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Ausgabe:

1883 Nr. 20

Spalte:

470-472

Autor/Hrsg.:

Schütze, Fr. W.

Titel/Untertitel:

Schulkatechismus 1883

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 20

470

Freilich, wenn wir das fein wollen, eine Stimme des
Wortes, das durch uns redet, dann mufs uns das Wort J
zuerft felbft durch Leib und Seele gegangen fein mit ,
feinem ganzen Ernft und feinem ganzen Troft, damit es j
dann wieder von uns ausgehen könne'. Gewifs höchft
beherzigenswerthe Worte für zukünftige Prediger in einer
Zeit, wo man auf allen Gebieten, auch auf dem homi-
letifchen, viele Künfte fucht und damit zugleich von dem
Geheimnifs der wahren Kunft, die mit klaffifcher, geift-
gewirkter Einfalt Eins ift, immer mehr abkommt! Die
Predigten des Verf.'s find der Commentar zu feinen
Worten; er felbft ift den jungen Theologen ein Vorbild j
für das, was er von dem Homileten fordert. Das ift die
Kunft des Verf.'s, des Meifters in der Beherrfchung der
Form, dafs man bei feinen Predigten das Gefühl der j
Kunft'nicht hat; die Form ift den Gedanken unterthan, j
die aus der Tiefe der Schrift, wie aus der Tiefe der 1
chriftlichcn Erfahrung gefchöpft find; die grofsen Heils- j
thaten Gottes in Chrifto und die fich daran knüpfenden
ethifchen Confequenzen treten unverkennbar mit jeder
neuen Predigtfammlung des Verf.'s immer nackter und
ungefchminkter hervor, und dazu kommt ein naturgemäfs
mit den wachfenden Jahren, unter eigenem Kreuz und
unter der Theilnahme an fremdem Leid, dem perfön-
lichen, wie dem allgemeinen der Zeit und des Volkes,
zunehmender Ton väterlicher, herzandringender Innigkeit
und Wärme.

Die Predigten find theils über evangelifche, theils
über epiftolifche Perikopen gehalten; zwei darunter bei
aufserordentlicher Gelegenheit, eine über Act. 2, 42 im
Schlufsgottesdienft der letzten fächfifchen Landesfynode,
eine andere über Matth. 5, 13 beim Convent des Dom-
capitels zu Meilsen. Den Befchlufs macht eine intereffante
Zugabe: eine vom Verf. vor langen Jahren, im J. 1856,
am Charfreitag in Marburg gehaltene Abfchiedspredigt,
die fchon ganz charaktcriftifch das Gepräge der Luthardt'-
fchen Predigtweife trägt, infofern das Mufter einer Abfchiedspredigt
, als in derfelben vor den grofsen Char-
frcitagsgedanken alles Perfönliche zurücktritt und des
Abfchieds nur am Schlufs mit wenigen fchlichten Worten
gedacht wird.

Dresden. Meier.

Monrad, Bifchof Dr. D. G., Festklänge. Aus dem Dänifchen
von A. Michel fem Gotha, F. A. Perthes, 1883. (III,
195 S. 8.) M. 2. 40.

Monrad ift ein bekannter Name in Deutfchland; fein
vortreffliches, in grofsem Stile gehaltenes und für die
Bedürfnifse der modernen Welt berechnetes Erbauungsbuch
: ,Aus der Welt des Gebetes' hat mit Recht in den
weiteften chriftlichen Kreifen Deutfchlands dankbare Aufnahme
gefunden. Viele werden darum auch diefe ,Feft-
klänge', fünfzehn an den Hauptfefttagen, darunter auch je
eine am Schluffe des Kirchenjahres, und am Bufs- und
Bettage, zumeift über die alten evangelifchen Perikopen
gehaltene Predigten, mit Freuden begrüfsen. Nach dem
ftrengen Mafsftab homiletifcher Kunftregel darf man fie
freilich nicht meffen. Schulgerechte Dispofitionen bietet
der Verf. nicht; er befchränkt fich darauf, den Grundgedanken
oder auch nur den Grundton der Predigt in
einem mehr eine Ueberfchrift bildenden Thema ohne
Theile anzudeuten; auch geht der Verf. nicht darauf aus,
den Text nach feinem ganzen Inhalt zu erfchöpfen; er
greift vielmehr einzelne Seiten desfelben heraus, wenn
auch immer folche, die mit dem Ganzen des Textes
zufammenhängen, oder doch die Grundftimmung desfelben
wiedergeben, und verfolgt fie in freier Meditation. — Aber
gerade diefe freie, geniale und doch keineswegs willkürliche
Art, mit welcher der Verf. in feiner, finniger Betrachtung
an den Text anknüpft, und an feiner Hand
eine Pulle tiefer, weiter Blicke in die heilige Schrift und
in das innere Leben des Einzelnen, wie in das Leben

