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Ausgabe:

1884 Nr. 8

Spalte:

190-192

Autor/Hrsg.:

Lipsius, Rich. Adelbert

Titel/Untertitel:

Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden. Bd. 2.2 1884

Rezensent:

Harnack, Adolf

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189 Theologifche Literaturzeitung. 1884. Nr. 8. 190

Perfon, aber hierüber anders zu urtheilen kann er Nie- 1 Lipsius, Rieh. Adclb., Die apokryphen Apostelgeschichten
manden hindern. Indeffen die Präge bewegt (ich ja unrj Apostellegenden. Ein Beitrag zur altchriftlichen
zugleich, und zwar in erfter Linie, um die fundamentale Literaturgefchichte. 2. Bd. 2. Hälfte. Braunfchweig,
Zweitheilung Dharma — Vinaya, und Seydel deutet es j c . . ,, c , QQ ,Tr 0
auch felbft Tan, dafs feine Verteidigung fo gut für feinen Schwetfchke & Sohn, 1884. (II, 431 S. gr. 8.) M. II. -
Anfatz der Zweitheilung wie für jenen der Dreitheilung I Der erfte Band diefes umfaffend angelegten und
gelten foll (S. 77 Anm. 4). Was thut es da nun zur '> rüftig geförderten, ausgezeichneten Werkes ift in diefer
Sache, wenn wirklich, wie S. meint, Vinaya- und Sütra- ' Zeitung 1883 Nr. 3 angezeigt worden. ,Die zweite Hälfte
(d. h. Dharma-) Texte früher entftanden find, als man des zweiten Bandes hat vor der erften veröffentlicht
darauf kam, fie unter diefe zwei Rubriken zu verthei- werden müffen, weil der Verfaffer die Actus Petri Ver-
len? Der Vorwurf des Ref. ging ja nicht dahin, dafs cellenses noch nicht wieder, die griechifchen ngä^eig
S. etwa die Texte von Dharma und Vinaya hätte eher lltignr überhaupt noch gar nicht zu erlangen vermochte,
vorhanden fein als eingetheilt fein laffen, fondern da- Die von anderer Seite feit längerer Zeit vorbereitete
hin, dafs fie nach S.'s Anfätzen mindeftens ca. 60 Jahre ; Ausgabe beiderDocumente iftnoch immernichterfchienen.
früher hätten eingetheilt fein müffen, als fie, wieder ! Sobald diefelbe veröffentlicht, bezw. fobald es gelungen
nach feinen Anfätzen, eingetheilt worden find. Und fein wird, neue Abfchriften der betreffenden Stücke zu
fonderbar genug, wir brauchen von den Betrachtungen erlangen, wird die lange vorbereitete erfte Hälfte des
Seydel's über den Unterfchied zwifchen dem Vorhanden- | zweiten Bandes, welche die Acten des Petrus und Paulus
fein der Texte und ihrem Eingetheiltfein nur wenige j und als Anhang die Acten des Paulus und der Thekla
Worte weiter zu lefen, um von ihm felbft zu erfahren, j enthalten foll, vollendet werden'. Man follte denken,
dafs es fich um diefen Unterfchied überhaupt gar nicht ! dafs Jedermann, der zur Förderung diefer grofsen Arbeit
handelt. ,Recht hat O. nur darin, dafs mir das Vor- , etwas beizutragen im Stande war, dem Verfaffer mit
handenfein der Eintheilung im Cullavagga im rechten I Freuden behülflich gewefen wäre; allein leider fcheint
Momente nicht gegenwärtig war; da ich es aber nirgends ; dies nicht durchgängig der Fall gewefen zu fein. Um fo
erwähne, liegt auch hierin kein Selbftwiderfpruch.' Alfo j dankbarer müffen wir dem Verfaffer fein, dafs er die
S. fagt es uns felbft: nicht die Exiftenz der betreffenden j Herausgabe des zweiten Bandes nicht verzögert, fondern
Texte allein, fondern eben gerade auch ihre Einthei- , zunächft die zweite Hälfte desfelben vorgelegt hat. Dielung
wird in jener Stelle des Cullavagga, an welcher felbe umfafst die Acten des Philippus, Bartholomäus,
Seydel's Hypothefen fcheitern, bezeugt. Aber freilich, : Matthäus, Simon und Judas (einfchliefslich der edeffeni-
S. hat diefe Thatfache nirgends erwähnt; fomit liegt i fchen Abgarfage), Jakobus Zebed., Jakobus Alph. und

kein Selbftwiderfpruch vor! Konnte S. fich treffender
felbft ironifiren? Man fetze Texte, von deren Inhalt
man nichts weifs, in welche Zeit man will; man ftelle
für die Dinge, die in eben denfelben Texten erwähnt
werden, Anfätze auf, welche mit den erften Anfätzen in

