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Ausgabe:

1883 Nr. 5

Spalte:

102-103

Titel/Untertitel:

Thomas und Felix Platter, zwei Lebensbilder aus der zeit der Reformation und der Renaissance 1883

Rezensent:

Staehelin, Rudolf

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ioi Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 5. 102

haben, als (ich gefchichtliche Beweife ohne ausdrückliche
urkundliche Beftätigung erbringen laffen. In dem erften
Capitel foll nach einer Ueberficht über die bisherigen

Diognetbrief wirklich bedeutungsvoll werden follen, da
reifst der Faden jedesmal ab.

Der Verf. hat eine Ueberfetzung des Diognetbriefs

Anflehten gegen Overbeck gezeigt werden, dafs der Brief j feiner Schrift beigegeben und Bellt in der Vorrede eine
im 2. Jahrhundert möglich ift. In dem zweiten Capitel ,kritifche Textausgabe des Briefes an Diognet auf neuer

fucht der Verf. die Ueberlieferung des Textes durch Er
klärung zweier Marginalien im Argentoratcnsis bis zum
4. Jahrhundert (370—431) zurückzuführen und die Echtheit
der cap. 11 u. 12 zu erweifen. DieBeweife find aber nichts weniger
als überzeugend; denn dafs diePhrafen: nzi h.güizezo
zuanvinvg ygnvoig in pvat^ginv rjjg ttvlaq zgiäöog titygi
znv ßunziaiiaiog h> lugöctroi und: bei zrtv evav (irt ipdeign-
invtjv nägVevov äxoxitler f&<XQei(tav de,, zi]g naga/.oijg
nnvzing eioedi&XtO zn eicizi'fiiov drjlovozi q&agsloav,
nur aus der Theologie des Theodor von Mopfueftia
Hammen können, ift eine ganz haltlofe Behauptung, und
felbft, wenn dem fo wäre, wer bürgt dafür, dafs der
Gloffator nicht erft um das J. 1200 gelebt und aus irgend
einer Catene diefe Gedanken aufgelefen hat: Wo möglich
noch oberflächlicher ift der Beweis für die Zugehörigkeit
der beiden Schlufscapitel zu dem Briefe, in
welchem die Eigenthümlichkeit diefer feftfamen Stücke
völlig verwifcht wird. Das dritte Capitel handelt von der
Abfaffungszeit. Hier liefert der Verf. leider ein neues
Beifpiel für die Thatfache, dafs der gründlichfte Kenner
der klaffifch-altkatholifchen Literatur fich bei Unterfuch-
ungen, die in das 2. Jahrhundert führen, die gröfsten
Blöfsen geben kann. Der Nachweis, dafs der Brief nicht
vor und auch nicht nach Hadrian's Zeit gefchrieben fein
könne, dafs er nachignatianifch, aber vorjuftinifch fein
müffe — welch' eine Datirungl — wiederholt nur längft
widerlegte Erwägungen. ,Die Lehrmethode des Briefes
berührt lieh mit jener der Apoftel und Apoftelfchüler'
(S. 83). Da ift eine Verftändigung allerdings hoffnungslos.
Der Verf. ift aber nun für das entscheidende vierte Capitel
vorbereitet. Er ift nicht der Erlte, der den Brief an den
Diognet mit dem armenifchen Fragment aus der Apologie
des Ariftides in Verbindung gefetzt hat. Aber enger
kann man diefe Verbindung nicht mehr fchliefsen: die
beiden Schriftftücke follen in materieller und formeller

Grundlage' in Auslieht. Das ift zuviel verfprochen, wenn
man, wie der Verf., lediglich eine neue Abfchrift der
altbekannten Handfchrift zur Verfügung hat. Seit Jahren
befitze ich durch die Güte des Herrn Dr. Neumann eine
Collation der Tübinger Abfchrift. Eine kritifche Textausgabe
auf neuer Grundlage ermöglicht fie nicht.

Giefsen. Adolf Harnack.

Thomas und Felix Platter, zwei Lebensbilder aus der Zeit
der Reformation und Renaiffance, von ihnen felbft
entworfen. Aus dem Schweizerdeutfchen für die Gegenwart
übertragen von J. K. Rud. Hern an. Mit
Bildnifsen, Fakfimiles und Wappen. 2 Thle. in i Bd.
Gütersloh, Bertelsmann, 1882. (XIV, 182 u. XI, 345 S. 12.)
M. 5. 40.

