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Ausgabe:

1883 Nr. 22

Spalte:

514-516

Autor/Hrsg.:

Jansen, Karl

Titel/Untertitel:

Alexander am Reichstage zu Worms 1521 1883

Rezensent:

Brieger, Theodor

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Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 22.

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Mittheilungen' verdankt. Wer die Forfchung der letzten
Jahre mit einiger Aufmerkfamkeit verfolgt hat, kann
crmeffen, an wie vielen Stellen fich K. fo zu kleinen
Zufätzen beziehungsweife Aenderungen veranlafst gefehen
hat. Aus Vielem nur Einiges herausgreifend, worauf fich
gerade feine Aufmerkfamkeit gerichtet hat, will Ref. nur
Folgendes namhaft machen: Luther's Familie (I, 20),
feine Mutter (23), angebliche Berührung mit Proles und
W. Linck in Magdeb. (35), Klofternoviciat und Nichtgebrauch
des Kloflernamens (62), Nathin und Paltz (68),
Friedrich's des W. kirchliche Frömmigkeit (93), Ver-
anlaffung der Romreife (100), amtliche Stellung zu Lange
(109), das pracceptorium (in), L. als Diftrictsvicar (130),
Datirung der Predigt für den Propft zu Leitzkau auf 1512
(A. I zu 148) und der Kirchweihpredigt auf 1516 (151
A. 1), über die Schrift de Iiis qni ad eccles. conf. (152 A. 1),
Aufenthalt in Heidelberg (186 f.), über den Druck der
Asterisci (202 f.), Datirung des Briefes opp. var. arg. II,
351 (209), zum Wormfer Reichstag (424), zu Fr. Lambert
(661), zu Agricola (II, 34), Gerbel's Einflufs (85), zum
Marburger Gefpräch (130 ff.), Abfaffungszeit von Ein
fefte Burg (182), zum Augsb. Reichstag (198), zum Nürnberger
Beichtftreit (286), zum Liede: Vom Himmel hoch
(307 A. 2), zum Wittenberger Convent (345 A. 3), die Schrift
cur et quomodo Christian, concil. etc. (407 A. 1), Luther's
L'rtheil über feine Predigten über Jon. 14 u. 15 (437 A. 1),
das Namcnbüchlein (445), zum Handel mit Cordatus (457).
Zuletzt ein paar Bemerkungen. Köftlin hält im Text

I, 51 zwar die in der 1. Aufl. geäufserte Anficht betr.
Wefel's Schriften, mit denen er zu Erfurt die hohe
Schule regiert, feft, äufsert fich aber zu S. 43 A. 1 ent-
fprechend den bereits von Pütt zögernd vorgebrachten,
von Kolde neuerlich (Theol.Lit.-Z. 1882,614) entfchicdener
geltend gemachten Bedenken zweifelhaft, ob Luther's
Erinnerung in der bekannten Aeufserung aus dem Jahre
1539 nicht gar irre gehe. Dem gegenüber möchte ich
doch meinen früheren Einwand (Theol. Lit.-Z. 1876, 245)
erneuern. Es fällt doch aufserordentlich fchwer, bei
diefer ganz beftimmton Angabe Luther's, dafs er felbft
aus jenen Büchern Wefel's Magifter geworden, an einen
Irrthum zu glauben, zumal doch auch Jacob Wimpfcling's
Zeugnifs, auf welches Flacius (ich beruft: Wcsaliam do-
cendo et scribendo non parum scholam Erpli. iltiistrassc
auf eine bleibende Bedeutung folcher Schriften für Erfurt
bin weift) und in diefem Zufammenhang des Pdacius Bemerkung
in's Gewicht fällt: Audio lirpliordiae eins scripta
a'dliuc inveniri posse [Catal. fest, verit. ed. Lugd. 1597. 4

II, 885). Das Schweigen Trutvetter's kann befondere
Gründe haben. — Zur Literatur der Romreife vermiffe ich
Knaake, in d. Allg. ev.-luth. K.-Z. 1879 Nr. 16. — Meines
Erachtens mit Recht hält K. I, 233 A. 1 an der Echtheit
des päpftl. Breve's von 1518 feft; ich hätte aber
Waltz (Zeitfchr. f. KG. II, 623f.) berückfichtigt gewünfeht,
gegen deffen Argumente fich, auch abgefehen von dem
von Kolde, Auguft. 411 f. Bemerkten, wie ich glaube,
gegründete Einwendungen machen laffen. — Zu I, 686
(U. Za(ius) verweife ich noch auf den von Horawitz
(Sitzungsberichte der Wiener Akad. 93. Bd. [1879] S. 457)
veröffentlichten Brief von Zafius an Joh. Faber vom
22. Oct. 1520, welcher ausdrücklich Bezug nimmt auf
den Brief an Luther, und diefem zur charakteriftifchen
Beleuchtung dient und zugleich, wenn es deffen überhaupt
noch bedürfte, zurBcIlätigunghinfichtlich der früher
von römifcher Seite angefochtenen Echtheit. — Zu II,
437 A. 2 vermiffe ich hinlichtlich der ,21 Predigten' eine
Bezugnahme auf die durch mich (Theol. Lit.-Z. 1881, 376)
veranlafstcn Mittheilungen Kawerau's (Zeitfchr. f. KG. V,
499 ff.), wonach diefc Predigten wenigftens nicht mehr
als folche, welche Luther im Jahre 1537 gehalten habe,
bezeichnet werden durften. — Endlich geflatte ich mir
noch auf Gciger's, wie es fcheint von K. überfehene, Besprechung
des 7. Bandes der opp. var. arg. in den Gott.
Gel. Anzeigen 1874 Stück 4 hinzuweifen, woraus namentlich

zu I, 678 über Luther's Schrift adv. armatum vinim
Cocleum etwas zu entnehmen war.