der Welt und in den grofsen Gang der Gefchichte er-
fchliefst, giebt diefen Predigten einen befonderen Reiz
und macht fie für unfere deutfehe, noch vielfach
von einem erdrückenden homiletifchen Formalismus be-
herrfchte Predigtweife fehr lehrreich. Dazu kommt,
dafs über diefe Predigten ein Duft tief-poetifcher, weihevoller
Feftftimmung, eine Weihe des Gebetsgeiftes ausgebreitet
ift, und dafs der Verf. die Gabe befitzt, in
cbenfo tröftlicher, als gewiffenfehärfender Weife an den
einzelnen Chriften echt feelforgerlich fich zu wenden.

Wie Monrad, ein Meifter fchöner Darfteilung, die
Sprache zu beherrfchen verfteht, ift aus dem oben erwähnten
Buche bekannt. Man kann dem Ueberfetzer,
der das Original fo trefflich wiedergegeben, nur für die
Vermittlung diefer hervorragenden Predigtgabe dankbar
fein.

Dresden. Meier.

Schütze, Schuir. Sem.-Dir. Dr. Fr. W., Schulkatechismus.

Dr. Martin Luthers kleiner Katechismus, unter Mitwirkung
des Konfift.-R. Superint. Dr. Otto und des
weil. Oberpfr. Dr. Clofter für die evangelifche Volks-
fchule in Frage und Antwort bearb. und hrsg. 2.,
verb. Aufl. Leipzig, Teubner, 1883. (IV, 180 S.)
M. —. 65.

Die hohe Bedeutung, welche ein Schulkatechismus für
das geiftlicheLeben unferesevangelifchenVolkes hat.fowie
die Namen der in den Gebieten der praktifchen Theologie
und der Pädagogik mit Recht als Auctoritäten angefehe-
nen Verfaffer mögen ein eingehenderes Referat rechtfertigen
, als dem theologifchen Werthe des Büchleins
zukommt. In einem beigegebenen ,zweiten Plugblatte'
fpricht Dr. Schütze die Bitte um genaue Recenfion aus.
Der Wunfeh dagegen, nach logifchen Gefichtspunkten
I die Bedenken zufammenzuftellen, ift um der bunten
J Mannigfaltigkeit diefer Bedenken willen nicht zu erfüllen.

Der ,Schulkatechismus' giebt im I. Theile S. I — 18
1 den kleinen Katechismus Luthers, im II. Theile S. 19—180
| eine Auslegung desfelben.

Eine Einleitung orientirt in 13 Fragen über den
Heilsweg und über den Zweck des Katechismus. Unter
den Belegftellen zu S. 20, 3: ,Was ift das ewige Leben?'
J hat Referent Joh. 17, 3 ungern vermifst, und wohl nur
. als ein Verfehen ift es zu beurtheilen, dafs der kleine
j Katechismus Luthers als das Lehrbüchlein der (ganzen?)
,evangelifchen' Kirche angegeben wird; ebenfo S. 22, 13.
Das erfte Hauptftück wird S. 23—67 in 179 Fragen
j behandelt. Bei voller Anerkennung der Schwierigkeit
j gerade diefes Lehrftückes ift die Forderung wohl nicht zu
I grofs, dafs in einem .evangelifchen' Katechismus das
alte Wort nicht vergeffen werde: Chi nihil de Christo
i docetur, ibi ncque ulltts est Spir. S.tiis, neque ccclcsia. Hier
ift es vergeffen. Von Chrifto, dem einigen Offenbarer
I des vollkommenen Gotteswillens und dem einigen Er-
I füller desfelben, wird in dem ganzen Abfchnitt kein Wort
1 gefagt; nicht einmal wird Luc. 2, 51 beim 4. Gebot erwähnt
; wir zweifeln nicht, dafs eine Judenfchule diefen
Abfchnitt ohne weiteres aeeeptiren könnte. Und wenn
I derfelbe mit dem Gedanken Ichliefst: das Gefetz können
wir nicht halten, wir follen es auch nicht, wir follen nur
erkennen, dafs wir es nicht können, um auf dem Wege
des Glaubens an Chriftum das zu erlangen, was wir auf
: dem Wege des Gefetzes erlangen follten, aber nicht
können, — fo wird Chriftus und fein Heil als ein Surrogat
des Gefetzes hingeftellt. — Im Einzelnen ift folgendes
zu bemerken:

S. 23, 4 hat Gott in den 10 Geboten für alle
Zeiten feftgefetzt, was wir thun und laffen follen.
Luther's Anficht ift das nicht, vgl. .Wider die himm-
lifchen Propheten'. Erl. Ausg. 29, 134 ff. — S. 24, 10
wird die falfche Ueberfetzung von Jehovah durch ,der