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Ausgabe:

1883

Spalte:

61-66

Autor/Hrsg.:

Preger, Wilh.

Titel/Untertitel:

Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter 1883

Rezensent:

Möller, Wilhelm

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Theologifche .Literaturzeitung. 1883. Nr. 3.

62

1. Preger, Gymn.-Prof. Dr. Willi., Geschichte der deutschen
Mystik im Mittelalter. Nach den Quellen unterfucht
und dargeftellt. 2. TM.': Aeltere und neuere Myftik
in der erften Hälfte des XIV. Jahrhunderts. Heinrich
Sufo. Leipzig, Dörffling & Franke, 1881. (VI, 468
S. gr. 8.) M. 9. —

2. Strauch, Philipp, Margaretha Ebner und Heinrich von
Nördlingen. Ein Beitrag zur Gefchichte der deutfchen
Myftik. Freiburg i. Br., Mohr 1882. (CVI, 415 S.
gr. 8.) M. 12. —

1. Im erften Bande hatte Pr. die Gefchichte der M. 1
bis auf Meifter Eckhart geführt. Indem er nun in dem ]
erften Buche des lange erwarteten 2. Bandes ,ältere und
neuere Myftik in der erften Hälfte des 14. Jahrhunderts'
zufammenfafst, greift er gewiffermafsen zurück und holt
nach, fofern es lieh bei der älteren M. um Erfcheinungen,
welche von Eckhart's Einflufs noch unberührt find, handelt
. Für diefe ,ältere Schule' kommen in Betracht die
Predigten der Handfchrift von St. Georgen (W. Wackernagel
, Altd. Predigten S. 262 ff. 384 ff.); Pr. fchliefst fich
im Ganzen an Rieger's Aufftellungen, will aber das Jahr
1300 als Entftehungszeit nicht der Abfchrift, fondern
mit Wackernagel des Predigtbuchs felbft angefehen
wiffen. In Betreff des Mönchs von Heilsbronn fetzt heb.
Pr. mit Wagner (d. M. v. H. 1876) auseinander. Für ,die
fechs Namen des Fronleichnams' nimmt er nach der
Münchener Handfchr. Cg. 100 ein deutfehes Original an.
Das Verhältnifs des dem Mönche von Heilsbronn zuzu-
fchreibenden ,Buches der 7 Grade' zu dem Profaftück:
,die heben Staffeln des Gebets' (bei Pfeiffer I, 387 ff.)
erhält dadurch Licht, dafs in dem latein. Text des letzteren
in der Münch. Handfchr. Cod. lat. 9667 frater
David ordin. Min. als Verfaffer genannt ift. Pfeiffer hatte
alfo richtig gefchen, wenn er die Staffeln in die Mitte
des 13. Jahrh. fetzte; der Mönch von Heilsbronn hat fich
an David von Augsburg angefchloffen. Indcffen glaubt
Pr. fein früheres Urtheil (I, 283), die heben Staffeln feien
jünger und gehörten der Zeit an, da die Myftik Eckhart's
bereits ihre Wirkungen zu äufsern begonnen, noch in
fofern aufrecht erhalten zu können, als er wenigftens den
deutfchen Text, den er nunmehr als Ueberfetzung anfleht
, fpäter unter Eckhart'fchem Einflufs entftanden
denkt; wenn aber dafür nichts fchlagendcres angeführt
werden kann, als was Pr. S. 18 geltend macht, fo ift
der Beweis nicht geführt. Denn der angebliche Eck-
hart'fche Gedanke, dafs der mit Gott geeinte Menfch
felbft der heilige Geift fei, beruht lediglich auf dem
Interpunctionsfehler bei Pfeiffer: ivan er selbe der heilige
geist ist, ein got und ein minne, während es heifsen mufs
wem er selbe, der heilige geist, ist ein got und ein minne,
wie der Zufammenhang (Pfeiffer I, 394) ganz unzweideutig
zeigt, der fich ausdrücklich gegen jene Auffaffüng
verwahrt: unde wirt (der Menfch) doch daz got ist unde
wirt doch niht got etc. Einleuchtend aber erfcheinen
Preger's Nachweifungcn, dafs der Mönch in den 6 Namen
des Fronleichnam die ganz auf Bernhard ruhenden Predigten
feines Abts Konrad (Soccus) von Brundelsheim
als Quelle benutzt hat. Unter 2) (Uebergänge) findet mit
anderen Nikolaus von Strafsburg, der Verthcidiger Eckhart
's, als auf dem Boden der älteren Myftik ftehend, aber
. einzelne eckhart'fche Lehren aufnehmend (Anfchauung
vom Seelengrunde, von der oberften Kraft der Seele)
feine Stelle. Für die ,neue Schule' (3) liegt ein fehr
reichhaltiges Material vor. Wir verweifen befonders auf
die Befprechung der Oxforder Handfchrift, welche aus
dem Karthäuferklofter zu Mainz flammt, aber thüring-
ifchen Urfprungs ift; es ift diefelbe, aus welcher Sievers
20 Predigten Eckhart's mitgetheilt hat (Z. f. D. A. N. F.
XV, 373 ff.). Preger fieht in diefer Handfchrift das
Original diefes ,Paradiefes der vernünftigen Seele'. Von
