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Ausgabe:

1883 Nr. 25

Spalte:

585-588

Autor/Hrsg.:

Caspari, C. P.

Titel/Untertitel:

Martin von Bracara‘s Schrift de correctione rusticorum 1883

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 25.

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Bücher umfafste, weife coli. Cap. 1 inet zoirvv i'ßuv n
■ntQL tjja eth^aia O-tnaeßtiao noaxsixai loyoa. Unfere

Martinus — Dumiensis monasterii pontifex) ift alfo nicht
eine Eigentümlichkeit der irofehottifchen Kirche gewefen,
coli, deute aüch felbft noch auf ein zweites', verlorenes j fondern ift auch fonft während einer längeren Epoche
Buch. Wenn es hier Cap. 1 heifst tön^t tuoi xaXwa j nachweisbar, und zwar nicht nur im Occident, fondern
lytiv jiqütov fiisv roba ti~o fß-eooeßeicto ißuöv te xod j ebenfo auch im Orient. Hiernach ift es unrichtig, wenn
Ujutü»« IptTcecai öiSaaxdkova, o'hivea v.ai nö'oi xal xaif Weingar ten (Art. Mönchthum, Realencyklop.2 X. S. 776
via ysybraoi yonvoia, fo fei unfere ganze coh. nur die n. 2) behauptet: ,dafs Aphraates als Bifchof zugleich Abt
Ausführung diefes nqänqv. Diefe Behauptung ift aber eines Klofters gewefen, ift eine kirchengefchichtliche Un-
durchaus nicht richtig; der erfte Theil erreicht mit der möglichkeit. Bifchöfe, die aus Klöftern hervorgingen,
chronologifchen Auseinandcrfetzug Cap. 9—13 fein der ! verliefsen damit zugleich ihr Klofter; gleichzeitig Abt und
Ankündigung völlig entfprechendes Ende. Inhalt des Bifchof, und noch dazu im Anfang des Mönchthums, ift
Folgenden ift der Nachweis, dafs, was an den Lehren unerhört'. (Vgl. gegen ihn auch Zahn, Theophilus S.
der Griechen trefflich ift, Entlehnung aus dem A. T. fei. 1 284 f.) Martin ift fpäter Metropolit von Bracara geworden
Unfere coliortatio ift fo, wie wir fie befitzen, vollftändig; ; und hat der wichtigen 2. Synode dort präfidirt, deren Bebe
könnte daher felbft dann mit der Schrift des Apollinaris fchlüffe wohl auf ihn zurückzuführen und. Geftorben ift
von Hierapolis nicht identifch fein, wenn fie nicht in Wirk- er i. J. 580 im höchften Anfehen. In dem zweiten Capitel
lichkeit bereits die Chronik des Julius Africanus zur 1 handelt Caspari von den Schriften Martin's. Sic erftrecken
Unterlage hätte. 1 fleh auf die Gebiete der Askefe, der Moral, des Kirchen-

Die Vermuthungen Völters haben fleh demnach nicht ! rechts, des Cultus und der chriftlichen Volkspredigt. Auch
als haltbar erwiefen, und die Frage nach der engeren j von ihm giebt es ,Aegyßtiorum Patrum sententiae1, die ja
Begrenzung der Zeit des Schriftchens und nach der Per- vom 5. bis 7. Jahrhundert die hauptfächlichen Erbauungs-
fönlichkeit des Verfaffers bleibt offen wie bisher. Eigen- mittel waren und die Einbürgerung des Mönchthums im
thümliche Berührungen der coliortatio mit Julian haben j Abendland begleitet, ja zu Stande gebracht haben. Einen
meine Aufmerkfamkeit gefeffelt, und ich meine, dafs die i ähnlichen Charakter tragen feine , Vcrba seniorum' die
Berückflchtigung derfelben zu einem beftimmten Refultate ] auch Ueberfetzung refp. Bearbeitung nach einem griechi

führt. Doch ich habe hier nicht neue Hypothefen zu
begründen, fondern nur die des Herrn Völter zu be-
urtheilen.

Halle a. S. K. J. Neumann.

fchen Originale find. Unter den ethifchen Schriften find
die ,/ormulae vitac honestae' die verbreitetften gewefen.
Nichts kann lehrreicher fein für die Erkenntnifs der damaligen
Zeit, als die Vergleiche diefer formulae mit den
Schriften, die das mönchifche Ideal vorftellen. Die for-
Caspari. Prof. Dr. C. P., Martin von Bracara's Schrift de wulae find dem Könige gewidmet und für feine Diener
correctione rusticorum, zum erften Male vollftändig und beftimmt. JJbcllum ideirco tali volui vocabu/o superscribi,
. _. , ... , .. - , , ... . quia non illa ardua et perfecta, quae paucis et peresrrcgiis

m verbeffertem Text hrsg., mit Anmerkungen begleitet dckolis patrantur, instituii, sed Ja magis common«, quat
und mit einer Abhandlung über diefelbe, fowie über 1 et sine scripturarum divinarum praeeeptis, natural)
Martin's Leben und übrige Schriften eingeleitet, i intellig entiae lege etiam a laicis recte honestcque
Hrsg. von der Gefellfchaft der Wiffenfchaften zu viventibus valeant adimplerr. Alfo den Laien wird

f-u 'rt-,, ■„ (^l, ■/!■„• rIll. ,„ lSo- /('yy; ausdrücklich nur eine natürliche Moral zugemuthet; fie

