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Ausgabe:

1883 Nr. 6

Spalte:

135-136

Autor/Hrsg.:

Dieffenbach, G. Chr.

Titel/Untertitel:

Evangelische Haus-Andachten. I. Bd. I. Monatsheft 1883

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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135

Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 6.

136

Dieffenbach. G. Chr., Evangelische Haus-Andachten. Zur

Ergänzung und Fortfetzung der evangelifchen Haus-
Agende. 1. Bd. Die Summe der chriftlichen Lehre
nach dem Katechismus. 1. Monatsheft: Die Herrlichkeit
Gottes und Sein Schöpfungs-Walten. Bremen,
Heinfius, 1883. (96 S. gr. 8.) M. 1. —

Der ehrwürdige Verfaffer hat durch feine Andachtsbücher
in weiten Kreifen einen geachteten Namen. Wir
zweifeln nicht, dafs auch dies Buch mit feiner einfachen
Anlage bei Vielen Eingang finden wird. Jedes Monatsheft
, auch einzeln käuflich, foll ein und dreifsig Betrachtungen
bringen, fechs Hefte bilden einen Band.

Jede Andacht befteht aus fünf Theilen -. der Ueber-
fchrift, einer Anzahl Schriftftellen als loca probantia, einer
kurzen Auslegung derfelben, einem Gebet und einigen
Liederverfen.

Nach der einleitenden Andacht: ,1m Namen des
dreieinigen Gottes' nennen die Ueberfchriften zuerft die
verfchiedenen Offenbarungen Gottes in der Natur, der
Heil. Schrift, in Chrifto (in diefer Reihenfolge), um dann
mit ,Gott ift Geift' auf die Eigenfchaften Gottes (Andacht
6 — 16) überzugehen. Die 17. Andacht beginnt mit dem
1. Artikel, welcher bis zum Schlufs nebft guten und
böfen Engeln, Menfchen-Erfchaffung, Sündenfall u. f. w.
behandelt wird. — Ob die Reihenfolge der Heilsordnung
gemäfs fei, bleibe ohne nähere Erörterung; nur unfere
Zweifel möchten wir andeuten. Zu beanftanden ift die
Ueberfchrift 18: ,Wortglaube — Herzensglaube', foll
heifsen: der Glaube an das Wort und der Glaube des
Herzens. ,Der rechte Wortglaube ift die rechte Er-
kenntnifs; folchen Wortglauben follen wir aber auch mit
recht gläubigem Herzen aufnehmen und bewahren.
Ohne wahren Herzensglauben ift der Wortglaube
ein todter Buchftabe'. Diefe Sätze möchten doch
weder logifch noch dogmatifch correct zu nennen fein.

Die loca probantia find im Ganzen paffend gewählt
mit Ausnahme von Andacht 17: ,ich glaube an Gott',
wozu als erfte Stelle ungehörig Hof. 2, 20 herbeigezogen,
weiterhin wieder einmal Hebr. 11,1 als biblifche Definition
des Glaubens ohne alle Beachtung des Zufammenhangs
verwerthet wird. Der Mangel an Beachtung des Zufammenhangs
ift überhaupt der fchwachePunkt ; fämmtliche Stellen
werden einfach hingeftellt, als ob die Heil. Schrift eine
Sammlung von Sprüchen und Sprüchlein wäre; und die
fchwere Aufgabe folcher Andachtsbücher, zur Heil. Schrift
zu leiten und unferem Volke feine Bibel wieder zu einem
Lieblingsbuche zu machen, wird mit keinem Finger angerührt
.

Die Auslegung ift fehr einfach, meift nur eine etwas
breitere Umfchreibung deffen, was die Bibelftellen, jedermann
verftändlich und jedem Auge deutlich, bereits ge-
fagt. Ein beleuchtender, tieferer Gedanke ift uns nicht
begegnet. Schwerer ift der Tadel, dafs in der Auslegung
es an der chriftlichen Centralanfchauung, dafs es faft
überall, mit Ausnahme einiger Andachten, in denen es
fchlechterdings nicht zu umgehen war, an jeder Bezogen-
heit des Gegenftandes auf Chriftum fehlt. Verf. bringt es
fertig, felbft über das Thema: ,Gott ift die Liebe', über
,die Regierung der Welt' u. f. w. zu reden, ohne den
Herrn Jefus Chriftus, Seine Perfon und Sein Werk, auch
nur anzudeuten.

Auch die Gebete find fehr einfach und nicht ohne
Wiederholungen. Aufgefallen ift die S. 11. 26. 67 fich
findende ungrammatifche Formel: ,Halte und walte du
über uns'. In den erften fechs Gebeten wird der Ausbreitung
des Reiches Gottes unter den Völkern gedacht,
hernach nie wieder; weshalb?

