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Ausgabe:

1883

Spalte:

505-507

Autor/Hrsg.:

Guthe, Hermann

Titel/Untertitel:

Fragmente einer Lederhandschrift, enthaltend Mose‘s letzte Rede 1883

Rezensent:

Kautzsch, Emil

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack und D. E. SchÜrer, Profif. zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 22. 3- November 1883. 8. Jahrgang.

Gut he, Fragmente einer Lederhandfchrift
(Kautzfeh).

The Mishnah, on which the Palestinian Talmud

rests, edited by Lowe (Schürer).
Keppler, Das Johannes-Evangelium (Holtz-
mann).

Hall, The Greek New Testament as published

in America (Schürer).
Köftlin, Martin Luther. 2. Aufl. (Möller).
Janfen, Aleander in Worms (Iirieger).
Baffermann, Die Bedeutung des Liberalismus

in der evangel. Kirche (Gottfchick).

Runze, Grundrifs der evang. Glaubens- u. Sittenlehre
. I. Th. (Herrmann).

Thikötter, Darfteilung u.Beurtheilung d.Theologie
Ritfchl's (Bilringer).

Hildebrandt, Wie find Leichenreden einzurichten
? (Diegel).

Guthe, Privatdoc. Lic. Hermann, Fragmente einer Lederhandschrift
, enthaltend Mofe's letzte Rede an die
Kinder Ifrael, mitgetheilt und geprüft. Mit einer auto-
graphirten Tafel. Leipzig, Breitkopf 6k Härtel, 1883.
(IV, 94 S. gr. 8.) M. 2. —

Seit etwa Ende Juli fchwirrten in akademifchen
Kreifen allerlei Gerüchte umher von einer Handfchrift
mit uralten Charakteren, gefunden in einer Höhle Moab's,
von dem Jerufalemer Buchhändler Schapira für zwei
Millionen Mark zum Verkauf angeboten, und — was das
allerintereffantefte war — die ,elohiftifche' Urgeftalt des

Deuteronoms enthaltend! Mochte auch die Zufammenftell- 1 phaltharz aus der Abficht erklärt, das Leder gefchmeidiger

der Mitte der 60er Jahre. (Hier wird nun allerdings die
Lüge offenbar, denn der Mefaftein, von dem die Handfchrift
durchaus abhängig ift, war damals noch unbekannt.)
Intereffant ift dabei nur die .Vermuthung' Schapira's, dafs
die fragliche Höhle identifch fei mit derjenigen, welche
er feiner Zeit mit Dr. Almkvift nach moabitifchen Töpfen
unterfuchte und in welcher er u. a. auch Mumienrefte
[wie folche zur Erklärung der Leinwandftückchen auf dem
Rücken der Lederftreifen wünfehenswerth find) gefunden
habe. Der Gedanke an die Erhaltung der Handfchrift
innerhalb von Mumienbinden wird von Guthe als unftatt-
haft abgewiefen, die Beftreichung der Rückfeiten mit Äsung
,Moab — Höhle — Schapira' eigenthümliche Ideen-
affociationen wach rufen, fo war man doch andererfeits frap-
pirt durch die Mittheilung, dafs ein Gelehrter, wie Conful
Schröder in Beirut, die fraglichen Lederftreifen für echt
erklärt hatte; mindeftens mufsten fie doch alfo etwas

zu machen. S. 22—63 wird fodann der kanonifche Text
der betreffenden Abfchnitte des Deuteronoms und der ent-
fprechende Text der Lederftreifen mitgetheilt, nach einer
Copie Guthe's und E. Meyer's, welche ca. zwei Drittel
des gefammten Textes (der übrigens in dnplo vorliegt!)

