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Ausgabe:

1884 Nr. 13

Spalte:

309-312

Autor/Hrsg.:

Lorenz, Otto

Titel/Untertitel:

Der Römerbrief. Uebersetzung und erklärende Umschreibung 1884

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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309 Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 13. 3I0

Künftlern und Gelehrten, die es gefchaffen, als auch der I für alle' fchreibt und Weizfäcker: ,der da reich ift über
Verlagshandlung, die den Muth hatte, es zu drucken, l alle etc.' Doch find folche Ausnahmen fo vereinzelt,
zur hohen Ehre. Wenn man fich in diefe Bilder und J dafs es bei dem Urtheil bleiben wird: Den beiden ge-
den begleitenden Text vertieft, fühlt man fich wirklich i nannten Arbeiten gegenüber repräfentirt die vorliegende
in die gefchilderten Gegenden verfetzt. Man fieht nicht Ueberfetzung nur einen Rückfehritt; fie wäre vom Verf.
nur die üppige Vegetation des Orients und die grofs- beffer zurückbehalten worden. Dies um fo mehr, als fie
artigen Landfchaften mannigfachfter Art, durch die wir im Wefentlichen noch einmal reproducirt wird in der
geführt werden; man betrachtet nicht nur die erhaltenen erklärenden Umfchreibung', welche unter dem deutfehen
Bauten und fonftigen Refte der verfchiedenen Cultur- j Texte herläuft. Diefe ift nun eine nicht ungefchickte
Perioden, die nach einander über das Land dahingegangen und höchft forgfältige Auseinanderlegung der im Römerfind
und für die Gegenwart eben nur noch ihre Trümmer brief fo dicht zufammengedrängten Gedankenmaffen.
zurückgelaffen haben, fondern man erhält auch eine le- Hier fpricht der Verf. eine verftändliche Sprache; feiten
bendige Anfchauung von dem Leben und Treiben der j bleibt man im Zweifel über feine Auffaffung der ftrittigen
heutigen Bevölkerung, ihrem Bildungszuftand, ihren Sitten : Stellen nach Wortfinn und Bedeutung; ohne breit zu
und Gewohnheiten, ihren Arbeiten und Genüffen und I werden, oft durch Hinzufügung ganz weniger Worte,
ihrer focialen Lage. Man fieht den armen Bauer, wie j durch Einfchub eines von Paulus überfprungenen Ge-
er mitmöglichft primitiven landwirthfehaftlichen Geräthen j dankens weifs Lorenz den Ideengehalt fchvvieriger Partien
fein Feld beftellt, und den nicht minder armen Hand- [ zu entwickeln, am vorzüglichften m. E. in dem Abfchnitt
werker, wie er mit ebenfo primitiven Werkzeugen feine [ cap. 9—11 (vgl. z. B. 9, 10 — 13). Die meifte Mühe hat
Kunft ausübt. Man beobachtet den Mufelmann und den j er auf Herftellung einer klaren Dispofition des Briefes
chriftlichen Mönch bei ihrer Andacht, und wird dabei verwendet. Hinter jedem Abfchnitt fafst eine ,Ueberficht'
den Eindruck bekommen, dafs der Unterfchied zwifchen die in der .Umfchreibung' gewonnenen Ergebnifse b'e-
beiden doch nicht ein gar fo tiefgreifender ift. Ueber züglich des Gedankenganges noch einmal kurz zufammen.
Allem aber liegt der erfchlaffende Hauch des Orients: Abgefehen von Einleitung 1, 1 —15, dem Grundgedanken
das Mafs von Arbeit, das aufgewendet wird, ift das 1, 16 f. und den Schlufscapiteln findet er im Briefe

1 6 Theile: 1, 18—3, 20 ,der Bankerott der vorchriftlichen
Menfchheit'; — 5, 11 ,die rettende That Gottes'; — 5, 21
,Gegenüberftellung der vorchriftlichen und der chriftlichen
Menfchheit'; — 8, 39 ,das veränderte Wefen der chriftlichen
Menfchen'; — 11, 36 ,der Weg, auf welchem fich
der fchlagendfte Beweis für" den echt künftlerifchen Cha- j die Zuwendung des Heils an Ifrael wie an die Heiden-
rakter des Werkes. Oft haben es die Künftler verftanden, • weit verwirklicht'; — 14, 23 .Bewährung des chriftlichen
durch eine fcheinbar geringfügige Staffage bei den Land- Wefens im praktifchen Lebenswandel'. In der Abgren-
fchaftsbildern Stimmungsbilder von hervorragender Wir- ; zung diefer Theile nun fleht Lor. durchaus unter dem

möglichft geringe. Das elendefte Dafein in Nichtsthun
wird für genufsreicher gehalten als ein Leben voll Mühe
und Arbeit. Eben der Umftand, dafs uns diefes Leben
und Treiben der Bevölkerung mit fo ergreifender An-
fchaulichkeit vergegenwärtigt wird, ift, wie mir fcheint.

kung zu erzeugen. Das Werk hat in diefer, wie in jeder I Schutze von Lipfius, obwohl diefer fchwerlich 5, 12—21
andern Beziehung bis zu Ende gehalten, was es von und c. 12—14 als gleichberechtigte Haupttheile betrachten
Anfang an verfprochen hat. dürfte. Selbftändig dagegen ift Lor. mehrfach in Con