Die Liederverfe find forgfältig jedesmal ad hoc gewählt
. S. 34 hätte aber zu dem richtigen Text: ,In allen
meinen Thaten' die in der letzten Zeile um zwei Silben
zu lange Melodie: ,Nun ruhen alle Wälder' nicht ange-

j geben werden follen. — Das allgemeine Schlufsgebet
redet von den ,fchuldigen' Fürbitten, ohne jedoch die
,unfchuldigen' zu nennen. — Druck und Ausftattung find
vortrefflich; aber zahlreiche Druckfehler find flehen geblieben
.

Marburg (Heffen). D. Achelis.

Frommel, Emil, Gesammelte Schriften. Erzählungen für
das Volk, Auffätze und Vorträge mannigfachen Inhalts
in einer fortlaufenden Reihe von Bändchen. VIII.
A. u. d. 'f.: Allerlei Sang und Klang. Erzählungen
und Skizzen. Berlin 1883, Wiegandt & Grieben. (IX,
207 S. 8.) M. 2. 25.

Unfere chriftliche Unterhaltungsliteratur fchwillt an,
aber weniges nur verträgt den Mafsftab ftrengen Ge-
fchmacks. Auch gute Namen decken viel Mittelgut. Am
wenigften dürfte Emil Frommel diefer Vorwurf treffen,
der nun das 8. Bändchen feiner Gefammelten Schriften
hat ausgehen laffen. Es bietet an zweiter Stelle eine
vortreffliche Erzählung für das Volk: ,Das fünfte Rad
I am Wagen'. Man könnte fie vollkommen nennen, wenn
nicht am Schlufs fich alles gar zu eilig und glücklich
löfte. Noch zwei kleine Erzählungen fafst Nr. 3 unter
dem Sammeltitel ,Für Mufik', befcheidenere Gaben, als
wir fie fonft von Frommel gewohnt find. Alles Uebrigc
j mufs fich der Gattung der Skizzen einordnen. Eine
| Rede von Sanges Recht und Pflicht und ein fehr dankens-
werther Vortrag über die Orgel, ihre Gefchichte, ihren
j Bau und ihre Bedeutung, find mit jenen zwei Erzählungen
insbefondere mufikalifchen Leuten geboten. Nr. 1
| nennt fich einen Sommernachtstraum über das Geben,
aber es ift ein Traum, der keiner Deutung bedarf, fondern
felber das Leben deutet, ein leicht und gefällig
componirtes Phantafieftück, das über die rechte Weife
wohlzuthun die verfchiedenften Meinungen in lehrreichem
Wettftreit zu Worte kommen läfst. Befondere Beachtung
I verdient Nr. 4: ,In der Dämmerftunde'. Da werden
I wir freilich nach Art der jetzt fo beliebten Plaudereien
aus dem Hundertften in's Taufendfte geführt. Von der
Dämmerftunde hebt es an, von der Dämmerftunde vor
Weihnachten, dem Weihnachtsfefte felber, der Kunft des
! Schenkens und Empfangens ift dann die Rede. Aus
I vielen wahren und feinen Bemerkungen diefe: .eine
I Kluft, die fich in einem langen Jahre zwifchen Herzen
ausgedehnt, füllt man nicht in einem kurzen Augenblick
der Ueberrafchung durch hinabgeworfene Goldflitter,
auch nicht durch Ballen grober maffiver Gefchenke aus'.
Allzu geiftreich und darum nur halb überzeugend wird
fchliefslich das Weihnachtsfeft felber als die .Dämmerftunde
zwifchen dem Sonnenuntergang des diesfeitigen
und dem Sonnenaufgang des jenfeitigen Lebens' gedeutet.
Wie leicht aber könnte ein Frommel Uebergänge vermeiden
wie den, der nun folgt: ,Bin ich einmal an dem
Fefte der Weihnacht, dann darf ich auch noch weiter
etwas in der Dämmerftunde zwifchen Licht und Dunkel
! von unferen Kirchen- und Hausierten fagen'. Ja von
Hausierten ift nicht einmal die Rede im Folgenden, das
fpart fich der Verfaffer für's nächfte Büchlein auf! Alle
witzige Motivirung, die folche Freiheiten dem Urtheil
eines guten Gefchmacks entziehen will, verräth doch
nur des Dichters böfes Gewiffen. Vor allem aber ift zu
bedauern, dafs Frommel das Werthvollfte, was er in
feinem neueften Bändchen bietet, unter dem obigen Titel
verborgen hat. Denn was er nun zu fagen hat von
Miffionsfeften und ähnlichen, kann nicht genug empfohlen
werden. Feftgenoffen, Feftliturgie, Feftbericht,
Feftpredigt, PVftgebet, Feftnachfeier behandelt er, und
wie er da Unfitten, die jedermann bei folchen Feilen
erdulden mufste, zu treffen und zu geifseln verlieht, fo
verfteht's niemand. Es giebt ja eine Menge Untugenden,
die jeder am andern empfindet und vielleicht felber
( nicht zu meiden weifs, die officiell ertragen werden