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Ausgabe:

1883 Nr. 5

Spalte:

105-107

Titel/Untertitel:

Altes und neues Recht in Preussen, in einem Specialfalle der kirchlichen Gesetzgebung erläutert und zurechtgestellt 1883

Rezensent:

Köhler, Karl

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105 Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 5. 106

Jacobs mit Recht diefen Verfall des Ortes als Wallfahrts-
ftätte mit der Wirkfamkeit des Joh. Hus und der Reaction
jener Zeit gegen die Heiligeblutreliquicn in Zufammen-
hang bringt; wahrfcheinlicher dünkt es uns, dafs die
neue Wallfahrtsftätte Wilsnack fich als fiegreiche Con-
currentin der älteren gegenüber erwiefen habe. Das
Nonnenklofter gehörte zu denjenigen, welche in der Reformationszeit
durch eine allmähliche Umgeftaltung den
neuen kirchlichen Verhältnifsen angepafst wurden. Es
diente unter theilweifer Beibehaltung klöfterlicher Lebensweife
theils als Verforgungsanftalt für fieche Berfonen
weiblichen Gefchlechts, theils befchäftigten fich die In-
faffen neben dem Gottesdienft mit Handarbeit und mit
dem Unterricht der Dorfjugend. Am intereffanteften ift
die Kloftergefchichte von 1622 —1650. Zwei wegen Unordnungen
entlaffene Klofterfrauen convertirten zur römi

,der mächtige Zug nach Centralifation im Staate und
nach Ausgleichung der Ungleichheiten in den verfchie-
denen Klaffen der Gefellfchaft einen mächtigen Schritt
vorwärts gethan' habe, es ,gehe alles prompt, und die
läftige Pflicht guter Gefmnungen fei durch gute Einrichtungen
unnöthig gemacht'. Es ift richtig, dafs durch
die neuere Verfaffungsbildung ein Stück Rechtsformalismus
in unfer kirchliches Leben hereingekommen ift, das
ihm fonlt fremd war. Aber es läfst fich ernftlich fragen,
ob nicht der vielfach vorhandene Mangel fetter, gleich-
mäfsiger Rechtsnormen ein wirklicher Mangel gewefen
fei, der dem ev. Kirchenthum von Anbeginn anhaftete.
Ift man jetzt daran, diefen Mangel zu ergänzen, fo ift
das unferes Bedünkcns nicht zu fchelten; die Pflicht
guter Gefmnungen kommt dadurch ficherlich nicht in
Wegfall, und gerade in dem hier fraglichen Fall mag

fchen Kirche, erlangten den Schutz des Kaifers, erzwangen 1 die fittliche Verfuchung, die in der Stellung des Nach-
durch diefen'ihre Wiedereinfetzung, und unter dem fieg- j folgers zum Emeritus lag, fehr häufig die Aufforderung
reichen Uebergewicht der kaiferlichen Waffenthaten wurde i zu einem pietätsvollen Verhältnifs, welche he allerdings
mit Ueberredun<r und Gewalt das Klofter dem Katholi- in höherem Mafse als die nun gefchaffene Einrichtung
cismus wiedererobert. Die Ankunft der Schweden machte mit fich brachte, leider überwogen haben. — Der Special-
1631 diefen Verfuchen für einige Zeit ein Ende, aber | fall, dem der Appell des Verf.'s an die öffentliche Meinung

1641 wurde zum zweiten Male eine gewaltthätige Gegen
reformation ins Werk gefetzt, bis in Folge des weftfäli-
fchen Fliedens auch hier der Status quo ante mit mancherlei
Mühe wiederhergeftellt wurde. Es ift ein höchft
lehrreiches Miniaturbild jener Gegenreformationen des
dreifsigjährigen Krieges, welches aus den Klofterurkundcn
hervorgeholt wird. Als evangelifches Stift hat Waterler
dann noch bis zum Ende des Jahrhunderts fortbeftanden,
ohne Lebenskraft, ein fremdes Gewächs, welches die
evangelifche Kirche damaliger Zeit noch nicht verftanden
hat für das Leben der Gemeinde fruchtbringend zu
machen. So ift es in jener Zeit auf den Ausfterbe-Etat
gefetzt worden und dahingefunken. — Im Einzelnen fei
noch bemerkt, dafs dem eifrigen Sammler eine Himmel-
pförter Urkunde von 1290 entgangen ift, welche Förfte-
mann Neue Mittheilungen III 102 publicirt hat. — Wenn
S. 45 Ablafs denen verheifsen wird, ,qui cymeterium cir-
atutiit fo ift das doch wohl von der Theilnahme, nicht
an den Beerdigungen, fondern an den Gottesackerpro-
ceffionen zu verftehen. —