Kiel. W. Möller.

Jansen, Prof. Dr. Karl, Aleander am Reichstage zu Worms

1521. Auf Grundlage des berichtigten Friedrichfchen
Textes feiner Briefe zur 4. Säcularfeier von Luthers
Geburt dargeftellt. Kiel, Lipfius fx Tifcher, 1883.
(72 S. gr. 4.) M. 3. 60.

Wer fich jemals mit den im J. 1870 von Joh.
Friedrich (Abhandl. der hiftor. Gl. der Kgl. Bayer.
Akad. der Wiff. XI, 3. Abth.) aus einer Trienter Hand-
I fchrift veröffentlichtenDepefchen Aleander's ausWorms
152021 befchäftigt hat, der weifs, wie fehr der Text
derfelben durch Lefe-, Schreib- und Druckfehler ent-
ftellt ift; und gewifs hat diefe unglaublich fchlechte
Befchaffenheit des Textes — neben dem faft noch grösseren
Uebelftande der mangelhaften Datirung — nicht
wenig dazu beigetragen, dafs diefe Quelle nicht eine fo
ausgiebige Verwerthung gefunden hat, wie ihre hohe
Bedeutung fie erforderte. Janfen hat fich nun dadurch,
dafs es ihm verfagt blieb, feiner Abficht gemäfs die
•Vorlage FYiedrich's zu vergleichen, nicht abhalten laffen,
den Depefchen ein eindringendes Studium zu widmen,
und es ift ihm gelungen, fie um Vieles geniefsbarer zu
machen. Er verfügt über eine gute Sprachkenntnifs,
welche freilich gerade für die Sprachepoche, welcher
die Depefchen angehören, nicht ganz hinreicht. Wer fich
— namentlich durch die Leetüre zahlreicher üriginal-
briefe — eine gröfsere Vertrautheit mit der Brieffprache
der erften Hälfte des 16. Jahrhunderts erworben hat,
der wird nicht mit Janfen auf Grund der Eigenthüm-
lichkeiten, wie fie S. 6 zufammengeftellt find, auf die
Vermuthung verfallen, ,dafs der Zuftand des Textes . . .
fich aus der mangelhaften Sprachkunde eines Ausländers'
erkläre, ,der vielleicht Italienifch in Rom und Florenz
auf der Strafse gelernt hatte'. Denn faft alle diefe
Eigenthümlichkeitcn findet man auf Schritt und Tritt
in den eigenhändigen Niederfchriften von Cardinälen,
Nuntien, Oratorcn jener Zeit; und ich wollte mich an-
heifchig machen, fie faft fämmtlich in den von Aleander
eigenhändig unterzeichneten Depefchen der Jahre 1538
und 1539, welche mir vorgelegen haben, nachzuweifen.
So ift es z. B. unnöthig, ammazzarse in ammazsarci
(Fricdr. S. 130, ähnlich S. 97 u. 134) zu ändern; denn
se für ci (uns) fchreiben z. B. die Venetianifchen Ora-
toren noch in den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts.
Ebenfo geläufig war damals die Auslaffung des Rela-
tivums che in Sätzen wie quello [che] havevamo trattato,
welches J. regelmäfsig glaubt ergänzen zu müflen (bei
; Fr. S. 92. 93. 136. 141); desgleichen bedarf es nicht der
i Verwandlung von aeeib in accioche (bei Fr. S. 113). Doch
diefe und einige andere überflüffige Aenderungen be-
j einträchtigen den Werth der eindringenden Arbeit Janfen's
j nicht. Auch ohne dafs man die Handfchriften cinfieht,
j mufs man urtheilen, dafs bei weitem die meiften feiner
fcharffinnigen Conjecturen zutreffend find, ja, dafs man
! hie und da glänzenden Proben des Scharffinnes begegnet.
Und diefes Urtheil wird durch die Verglcichung der
Trienter Handfchrift vollauf beftätigt: von den etwa 200
Correcturen Janfen's hat, wovon ich mich in Trient
überzeugen konnte, ungefähr der vierte Theil die von
Fliedrich verderbte Lesart feiner Vorlage wiederherge-
■ ftellt — und vielleicht noch ein zweites und drittes Viertel
I würde durch vollftändigc Collationirung einer gleich-
j zeitigen Abfchrift der Depefchen im Vaticanifchen Archiv
| als durchaus gelungen fich erweifen, fo dafs diefe auf
den Text Friedrich's verwandte Arbeit dem Verf. alle
Ehre macht, wiewohl es auch nicht an Verbefferungs-
vorfchlägen fehlt, welche fei es durch den Cod. Tridcnt.
j oder den Cod. Vatic. fich als verfehlt ausweifen, fei es