen (Ts.. E. § 28 u.32) ; rechtlichen Felde noch öfter zu begegnen,
liegen, welche an grofser Unklarheit leiden. Die Ver- Darmftadt. K Köhler

hältnifsbeftimmung zwifchen Confirmation und laute -__

S. 105 ift unzutreffend: die Taufe ift nicht ein kraft Dalton, Herrn., Reisebilder aus Griechenland und Kleinasien
kirchengefetzlicher Forderung /" der Confirmation hm- Randzeichnungen zu einigen Stellen des Neuen Tefta-
zutretendes weiteres Moment, fondern die begr.ffsmafsg * * f"'

notwendige Vorausfetzung jener. Mehr als gewagt ift mentes Bremen, Muller, 1884. (XV, 351 S. 8.) M.4.50.
die juriftifche Conftruction der pfälzifchen Union S. 165 Unter der befcheidenen Bezeichnung von .Randzeich-
(durch die Union hätten fich die lutherifche und refor- , nungen zu einigen Stellen des Neuen Teftamentes' füh-
mirte Kirche in Lehre, Cultus u. f. w. ganz gleich ge- ren fich diefe Reifebilder aus Griechenland und Kleinmacht
aber iuriftifch nicht aufgehört als zwei Kirchen , afien bei dem Lefer ein. In Wirklichkeit find es mit
fortzubeftehen da die Aufhebung der bisherigen luth. ! grofsem coloriftifchen Gefchicke ausgeführte Gemälde,
und reformirten Kirche nach R. E. $ 24 nur durch Ver- j die uns hier von kunftgerechter Hand dargeboten wer-
faffungsgefetz hätte gefchehen können: der Verf. ift daher | den. Zwar .danken nicht alle Orte', von denen die Rede
felbft geneigt dem luth. und reformirten Kirchenvermö- : ift, ,ihre Schilderung eigener Anfchauung' (S. XI), aber
gen in der Pfalz auf Grund älterer Rechtsverhältnifse, ! die meiften und bedeutendften hat der durch feine ,Reife-
noch jetzt eine verfchiedene juriftifche Natur beizulegen, | bilder aus dem Orient' rühmlichft bekannte Verfaffer
S. 220- in Wahrheit hat die Union weder eine neue | theils früher theils auf feiner letzten Reife ,in's Heimat-
Kirche gefchaffen, noch die zwei alten Kirchen aufgehe- ; Und des Schönen' (S. X) doch felbft gefehen und, an
ben noch auch fie nur in ununterfcheidbarer Gleichheit | denfelben weilend, tiefe Eindrucke empfangen. Ver-