Seitdem im Jahre 1805 Jakob Grimm in einem feiner
kürzlich veröffentlichten Briefe feinem Bruder den Auftrag
gab, ,einem alten deutfehen Buche, welches die
Lebensgefchichte des Thomas Platter enthalte', nachzu-
forfchen, ift durch Textausgaben, Ueberfetzungen und
Bearbeitungen aufserordentlich viel gethan worden, um
jener, wie Grimm dort fagt, ,recht deutfeh, d. h. treuherzig
, ehrlich und gefchickt' gefchriebenen Autobiographie
des merkwürdigen Wallifer Humaniften, fowie
derjenigen feines als Arzt und Kunftfreund nicht weniger
bedeutenden Sohnes die ihnen gebührende literarifche
Verbreitung zu geben. Gleichwohl hätte auch in diefer
fo umfangreich gewordenen Platterliteratur eine Bearbeitung
wie die vorliegende,- welche mit wenigen und
unwefentlichen Auslaffungen den ganzen Text der Boos'-
fchen Ausgabe ,für die Gegenwart übertragen' wiedergiebt,
noch immer ihre gute Stelle, wenn mit der gefchmack-
vollen äufseren Ausftattung, in welcher uns diefelbe hier
Beziehung übereinftimmen, die Ariftidesapologie bilde J geboten wird, auch das gehörige Mafs von Sorgfalt und

die nothwendige Vorausfetzung und Grundlage des I Sachkenntnifs bei der Üebertragung felbft verbunden

Briefes, der Brief fei die Fortentwicklung und Aus
führung des in der Apologie Skizzirten u. f. w. Aber
nun lefe man jenes Fragment, welches in feiner erften
Hälfte fo blafs und dürftig, in feiner zweiten fo kurz
und auffallend ift, vergleiche es mit dem Briefe, und
frage fich, wie es möglich gewefen ift, dafs der Verf.
Fäden, die dünner find als Spinnefäden, für haltbare
Bänder angefehen hat. Und dabei ift noch von der
ganzlich unbezeugten Geftalt beider Stücke völlig abge

wäre, welches in dem ähnlichen Verfuch von Düntzer
in der Spemann'fchen ,Hand- und Hausbibliothek' fich
fo fehr vermiffen läfst. Einen Vorzug gröfserer Correct-
heit wird man ihr nun allerdings gegenüber diefem früheren
Unternehmen nicht abfprechen dürfen, und ebenfo
hat fie vor demfelben, abgefehen davon, dafs dort nur
die Biographie des Vaters bearbeitet ift, auch eine Reihe
von Anmerkungen voraus, welche dem Text theils nach
der fprachlichen, theils nach der gefchichtiiehen Seite hin

fehen. Der Verf. hat feiner Schrift das Motto vorgefetzt: zur Verdeutlichung dienen. Aber auch hier hätte doch
, The unexpecied is so offen the true', Ref. ift aber beim unferem Eindruck nach die Üebertragung fowohl formell
Lefen derfelben das Wort nicht aus dem Sinn gekom- : noch geniefsbarer als auch für das gefchichtliche Ver-
men: ,Mag auch ein Blinder einem Blinden den Weg i ftändnifs fruchtbarer ausfallen können. Der Verf. fagt
weifen? Werden fie nicht alle beide in die Grube fallen?' [ zwar in der Vorrede: ,eigene Specialftudien lagen aufser-
In der That beide Schriftftücke find blind, und der Gang, | halb der Grenzen diefer Uebertragungsarbeit'; aber er
den der Verf. fie gemeinfam antreten läfst, ift ein böfer hat fich diefe Grenzen doch gar zu enge abgefteckt, wenn
Irrweg. Wie leicht hat es fich aber auch der Verf. mit er für die Worterklärung faft allein an den Wortweifer
der Frage nach dem Adreffaten gemacht. Die Schwierig- von Boos, für die Sacherklärung ausfchliefslich an die
keit, die in dem Aiöyrrxt liegt, wenn man es auf einen Anmerkungen der franzöfifchen Ueberfetzung von Fick
Kaifer, fpeciell auf Hadrian bezieht, empfindet der Verf. ; fich hält und von einer felbftändigen Verwerthung auch
gar nicht. Wo ift denn irgend ein Beifpiel für folch' nur der nächften fonftigen Hülfsliteratur, die wenigen im
eine Anrede? Dafs Stelkens es für annehmbar hält, Anhang gegebenen Auszüge aus einigen biographifchen
dafs mit diefem Ausdruck ein Kaifer angeredet worden | unmittelbar auf den jüngeren Platter bezüglichen Schrif-
ift, ift doch kein Beweis, und was der Verf. fonft noch ten abgerechnet, keine Spur zeigt. Wäre eine folche
vom alten und neuen Menfchen in das Wort hineinge- vorhanden gewefen, fo hätte z. B. II. S. 336 Anm. 17
heimnifst, ift erft recht keiner. Aber die ganze Unter- zur Verdeutlichung des in Rede Behenden Spieles die
fuchung läuft eben auf den Rollen der .Möglichkeiten', erklärende Umfchrcibung in A. Burckhardt's Bildern aus
Diefer Mangel an Methode und Kritik wird durch die der Gefchichte von Bafel IV. 1881. S. 6, S. 337 Anm. 29
Gelehrfamkeit nicht erfetzt, über welche der Verf. verfügt, ftatt der Fick'fchen Note die Notiz aus Gaft's Tagebuch
Wir erhalten alle möglichen Auffchlüffe über Hadrian ; zum 6. Juni 1546 (Ausgabe von Buxtorf S. 54) herbei-
und feine Zeit; aber wo diefe Nachweifungen für den gezogen werden muffen. Im Texte felbft find fodann

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