Eine genaue Erläuterung der beigegebenen Siegelabdrücke
fowie ein mit gröfster Sorgfalt angefertigtes

gilt, liegt in $ 9 des P.-G. vor. Hier heifst es: Der An-
fpruch auf Ruhegehalt hört auf, wenn der Emeritus durch
eine im Disciplinarvcrfahrcn ergangene Entfcheidung der
Kirchenbehörde oder durch Entfagung die Rechte des
geiftlichen Standes in der ev. Kirche verliert, was Juftizrath
Stämmler in feiner Schrift über das P.-G. (Rathfchläge
und Erläuterungen u. f. vv., vgl. Th. L.-Z. 1881, Nr. 16)
damit begründet: ,auch der emeritirte Geiftliche bleibe
mit Rückficht auf die Rechte, welche die Ordination
giebt, in einem amtlichen Verhältnifs zu der bisherigen
Stelle fowie zur Landeskirche, und ihrer Disciplin unterworfen
'. Dem gegenüber macht der Verf. geltend: Das
preufsifche Allgemeine Landrecht kenne den Begriff eines
geiftlichen Standes, welchem man angehören könne ohne
ein beftimmtes kirchliches Amt zu bekleiden, und welcher
ohne Rückficht auf ein folches gewiffe Standesrechte und
Standespflichten mit fich bringe, nicht. Geiftlicher heifse
im Sinne des A. L.-R. (II, 11, $ 59 verb. m. § 318) derjenige
, der bei einer beftimmten Gemeinde zur Beforgung
des Gottesdienftes u. f. w. ,beftellt' ift; die Ordination
verleihe ($ 63) lediglich das Recht zur Ausübung der
Amtsfunctionen, ihre Wirkung höre daher mit der Ämts-

Regifter bilden den Schlufs. Beigefügt find aufser zahl- i niederlegung auf. Standespflichten, die nicht zugleich

reichen Siegeltafeln vier prachtvoll in Lichtdruck aus
geführte Urkundenabbildungen. Von Druckfehlern ift mir
nur aufgeftofsen. dafs S. 473 in der Anmerkung irrig auf
Urkunde 30 ftatt 36 zurückverwiefen wird.

Amtspflichten wären, kenne das L.-R. nicht. Der dem
emeritirten Pfarrer nach § 528 zukommende Ruhegehalt
fei eine Gebühr, welche von ihm durch feine Leiftungen
während der Dienftzeit voll verdient fei, und dürfe daher

Magdeburg. G. Kawerau. njcht Y°n weiteren Bedingungen abhängig gemacht oder

-z____i___- ihm willkürlich entzogen werden. Indem das P.-G. von

Altes und neues Recht in Preussen, in einem Specialfallc der Vorausfetzung eines auf der Ordination ruhenden

der kirchlichen Gefetzgebung erläutert und zurecht- geiftlichen Standes ausgehe, kehre es zu der katholifchen

geftellt. Ein Appell an die öffentliche Meinung von Aarfcll«!!,* von dem iödetebilen j^desefaarakter zurück

ein^m V„f v ■ u Tj ,oq, 7,, c und lefte den Keim zu einer gefahrlichen hierarchifchen

einem Veteranen. Königsberg, Härtung, 1882. (31 S. Entwickelung. Es werde dadurch >ein zwdtt.r Staat im

gr- 8d M- —• 60. Staate gefchaffen', während doch der erfle (die römifche

Der ungenannte Verfaffer ift ein Mann der alten Schule 1 Kirche ift gemeint) noch fo viel zu thun gebe,
und als folcher mit der neueren kirchlichen Rechtsent- Was die Beweisführung aus dem A. L.-R. betrifft, fo

Wickelung nicht fonderlich einverftanden. So auch nicht wird man ihr mit Grund nicht widerfprechen können,
mit dem neuenPenfions-Gefetz für die ev.Landeskirche der ! Es ift richtig, dafs für das L.-R. der Begriff des geiftlichen
älteren Provinzen des preufsifch.cn Staates vom 26. Januar ; Standes mit dem des concreten geiftlichen Amtes zu-
1880, mit welchem er fich in der vorliegenden kleinen fammenfällt, und dafs daher eine von dem Verf. ange-
Schrift befchäftigt. Dasfelbe hat einen einheitlichen Pen- . führte fpätereVerfügung (voni82i), wonach der Emeritus,
fionsfond gefchaffen, in welchen die früher vorhandenen j der die Kanzel befteigen will, der ausdrücklichen Geneh-
provinziellen Penfionszufchufsfonds fämmtlich aufgehen, '. migung des Confiftoriums bedarf, im Sinne des L.-R.
und gleichzeitig die Leiftungen der Geiftlichen an diefen völlig correct war: er hat die Ermächtigung zur VerFond
wie die Penfionsanfprüche der Err.eriten nach richtung geiftlicher Handlungen verloren, ift kein Geift-
gleichmäfsigen Normen geregelt; das perfönliche Ver- . licher mehr. Aber eben fo ficher ift, dafs die allgemein
hältnifs zwifchen dem Amtsnachfolger und dem Emeritus, ', verbreitete Anfchauung, auch unter den Proteftanten, den
welcher letztere von jenem nach dem älteren Recht einen Begriff des geiftlichen Standes weiter ausdehnt: fie weifs
beftimmten Antheil des Stelleeinkommens zu beziehen 1 von Geiftlichen aufser Dienft (auch die in anderen Aemtern
hatte, ift dadurch befeitigt. Der Verf. findet, dafs fo z.B. im Schuldienft flehenden ordinirtenTheologen flehen