fehr verführerifches haben. Durch das vorliegende Schrift- j umfpannt. Zu beiden Texten ift je auf der rechten
chen Guthe's ift nun das Dunkel, foweit es überhaupt , Seite auch eine deutfehe Ueberfetzung beigefügt, wobei
möglich war, gelichtet und — wie fchon das Vorwort ! fich nur empfohlen hätte, nicht das Uebereinftimmende

ankündigt — der Erweis der Fälfchung in völlig über
zeugender Weife geführt. Wenn fich fchon bei oberflächlicher
Prüfung der Sachlage die allerftärkften Bedenken
gegen die Echtheit erheben mufsten, fo könnte
man vollends im Angefleht der vernichtenden Beweisführung
Guthe's meinen, derfelbe habe dem Dinge durch
folche eingehende Behandlung zu viel Ehre angethan.
Referent mufs jedoch bekennen, dafs er jetzt nach dem
Durchkfen des Schriftchens anderer Meinung geworden
ift. Mit vollem Recht bemerkt Guthe im Vorwort: ,Die
geeignetefte Waffe gegen folche Betrügereien ift doch,
ihre Art und ihre Mittel der Täufchung bekannt zu
machen, um die Enthüllung neuer Fälfchungen nach
Möglichkeit zu erleichtern'. Diefen Theil feiner Aufgabe
hat Guthe mit mufterhafter Sorgfalt gelöft. Auch dafs
fich im Eingang hie und da faft noch ein Schwanken zu
Gunften der Echtheit verräth, hat der Unterfuchung
keineswegs gefchadet. Die wahrhaft wiffenfehaftliche
Skepfis zeigt fich auch darin, dafs fie fich gelegentlich
gegen fich felbft kehrt. Sie behält fo lange als möglich
im Auge, dafs wir uns auch mit den ftärkftcn paläo-
graphifchen und textkritifchen Wundern abfinden müfsten,
wenn fonft die Echtheit durch äufsere Gründe zweifellos
beglaubigt werden könnte.

Da die betreffenden Lederftreifen nach dem Erweis
der Fälfchung nur noch den Werth eines Curiofums
haben, fo dürfen wir uns über die Einzelheiten der Beweisführung
Guthe's kurz faffen. Derfelbe befchreibt
zuerft das Aeufsere der 16 Lederftreifen, deren Länge

im kanonifchen Text, fondern das Abweichende in der
Handfchrift hervorzuheben. Der Text der letzteren ift
vielfach ein Auszug aus dem kanonifchen, aber nicht
ohne mancherlei eigenthümliche Varianten, Zuthaten und
Veränderungen der Reihenfolge. So enthält der Dekalog
als zehntes Gebot: ,Du follft deinen Bruder nicht haften
in deinem Herzen'. Von 11, 29 wird gefchickt auf 27, 13
übergefprungen; den Fluchformeln (27, 15 ff.) find in der
Handfchrift entfprechendc Segensformeln vorausgefchickt.
S. 63 f. erörtert Guthe das Räthfel der Paralleltexte,
welche nicht etwa als Concept und Reinfchrift aufgefafst
werden könnten, fodann weiter das Paläographifche,
wobei allerdings Referent kein Bedenken trägt, nicht 7,
fondern kurzweg 19 Formen für Mefatypus zu erklären;
eine wirkliche Differenz zeigen nur T und D, letzteres in
einem Mafse, dafs Ref. fchon aus diefem einzigen Grunde
zur Verwerfung der Echtheit geneigt war; recht hübfeh
erfunden ift tJ. — S. 68 ff. giebt Guthe fodann Bemerkungen
zu dem Text und hier find vor allem die aus der
Orthographie entnommenen Belaftungsgründe durch-
fchlagend. Der Fälfcher verftand bei aller fonftigen
Geriebenheit doch zu wenig von der Sache, um nicht
dem groben Irrthum zu verfallen, dafs die möglichfte
Vermeidung der fogen. Fulcra Kennzeichen hohen Alters
fei. So fchrieb er auch die urfprünglichen Diphthonge
regelmäfsig ohne Fulcra (fogar ro und fibb, Haus und
Nacht!), dagegen thörichter Weife ms, CK u. dergl., wahr-
fcheinlich zum Behuf der vermeintlichen Differenzirung
von fix und flttt Treffend weift dabei Guthe die Ab-

zwifchen 15 und 90 Cm. variirt, giebt dann den Bericht j hängigkeit vom Mefaftein und gewiffe falfche Analogie-
Schapira's über den Ankauf durch Vermittelung eines j bildungen nach, zu denen fich der Fälfcher durch Mefa
feitdem verfchwundenen Beduinen im Auguft 1878 und verführen liefs. Aehnlich ift das Ergebnifs der Unter-
das Märchen der Auffindung durch flüchtige Beduinen in i fuchung des Sprachfchatzes und Sprachgebrauchs (S. 80 ff.)

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