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Ausgabe:

1884 Nr. 11

Spalte:

263-265

Autor/Hrsg.:

Weiffenbach, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Zur Auslegung der Stelle Philipper II, 5-11. Zugleich ein Beitrag zur paulinischen Christologie 1884

Rezensent:

Haupt, Erich

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263 Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 11. 264

Berichte, die alle zugänglich gemacht find. Bei den vielen
Wiederholungen ift ihr Inhalt geringer, als man glauben
follte und dürfte ihr Umfang kaum der chriftlichen Bibel
gleich kommen. Auch hier find bei den Gelehrten bedeutende
Meinungsdifferenzen zu verzeichnen. Kern,
Senart fuchen alles Buddhiftifche auf frühere indifche
Anfchauungen zurückzuführen und mythifch zu erklären,
während Oldenberg und Rhys Davids manches hiftorifch
zu erklären fuchen und einen ganz andern Standpunkt
einnehmen.

Beilage VIII (272—290) geht unter dem Titel ,Chri-
ftenthum und Buddhismus' auf die bedeutenden Differenzen
in der Werthfehätzung des Buddhismus ein. Während
Rhys Davids als ehemals ceylonifcher Beamter günftig

Beziehungen ftimme ich feinem Refultat bei. halte aber
die Begründung nicht für ausreichend. In Bezug auf
ag-rc. ift die Berufung auf den Sprachgebrauch nicht ent-
fcheidend. Die paffive Bedeutung ift in der von Cremer,
deffen Artikel W. B.3 132 f. der Verf. fich ganz hat entgehen
laffen, aus Wetftein angeführten Stelle Cyr. de
ador. 1, 25 wenigftens wahrfcheinlich. Aber davon ab-
gefehen ift das Wort viel zu feiten, als dafs fich mit
Gewifsheit behaupten liefse, es fei nur activifch gebraucht
worden. Ferner läfst fich gar nicht leugnen,
dafs der nächfte Eindruck der Worte otQ7ia.yf.ibv ovyv
iiyroaxo xb etvai loa dsoi ift, dafs Chr. das nicht be-
feffen habe, was er nicht rauben wollte, und dafs dies
eben die Gottgleichheit gewefen fei. Wenn ich trotz

über ihn urtheilt, weifs Hardy wenig Gutes von ihm zu 1 diefes Eindrucks Weiff. Recht gebe, bewegt mich dazu
fagen. Kuenen's Vorlefungen über Weltreligion und Volks- 1 nicht fowohl der Artikel xo und das etvai, für welches
religion geben Veranlaffung, diefe Begriffe zu prüfen und man nach Weiff. bei Holtzmann's Faffung yiyveadai
zu unterfuchen, inwieweit dem Chriftenthum, Buddhismus 1 erwarten follte, fondern dafs kein Lefer im Stande war,
und Islam der erftere Charakter beizulegen fei. Dann I den allgemeinen Ausdruck loa eivai de<{> fpeciell von
wird Buddhismus und Chriftenthum verglichen und ge- dem gar nicht erwähnten y.vgiov eivai zu verftehen.
funden, dafs ihre Verfchiedenheit weit viel gröfser ift,
als ihre Uebereinftimmung, fo dafs der Verfuch, einen
Zufammenhang beider Religionen zu ftatuiren, fchon alt,
in der weit gehenden Art, wie dies namentlich Seydel
gethan hat, als unbegründet zurückgewiefen wird. Auch
die Einwirkung des Buddhismus auf religiöfe Erfcheinun

,Sich gleich verhalten mit Gott' (das ift doch der Sinn
des adverbialen Ausdrucks), gottheitliche Modalität des
Seins, ift doch ein fehr undurchüchtiger Ausdruck für
xvQiOtvg, dagegen zutreffendes Synonym für die fiOQcpr]
deov, d. h. überweltliche Freiheit und Seligkeit des
Seins. Diefe überweltliche Dafeinsform beftand nach

gen fpäterer Zeit wird als gleich fchwer beweisbar hin- Chrifti Meinung (rjywoaxn) nicht in einem ,gewaltthätigen
geftellt und namentlich feine Nachwirkung im Gnofticismus 1 Nehmen'. Mit noch gröfserer Energie, als er gethan hat,
und Manichäismus bezweifelt. | hätte der Verf. jede Ergänzung eines Objects zurück-

Unfere Befprechung ift etwas lang gerathen. Wir
haben aber fo eingehend über das Büchlein gehandelt,
weil wir feinem Inhalt und feiner wiffenfehaftlichen Bedeutung
ein gröfseres Gewicht beilegen, als die Seitenweifen
follen. Denn in der That ift dem Apoftel der
Gedanke gar nicht gekommen, was Chr. hätte nehmen
können, fondern das dgnä^eiv ift nur gewählt in gegen-
fätzlicher Rückficht auf die Philipper. Während die De-

zahl etwa vermuthen liefse. Die Leetüre desfelben hat j muth auf das eigne Recht verzichtet, will der Hochmuth
immer wieder von Neuem den Eingangs geäufserten ; Anderen ihr Recht nehmen, ift alfo cigicaS. Solche Ge-
Wunfch in uns erweckt. Indem wir das Schriftchen , fmnung hat Chr. nicht gehabt, hat in feiner überweit-
dringend empfehlen, möchten wir wünfehen, dafs von ; liehen Stellung nicht das Recht gefehen, fich Befitz anfeinem
Inhalt wenigftens in der Miffionsliteratur geeig- j zueignen, fondern im GegentheU auf das eigne Recht
neter Gebrauch gemacht würde. verzichtet. Was er etwa hätte dgjcctteiv können oder

