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Ausgabe:

1883

Spalte:

79-80

Autor/Hrsg.:

Ischer, Gfr.

Titel/Untertitel:

Die evangelisch-reformirte Geistlichkeit des Kantons Bern und die Parteiungen ihrer Kirche 1883

Rezensent:

Staehelin, Rudolf

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Seite 1

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79

Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 4.

,80

Briefe und Akten zur Geschichte des 16. Jahrhunderts mit be-

fonderer Rückficht auf Bayerns Fürftenhaus. 3. Bd.
2. Abth.: Beiträge zur Reichsgefchichte 1552. Bearb.
von Aug. von Druffel. München, Rieger, 1882. (S.
337-648. gr. 8.) M. 6. -

Durch diefen Halbband hat Band II des grofsen
Urkundenwerkes aus den J. 1546—1555 in derfelben
Weife feine Ergänzung gefunden, wie Bd. I durch die
erfte Hälfte des 3. Bandes; d. h. es lind hier die in Bd.
II übergangenen umfänglicheren Actenftücke zur
Reichsgefchichte des Jahres 1552 nachgeliefert. Während
jener ftarke Band die kürzeren Correfpondenzen und De-
pefchcn aus dem wichtigen Kriegsjahre, welches den
Niedergang der Macht Kaifer Karl's V. herbeiführte, zur
Mittheilung brachte, fo folgen hier in nur wenig Nummern
die Berichte und Documente von umfänglichen
diplomatifchen Verhandlungen nach, vor allem die Acten
der Verhandlungen zu Linz und zu Paffau. Wir heben

der Bernifchen Geiftlichkeit in ihrer verfaffungsmäfsigen
kirchlichen Stellung für eine folche gröfsere Einigung
gegeben find, indem er dann zweitens nachweift, wie
durch die fich entgegenftehenden Richtungen in der
Geiftlichkeit und in der Gemeinde das Bedürfnifs darnach
nicht nur nicht widerlegt, fondern gerade conltatirt und
motivirt wird, fofern eben diefe Verfchiedenheit die
Forderung einer gegenfeitigen Ergänzung in fich fchliefst,
wie aber dicfe Verfchiedenheit allerdings trennend und
zerfetzend wirken mufs, fobald fie zu einem egoiftifchen
Parteiwefen fich zufpitzt und nicht in einem noch kräftigem
und entfchiedenern Anfchlufs an das kirchliche
Ganze ihr Gegengewicht findet, und indem er endlich
drittens als die gegebenen Mittel zu einer folchen Einigung
eine gröfsere Inanfpruchnahme der Geiftlichkeit als Corporation
für die Arbeiten an Liturgie, Gefangbuch und
Katechismus fowie die Weckung eines lebendigen Solidaritätsgefühls
unter ihren Mitgliedern empfiehlt. Was
alfo der Titel uns zunächft erwarten läfst, eine unmittel-

ferner aus dem Inhalt diefer Abtheilung hervor den j bare Schilderung der Bernifchen Geiftlichkeit und ihrer
leutfehen Text des Vertrages von Chambord — bisher ' Parteiverhältnifse, wird uns in der Schrift nicht eigentlich

war nur der franzöfifche bekannt gewefen — und die
Verhandlungen zwifchen dem Kaifer und dem gefangenen
fächfifchen Kurfürften, die uns zeigen, welch' kühne Hoffnungen
auf Reftitution in feine Kurwürde und in feinen
alten unverkürzten Landbefitz noch einmal für kurze Zeit
den unglücklichen Fürften erfüllten, als der Plan an ihn
herantrat, dafs er mit kaiferlicher Beihülfe eine Coalition
der evangelifchen Fürften gegen Moritz ins Werk fetzen
follte, den dann der Kaifer ächten und aller feiner Würden
berauben wollte. Eine fehr dankenswerthe Beigabe ift
auch eine Ueberficht über die Flugfchriften jenes Jahres,

geboten, wohl aber eine Fülle trefflicher und von eindringender
pfychologifcher Analyfe zeugender Reflexionen
über die diefen Parteiverhältnifsen zu Grunde liegenden
Motive und die damit verbundenen Gefahren, und wenn
auch hie und da ein Satz den Widerfpruch herausfordert,
wie z. B. der Ausdruck: ,demokratifch reformirte Kirche'
(S. 19) oder gar das S. 21 entworfene, ihm entfprechende
kirchliche Zukunftsideal einer ,alle politifchenGeftaltungen
international und unabhängig durchlaufenden kirchlichen
Weltdemokratie mit Repräfentationen und mit einem
ftarken Religions- und Gewiffenspräfidenten an der Spitze',

foweit fie fich auf die politifchen Ereignifse beziehen, mit , fo flnd das Ausnahmen, die dem Werth der Schrift im

ausführlichen Auszügen aus ihnen und Angabe der Biblio- ] Ganzen keinen Eintrag thun und die um fo mehr als

theken, in denen man diefelben finde. Für den Theologen Ausnahmen daftehen, je mehr diefes Ganze von der

haben vor allem Intereffe die Verhandlungen über Be- j Erkenntnifs getragen ift, dafs die für die Kirche erftrebte

feitigung des Interims, über die Nutzlofigkeit des Triden- J Einigung nur durch eine feftere Concentration aller

tiner wie überhaupt jeden Concils, über die Vorfchläge ! Bichtungen auf das ihr zu Grunde hegende Glaubens-

object erreicht werden kann.