Cnnitiania. Cnnitiania, Uybwact , 1003. Laav, , jr_, j "f _ . ,. ö „ „. 'XT

werden aufscrhalb der praeeepta Script, div. geftellt. Nun

follen fie aber doch Chriften fein. Wenn fie Chriflen

find, ohne als Chriften zu leben, fo hängt ihr chriftlicher

44 S. gr. 80 M. 4.
Einer fo gründlichen Unterfuchung wie der vorliegen

den dürfen fich zur Zeit nur Wenige der Patres rühmen, i Charakter lediglich an dem Antheil, den fie an den
In dem erften Capitel giebt Caspari über die Perfon und ; Sacramenten haben. Man wird wenige Stellen nach-
die Lebensumftände Martin's von Bracara erfchöpfend , weifen können, wo fo klar im Alterthum gefagt ift, dafs
Auskunft. Der Verf. nennt ihn ,einen der bedeutendften, ; die Moral, welche man den Laien zugefteht und zumuthet,
einflufsreichften und merkwürdigften Männer der abend- j keine chriftliche ift, wie hier. Ganz confequent handelt
ländifchen Kirche — aus der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts', daher auch Martin in dem Büchlein zuerft von den vier
Dafs die epitheta ornantia mit der Zeitbeftimmung auf's { platonifchen Cardinaltugenden (c. I—4), denn in den 4
engfte zufammengehören, wird nicht wenigen Lefern des ; Schlufscapiteln (5 — 8) von dem nothwendigen Mafs-
Buches ein Troft fein und ihnen über die Befchämung | halten in diefen Tugenden (,de mensura et modera-
hinweghelfen, welche jene Prädicate ihnen bereiten mögen, tione prudentiae1 ,de moileranda fortitudine1 ,dc modo tetn-
Wie lehrreich ift bereits die äufsere Lcbensgefchichte des perautiae' ,Qitaliter sit moderanda iustitia'). Dies ift Alles
Mannes! Noch gab es trotz der germanifchen Reiche | in der Weife Seneca's abgehandelt, nur etwas flacher,
einen orbis Romanus. Der Sohn Pannoniens wandert erft j und fo hat diefer Tractat denn auch bis tief in das
in den Orient bis Paläftina, erwirbt fich die Kenntnifs , Mittelalter hinein für eine Schrift Seneca's gegolten und
der griechifchen Sprache und begiebt fich dann — in's ; ift als folchc vielfach abgefchrieben worden. Es ift höchft
Suevenreich nach Galläcien. Dort hatte die Bekehrung erfreulich, hier einmal klar zu fehen, wie einfach fich der
des Suevenvolkes zum Katholicismus foeben begonnen, i Compromifs des Mönchthums und der Kirche mit der
Martin follte fie vollenden. Zunächft tritt er als Klofter- Antike geftaltet hat: der Laie darf als tugendhafter Heide
ftifter auf. Er wirkte als Abt und als Presbyter für j leben, wenn er glaubt, was die Kirche glaubt und ihre
den Katholicismus (f. die Auffchrift eines Briefes: Domino Sacramente gebraucht; als Chrift lebt nur. wer in Weife
venerabili patri Martino presbyte ro et abbati Pascha- der ägyptifchen Väter fich abtödtet; die Wenigen, die

rius). Darauf wird noch unter Chararich fein Klofter
Dumio zum Bisthum erhoben. Martin wird Bifchof und
bleibt Abt. Diefe Thatfache ift von nicht geringer Bedeutung
. Dumio lag ganz in der Nähe von Bracara; ein

das thun, find die ,peregrcgii deicoli'. Die Schrift ,de ira'
ift ein Auszug aus Seneca's gleichnamiger Schrift; aber
die drei übrigen, in fich zufammengehörigen, moralifchen
Tractate liegen wiederum auf dem Gebiete der chrift-

Bedürfnifs, dort ein Bisthum zu errichten, war nicht vor- liehen Ethik. Sie handeln von der iactantia. superbia und
handen, wie auch die fpätere Gefchichte des Bisthums | humilitas. tHumilitasi ift aber, wie Caspari hervorhebt,
zeigt. Alfo war die Erhebung von Dumio zum Bisthum j erftauf chriftlichem BodenBezeichnungeinerTugendgewor-
eine Ehrenbezeugung, die Martin gefpendet wurde, zu- den. Es ift die Demuth, freilich im Sinne der niedrigen
gleich eine Anerkennung feiner bisherigen Wirkfamkeit, ; Selbftfchätzung. Den Uber de moribus hält auch Caspari
der man fo weiteren Vorfchub leiften wollte. Die Er- ; für unecht. Von einigen Intereffe find noch die Jcapi-
richtung von Klofterbisthümern {Isidor de vir. inl. 22: tula Martini1 — eine Bearbeitung der griechifchen Ca-