Jakobus des Bruders des Herrn, Matthias, Barnabas, Marcus
, Lucas, Timotheus und Titus. In Hei beizichung des
cntlegenften Materials hat der Verf. keine Mühe gefcheut
und auch manches Ungedruckte theils fchon herbeigezogen
und beurtheilt, theils auf dasfelbe aufmerkfam ge-

abfolutem Widerfpruch flehen: man fehe fich nur vor macht. So find hier die Angaben aus dem arabifchen
nicht zu erwähnen, dafs gerade in diefen Texten gerade Synaxarium der Kopten, deffen Veröffentlichung durch
von jenen Dingen die Rede ift: dann liegt in all dem kein , Wüftenfeld leider nicht zu Ende geführt worden ift,
Selbftwiderfpruch, und follte ein Philolog doch klein- , vollftändig, foweit fie für die betreffenden Apoftel von
lieh genug fein Anftofs zu nehmen, fo verräth derfelbe j Belang find, mitgetheilt. Für ,Timotheus' konnte Lipfius
dadurch nur ,den allbekannten Dünkel und Kleingeift i eine Florentiner Handfchrilt benutzen, aus welcher ihm
philologifcher Domäncnpacht' (S. 3). Vitelli einen Auszug angefertigt hatte (S. 395). Für

Ref., welcher theologifchen Studien fern fleht, hat die Acten Silveftcr's ftand ihm eine von Ufener ge-
es nicht verfuchen dürfen, allen in Seydel's neuem Buch | nommene Abfchrift (S. 393) zu Gebote. Noch nicht unterberührten
Gefichtspunkten gerecht zu werden. Die i fuchte Enkomien auf Lucas in Parifer Handfchriften
theologifche Kritik wird darüber zu entfeheiden haben, werden S. 363 aufgeführt u. f. w.

ob die Vorftellung von Jefus als dem gotterzeugten Die Arbeit war in diefem Theile der Unterfuchungen

Sohn der Jungfrau dem jüdifchen Fühlen und Denken i befonders mühfam, weil die Traditionen über die einzelnen

hätte fern bleiben müffen, wäre fie nicht aus einer fremd
artig heidnifchen Mythologie eingedrungen (S. 9—II,
vgl. S. 7) — ob die Vcrfudiungsgefchichte (S. 21) oder
die Erzählung von der Darftcllung im Tempel (S. 18),
oder die von der lobfingenden Frau (S. 20; Lukas II,
27 f.) unverftändliche Details zeigen, welche durch die
buddhiftifche Legende verftändlicher werden — oder in
welcher Form fich in die Entflehungsgefchichte der
Evangelien die Vorftellung einfügen liefse von ,dem
ftillen Verkehr eines chriftlichen Dichters in Alexandria,
Ephefus oder Antiochien mit einem buddhiftifchen Sendboten
oder fonftigen Kenner der Legende und mit deffen
heiligen Büchern' (S. 33). Ueber diefe und andere von
Seydel befprochene Fragen fich zu äufsern kann Ref.
nicht für feines Amtes halten. Das aber ift feines
Amtes, nach Kräften dem zu wehren, dafs in ein der
ernften und kundigen Arbeit wohl werthes Gebiet ge-
fchichtlichcr Forfchung durch flaches Dilettantenthum
Verwirrung und Irrthum hineingetragen werde.

Berlin. H. Oldenberg.

Apoftel hier nur feiten in Zufammenhang flehen, und
fomit jedes Capitel monographifch zu behandeln war.
Dazu kam der Mangel an brauchbaren Vorarbeiten; denn
folche fanden fich eigentlich nur für die Abgarfage, für
Barnabas und Timotheus. Bei den übrigen Apofteln
hatte der Verf. die ganze Arbeit von Anfang an allein
zu leiften. Der Thefaurus, den jahrelanger Fleifs ge-
fchaffen hat, wird in der hiftorifch-theologifchen Literatur
ftets einen Ehrenplatz einnehmen und hoffentlich die
Grundlage für weitere Forfchungcn werden.

Ueber die Ergebnifse der Unterfuchungen zu refe-
riren, ift in dem Rahmen diefer Zeitung nicht möglich.
Die gemeinfamen Wurzeln der Apofteltraditionen gehen
bis in das 2. und 3.Jahrhundert hinauf; aber fie find nur
in wenigen Fällen wirklich bis in die Zeit ihres Urfprungs
zu verfolgen. Der Verf. ftellt in jedem Capitel im Eingange
das in Kürze zufammen, was die Tradition der
vorconftantinifchen Zeit uns mittheilt; leider aber mufs
er feine Lefer ftets fehr rafch in die Zeit des Hieronymus
und in die folgenden Jahrhunderte führen, um ihnen zu
zeigen, wie in Indien und wiederum in Spanien, in
Abeffynien und in Byzanz die Apoftellegenden gewuchert
haben. Gerne fähe man am Schlaffe des grofsen Werkes
eine nach den Landes- und Nationalkirchen geordnete
Ucberficht über die Traditionen und über die Epochen