Bafel. R. Staehelin.

des Kurfürften Moritz zu Erzielung kirchlichen Briedens,
wie fie in Linz und in Paffau geführt wurden; man vergl.
befonders S. 400 ff. 404. 407. 481. 485. 537. Das fchliefs-

liche Ergebnifs war freilich den Wünfchen und Hoff- Curcj Prieft C M.t Das neue Italien und die alten Zeloten.

nungen der Evangelifchen wenig entfprechend: nur für c. ,. xv . , r-. , , . .

j- n • la v •«. T7_:„ia„ j< • u c j- Studien zum Nutzen der Ordnung der Parteien im

die allernachfte Zeit wurde ,rnedftand' in Bezug auf die 1 6

Religionsfrage erreicht, im Uebrigen mufsten fie der | ftahenifchen Parlament. Autonf. deutfehe Ausg. von
Forderung des Kaifers nachgeben, der dem nächften
Reichstage die Entfcheidung über die kirchlichen.Ver-
hältnifse Deutfchlands übertragen wiffen wollte. — Die
drei bis jetzt zum Abfchlufs gebrachten Bände des Urkundenwerkes
werden nun erft recht ausgiebig benutzt
werden können, da ein umfängliches und mit Sorgfalt

Dr. F. Booch-Arkoffy. 1. u. 2. Bd. Leipzig, Grack-
lauer, 1882. (X, 201 u. III, 249 S. 8.) M. 6. —

Was das Buch in erfter Linie wollte, ift ihm nicht gelungen
: die Theilnahme der Curie an der von Curci geplanten
Action in der Wahlcampagne, um eine Art von

angefertigtes Perfonenregifter diefem Halbbande beigefügt | Centrumspartei in die italienifche Kammer hineinzu

worden ift.

Magdeburg. G. Kawerau.

Ischer, Pfr. Gfr., Die evangelisch-reformirte Geistlichkeit des
Kantons Bern und die Parteiungen ihrer Kirche. Vortrag,
gehalten an der Jahresverfammlung des Kantonal-
Paftoralvereins, den 20. Septbr. 1881 zu Biel. Bern,
Wyfs, 1882. (120 S. gr. 8.) M. 1. 60.

Das Thema, welches dem Verfaffer nach S. 3 für
feinen hier veröffentlichten Vortrag geftellt war, giebt

demfelben eine Begrenzung und eine praktifche Zweck- gehüllt, dafs man nicht zur Klarheit über die nfithan-

bringen, ift verfagt worden, man hat auch diesmal das
,ne elettori, ne eletti!1 — ,weder wählen noch fich wählen
laffen!' — aufrecht erhalten. Zu allen den andern Ver-
befferungsvorfchlägen im Kirchenwefen, welche der Ex-
jefuit hier wieder macht, wird der Lefer fich fehr kühl
verhalten, eingedenk, dafs der Verf., indem er feinerzeit
Jandabiliter se subjeeif, damit darauf verzichtet hat, in
ernften Dingen ernft genommen zu werden. So bleibt
denn nur eine Fülle von perfönlichen Reminiscenzen und
etwa die farkaftifche Schilderung der Hauptwaffe der
,Zeloten', nämlich der Civilta Cattolica als lefenswerther
Beftandtheil übrig — freilich auch jene fo vorfichtig ein-

beftimmung, die beide durch den vorangeftellten Titel
nur unvollkommen angedeutet find. ,Wie kann auf dem
Boden der beftehenden kirchlichen Ordnung eine gröfsere
Einigung der reformirten Geiftlichkeit angebahnt werden
zu gemeinfamer erfolgreicher Arbeit für Erhalten und
Gedeihen der reformirten Landeskirche?' — diefe Frage
war dem Verf. vorgelegt und er beantwortet fie, indem
er erftens die Vorausfetzungen namhaft macht, welche

delnden Perfönlichkeiten kommt. Kurz — der Exjefuit
verdient es wirklich nicht mehr, dafs man feine Elaborate
in's Deutfehe überfetzt. Soll dies aber doch gefchehen,
fo wähle man einen Ueberfetzer, der nicht blofs der
italienifchen Grammatik und des gewöhnlichen Wort-
fchatzes Herr ift, fondern der auch dem Stoffe nicht fo
fremd gegenüberfteht wie Herr B.-A. Dann wird man
nicht »Studien zum Nutzen der Ordnung der Parteien