befonderer Wichtigkeit ift ferner die Königsberger Handfchrift
(Pr. S. 91 ff vgl. Jos. Haupt, Sitzungsber. d. Wiener
Akad. Bd. 76, S. 17 ff. und Steffenhagen, Z. f. D. A. XIII,
501 ff). Preger weift, wie mir fcheint, überzeugend nach,
dafs als Herftcller diefer wichtigen Predigtfammlung
Gifeler von Slathcim (Schlotheim), Lefemeifter der Dominikaner
zu Cöln und Erfurt, anzufeilen ift. Die Beziehung
auf andere mit Namen angeführte ,Meifter', welche
die Conventualen, vor denen G. eine Anzahl Predigten
gehalten, ,gehört haben', erklärt Pr. aus dem Domini-
kanercapitel, welches September 1325 in Erfurt ftatt-
fand; er fetzt demnach die betr. Predigten G.'s Pfingften
1326; er mufs aber freilich felbft bemerken, dafs einer
der von G. Angeführten, Heinrich von Vrimar nicht
Dominikaner, fondern Auguftinereremit ift, was die Com-
bination wieder fraglich machen könnte. Indeffen die
Zeit läfst fich ziemlich eng eingrenzen, da der Ausbruch
des PVanziskanerftreits gegen Papft Johann XXII. (1323)
vorausgefetzt, und anderfeits der jüngere Eckhart (f 1337)
noch als lebend angeführt wird. Diefe Predigtfammlung
zufammen mit der Oxforder Handfchrift und dem Heiligenleben
des Hermann von Fritzlar, deffen Zufammenftell-
ung und Bearbeitung im Auftrag des Laien Hermann
Pr. ebenfalls dem Gifeler von Schlotheim glaubt zufchrei-
ben zu muffen (S. 103 f.), öffnen den Blick für die Bedeutung
und reiche Vertretung von Eckhart's Schule in
Thüringen. Zunächft befpricht jedochPr.die oberdeutfehen
Vertreter, unter denen Job., v. Sterngaffen befonders be-
merkenswerth hervortritt. Bei H. von Egwint (S. 123 ff.)
wird auf die Benutzung desf011s vitac A vicebron's hingewie-
fen, der .wahrfcheinlich' identifch mit Ibn Gebirol fei, was
doch wohl feit den vor über einem Menfchenalter von
Münk gegebenen Nachweifungen nicht mehr zweifelhaft
ift. Uebrigens ift nicht fowohl der von Pr. hervorgehobene
Gedanke, dafs auch die Materie aus der göttlichen
Subftanz flammt, als vielmehr der der entfeheidende
bei Ibn Gebirol, dafs auch die geiftigen Dinge im Unter-
fchied von Gott aus Form und Materie beliehen. Bemerkenswerth
dürfte fein, dafs bei Egwint (a. a. O. S.
230) auch das Buch von der erften Sache, ohne
Zweifel, wie der Inhalt der Stelle zeigt, das neben dem
fons vitae fo oft genannte Buch de causis benutzt wird.
Den weitern oberdeutfehen Vertretern (Bruder Kraft, Br.
Arnold der Rothe etc) ift dann noch die Befprechung von
Sprüchen und Liedern S. 137 ff. angefchloffen; bei letzteren
wie bei den S. 53 ff. angeführten Gedichten hätte
Ph. Wackernagel, d. deutfehe Kirchenlied bis Anf. d.
17. Jh. Bd. II, 1865 herangezogen werden follen. Ich ver-
weife auf die verfchiedene Geftalt des Liedes: Ich will
von Blofsheit fingen etc. (S. 139; wie Ph. Wackernagcl a.
a. O. Nr. 450 zeigt, ift bei Pr. S. 58 zu lefen: des will
ich meine Jahr der Welt in Schmachheit (nicht Schwachheit
) flehen). — Unter der Rubrik Niederdeutfchland und
Thüringen wird zuerft von dem jüngeren Eckhart gehandelt
; da der von Preger in den Sitzungsberichten der k.
bair. Akademie, phil.-hift. Klaffe 1871 S. 170 ff. mitge-
theilte Tractat von der wirkenden und möglichen Vernunft
in einer der Handfchriften einem Eckhardus von
Gründig (d. i. nach Pr.=Grün-Dyk oder Grünendeich bei
Stade) zugefchrieben wird, fo identificirt Pr. diefen mit
dem jüngeren Eckhart, der ,ein Niederdeutfcher, auf dem
Provinzialcapitel 1325 zu Erfurt predigte und 1337 als
Definitor der fächfifchen Provinz auf der Rückkehr von
dem Generalconcil zu Valence ftarb (S. 143 ff.). Ohne
Zweifel fpricht dafür manches, wenn auch die S. 146 f.
zur Beftätigung beigebrachten Sachparallelen mehr nur
die Gemeinfamkeit der myftifchen Anfchauungen zeigen,
als fchlagende Berührungen im Ausdruck aufweifen,
j Der von Pr. im Anhang zum erften Male veröffentlichte
intereffante ,Tractat von der Minne' wird von ihm ungefähr
in diefelbe Zeit gefetzt. Thomas v. Aq. wird
darin bereits als Heiliger aufgeführt (alfo nach 1323),.
Preger aber will ihn aus Gründen, die mir nicht recht
1 zwingend erfcheinen, doch noch bei Lebzeiten des älteren.