Halle a/Saale. Paul. j wollen, bleibt ganz aufsei; Betracht; nur dafs von einem

dgjtaCeiv bei ihm nicht die Rede war, wird betont. Nur

- in diefer Faffung fcheint mir der Eindruck der ,Härte'

Weiffenbach, Prof. Dr. Wilh., Zur Auslegung der Stelle bei der auch von W. vertretenen Erklärung zu fchwinden.
Philipper 11,5-11. Zugleich ein Beitrag zur paulinifchen I - Mit Recht betont Weiff. ferner dafs streu 10a &e$
ru n , ■ ~w 1 u v i ,88l ,,„r „ 8J nicht gleichbedeutend fei mit xq> dew, aber auch hier
Chnftologie. Karlsruhe, Reuther, 1884. (78 S. gr. 8.) .ft diebBegrundung nicht ausreichend. Dafs der Unter-

M. 1. 60. j fchied zwifchen deog und b deog ftets ftreng feftgehalten

werde und ftets ein wefentlicher fei, ift ungenau.
Paulus läfst den Artikel vor deog in folgenden Fällen
fort: erftens wenn er nicht Gott als concrete Perfon,
fondern nach feinem Begriff ins Auge fafst, namentlich
alfo in Gegenfätzen, z. B. 1 K. 10, 20 daiLiovLoig aal
ob detö; zweitens bei präpofitionalen Ausdrücken, wenn
diefelben zur Umfchreibung eines Adjectivs oder Adverbs
dienen; drittens der Regel nach, wenn der Gen. deov
von einem artikellofen Subftantiv abhängt (Ausnahmen
2 K. 4, 1. Kol. 3, 1. 3, 12); viertens wo es auf prägnante
Kürze ankommt, wie in den Briefanfängen, in der Doxo-
logie R. 16, 27 vgl. 1 Tim. 1, 17, in braehylogifchen
Sätzen 1 Th. 2, 5. Phil. 1, 28. Schon in den letztgenannten
Fällen kann von einem wefentlichen, alfo fachlichen
Unterfchied keine Rede fein; vor allem aber in Fällen
wie 1 Th. 2, 15. Gal. 6, 7. 4, 8. 1 K. 7, 24. 2 K. 5, 19
ift überhaupt ohne Künftelei kein Grund für die Weg-
laffung des Art. zu finden und namentlich pflegt in In-
nnitivfätzen der Artikel ohne fachlichen Grund zu fehlen
I Th. 1,9. R. 8, 8. So könnte auch hier deiy ohne
fachlichen Unterfchied von zip deql gebraucht fein; aber
Weiff. ift durch richtigen Tact geleitet worden, denn der
Zufammenhang zeigt, dafs der Gegenfatz zwifchen dem
Begriff göttlicher und menfehlicher Exiftenzform dem
Apoftel vorfchwebt, die Stelle alfo unter Nr. I gehört:
es ift nicht von einer Exiftenzform die Rede, die Gott

Die forgfame, genaue, umfichtige, etwas umftändliche
Art der Detail-Exegefe, die aus früheren Arbeiten des
Verf.'s bekannt ift, bewährt fich auch hier. Nach Darfteilung
und Beurtheilung der Anficht Holtzmann's (S.
4—13) begründet er feine eigene Auffaffung (S. 13—61),
recapitulirt diefelbe in ausführlicher Paraphrafe (S.61—64)
und zieht ifagogifche und biblifch-theologifche Refultate
(S. 64—78). Ich hebe etliche Hauptpunkte hervor.

Richtig wird als Grundgedanke des ganzen Abfchnitts,
zu dem v. 5—11 gehört, die Ermahnung zur Einmüthig-
keit v. 1 angegeben, in deren Dienft nur die Mahnung
zur Demuth flehe. Aber mit Unrecht wird gefolgert,
dafs v. 5—Ii von der ,Einmüthigkeits-Gefinnung' Chrifti
die Rede fei. Diefer Gedanke liegt ja völlig fern: mit
wem foll denn Chr. einmüthig fein? P.W. Schmidt behält
gegen W. völlig Recht, dafs es fich nur um ein
Vorbild der xaneivoipgoovvrf handelt, d. h. nur um Begründung
von v. 3b, nicht des Hauptgedankens in v. 1 f.
Während Holtzmann mit Weifs das eivai loa deib dem
präexiftenten Chr. abfpricht und auf die ■/.VQWT'qg bezieht,
die derfelbe damals noch nicht befeffen habe und nicht
gewaltthätig fich habe aneignen wollen, läfst Weiff. den
Präexiftenten jenes Yoa elvai detb befitzen und findet es
eben in der fiOQqyq deov. Damit ift gegeben, dafs er
dgnayiiog nicht paffivifch = praeda oder res rapienda,
fondern activifch = actus rapiendi nimmt. In beiden