Wenn wir eines zu bedauern haben, fo ift es nur dies,
dafs das Oftjordanland ganz von der Befchreibung aus-
gefchloffen geblieben ift. Welch reichen Stoff würden

ftituirung der Unterabtheilungen. So reicht ihm la:
,Verderbnifs und Straffälligkeit der Heidenwelt' bis
2, 8; die beiden Abfchnitte bei Lipf. 3, 27—30 und

z. B. die grofsartigen Ruinen von Dfcheräfch (Gerafa), j 3, 31—4, 25 fafst er zufammen unter der Ueberfchrift:
die denen von Palmyra, Baalbek und Petra nicht nach- ,Die Vermittelung der Gottes-Gerechtigkeit durch den
flehen, geboten haben! Vermuthlich find es äufsere Glauben fchliefst jedes Vorrecht der Juden aus'. Den
Hindernifse gewefen (die Unficherheit der Gegend wegen ! Theil IV hat er dreifach gegliedert; a) 6, 1—23: Statt
der räuberifchen Beduinenhorden), die eine künftlerifche j fündigen Wandels gerechter Wandel; b) 7, 1—8, 5: Statt
Aufnahme diefer Gegenden unmöglich gemacht haben. | der Einwirkung des Gefetzes die Einwirkung des Geiftes;
Das fchmälert felbftverfländlich den Werth des Gebotenen J c) 8, 6—39: Statt des Todes Leben und Herrlichkeit,
nicht, und ift eben nur zu bedauern, gerade weil das , Manche von diefen Aufftellungen ift disputabel; ob aber
Gebotene fo vorzüglich ift. ! Lor. mit der Beziehung von 2, 1—8 auf einen Theil der

Giefsen. E. Schürer.

Heidenwelt Anklang finden wird, bezweifle ich; und ganz

unmöglich fcheint es mir, hinter 8, 5 einen tiefen Ein-

Lorenz Paft. prim. Otto, Der Römerbrief. Ueberfetzung j fchnitt zu machen. Bei dem Theil c. 6-8 genügt übrigens

11- 1 nmM,r,ih„nff Breslau Wovwod. ; der Wortlaut der Ueberfchnften zum Beweife, dafs wir
und erklärende Umfchreibung. Breslau, Woywoo, ^ w^ch gemachte Dispofltion dnes modernen

1884. (97 S. gr. 8.) M. 1.50. j Kopfes vor uns haben, und nicht eine vom Verf. inten-

Das Buch leidet an einem Zuviel und einem Zuwenig. , dirte. Werth für die Wiffenfchaft hat aber doch nur die"
Entbehrlich dünkt uns die Ueberfetzung; denn auch fie letztere. Trotz Volkm. ordnet L. c. 12—13 zufammen als
leidet an dem Fehler, Treue mit Wörtlichkeit zu ver- .Chnflhche Moral' neben cp. 14 als .Chriftliche Toleranz';
wechfeln. Sclbft der griechiche Artikel und die Wort- hier ift aber alles Eintheilen lediglich Gefchmacksfache.
ftelluim werden da wiedergegeben tu toiultu 2, 2. 3 = — Die Exegefe des Verf.'s ift im Ganzen befonnen; man
die derartigen Dinge; 12, 14: .Segnet und nicht fluchet', merkt Vertrautheit mit der einfehlägigen Literatur, wenn
Der Indicaüv hiftorifcher Tempora, den das Griechifche das Buch auch nie einen Namen und eine fremde Mei-
zur Bezeichnung der Irrealität verwendet, wird deutfeh j nung nennt. Hie und da bietet L. mehr oder minder

nachgeahmt: 7, 7 ,auch die Begierde blieb mir unbekannt
wenn nicht das Gefetz fagte'. Kann man 9, 6 als eine
Ueberfetzung anerkennen: .Nicht derart aber ift es, wie
dafs das Wort Gottes hinfällig geworden fei' oder 14, 5

originelle Erklärungen, f. 2, 14—16 was er von chrifllich
gewordenen Heiden verlieht, 2, 27. 29 wo ötu youfmu-
rog fein foll: ,durch Gefetzesbefitz hindurch' und sv nvev-
fiaii ov ygafiftavi ,auf Grund des Geiftes, nicht auf Grund

Hier einer übt jenes Richten an einem Tage vor dem ' der Gefetzesfchrift'. 4, 12 fafst er fo: derfelbe Abraham,

andern dort einer übt es an jeglichem Tage'? Mindeftens der nach v. 11 Vater dergläubigenHeiden ift,,foll auch fogar

gefchmacklos ift 4, 19 des .Mutterorgans der Sarah' für j ein Vater, ein erfter Vorgänger hinfichtlich der Befchnei-

/mW Einiges ift natürlich gelungen, z B 10,12; dung diefe im höheren Sinne genommen, fein: denen

nQww dg nuvTug xovg dny.aloifdvovg a xov = voll nicht allein, welche dem Volke der leiblich Befchnittenen

Rcichthums für alle" die ihn anrufen, wo Volkmar: .reich angehören, fondern auch denen, welche den Spuren