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Ausgabe:

1883 Nr. 19

Spalte:

446-447

Autor/Hrsg.:

Frommel, Max

Titel/Untertitel:

Herzpostille 1883

Rezensent:

Meyer, Ernst Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 19.

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kräften ruht, und in die Einheit mit dem unvergänglichen
Gott einführt. 1 Cor. 15, 24—28 aber macht die Annahme
einer endlichen Vernichtung der Hölle nothwendig,
da diefe mit einem Zuftand, wo nach Vernichtung des
Todes Gott alles in allem fein wird, unvereinbar ift.

Breslau. L. Lemme.

Der Brief Jakobi. Praktifch erläutert und angewendet für
das gegenwärtige Bedürfnis der Gemeinde. Hrsg. vom
Evangelifchen Bücher-Verein. Berlin, Wiegandt &
Grieben in Comm., 1883. (IV, 80 S. gr. 8.) M. -. 40.

Der Evangelifche Bücherverein zu Berlin beabfich-
tigt eine billige, für unfer Volk berechnete, in einzelnen
Heften erfcheinende Erklärung der Bibel herauszugeben.
Davon find fchon erfchienen und bei Hofprediger Stöcker
zu haben: Obadja, 12 S. 3 Pf., Philemon, 24 S. 5 Pf.
Jonas ift in Bearbeitung begriffen. Andere Schriften
follen unmittelbar folgen, wenn das Unternehmen einen
guten Fortgang hat. Auch die vorliegende Erklärung
des Jakobus-Briefes gehört zu demfelben. Wir finden
darin nicht eine populäre Erklärung im gewöhnlichen
Sinne des Wortes, wie etwa in Lisco's N. T. und anderen
Schriften diefer Art, fondern erbauliche Betrachtungen
über den Inhalt der einzelnen Abfchnitte mit befonderer
Anwendung auf die Erfcheinungen der Gegenwart. Es
find deren 18. Der erfte über V. I mit der Ueber-
fchrift: ,Aus dem Leben für das Leben' fpricht fich über
den Verf., über die Veranlaffung zur Abfaffung des Briefes
u. f. w. aus; Jakobus der leibliche Bruder des Herrn
wird als Verf. bezeichnet. Der zweite mit der Ueber-
fchrift: ,Ein ganzer. Chrift' über 1, 2—12 verlangt Ent-
fchiedenheit und Fertigkeit in unferem chriftlichen Be-
kenntnifs und chriftlichen Wandel. In No. 6 ,Arm und
reich' über 2, 1—13 wird ein kräftiges Wort über die
focialen Verhältniffe oder Mifsverhältniffe der Gegenwart
geredet, von dem zu wünfchen wäre, dafs es allgemeine
Beherzigung fände. Der folgende Vortrag .Katholifch'
über 2, 14—26 zeigt, wie wenig fich die Katholiken auf
diefe Stelle berufen können, um die Verdienftlichkeit
guter Werke gegen die evangelifche Lehre von der
Rechtfertigung durch den Glauben zu erweifen. Es
heilst hier: ,In amtlichen Liften wird jetzt oft von jedem
erwachfenen Chriften die Erklärung verlangt: »welcher
Confeffion, evangelifch oder katholifch?«'. Es gilt in
unferer Zeit eben, fich nicht nur äufserlich zur Kirche
zu bekennen und nach ihr zu benennen, fondern fich
der Lehre unferer evangelifchen Kirche klar bewufst zu
fein, um fowohl den Uebergriffen des Unglaubens als
der ftets zu Uebergriffen geneigten römifchen Kirche
entgegen treten zu können. Feft und entfchieden ftellc
fich der evangelifche Chrift auf den Felsboden des göttlichen
Wortes; frei und muthig entfalte und fchütze er
das von den Reformatoren zurückeroberte, von den Vätern
mit Leib und Leben vertheidigte Panier: ,Selig
allein aus Gnaden.' Je entfchiedener und felbftbewufster
fich die evangelifche Chriftenheit ihres Bekcnntniffes
rühmt, defto ficherer wird der Culturkampf beendet und
kann in feine Schranken zurückgewiefen werden. Wir
führen noch einige Ueberfchriften an: 8. Volksbildung
(3, 1—2; 13 — 18). 9. Das Feuerrad (3, 3—6). — Eine
hochintereffante Betrachtung über die unberechenbaren
Folgen der Zungenfünden. — 10. Ein Gang ins Freie
(3, 7—18). Ii. Unfere Häufer (4, 1 —12). 12. Handel
und Wandel {4, 13—17)- 13- Geldwährung — Geldent-
werthung (5, I—3). — Den Inhalt diefer Betrachtung
zeigen die erften Worte derfelben: ,Wohin ein Leben
führt, deffen Ziel und Inhalt allein der Gelderwerb zu
geizigem Belitz oder felbftfüchtigem Sinnengenufs ift,
das zeigt Jakobus mit drei kurzen Sätzen; der Ertrag
davon ift am letzten Ende: ein verwefender Leichnam,
ein durchlöcherter Mottenfrafs, die Entwerthung aller

I Schätze durch Roft. 14. Arbeitgeber und Arbeiter (5,
4—9). iS.Ausfaat und Ernte (5, 4—9). 16. Vom Schwören
(5, 12). 17. In der Krankenllube (5, 13—18). 18.
Lebensrettung (5, 19. 20).

Die eigentliche Erklärung wird einigermafsen durch
eine vorausgefchickte Inhaltsangabe erfetzt. Als Ueber-
fetzung ift die lutherifche gegeben. Zu rügen ift die
Menge von Druckfehlern, welche namentlich in einem
Volksbuch nicht vorkommen follte.

Lang-Gens. K. Strack.

Frommel, Gen.-Superint. Confift.-R. Max, Herzpostille.

Evangelien-Predigten für das ganze Kirchenjahr.
Bremen, Müller, 1882. (XII, 570 S. gr. 8.) M. 6. —

Der Titel diefer Predigtfammlung ift keine blofse
Auffchrift, fondern die Signatur derfelben, bezeichnend
für das Gepräge, das ihr aufgedrückt ift. Die bedeutendfte
Predigtfammlung mit diefem Titel ift die evangelifche
Herzpoftille des alten Valerius Herberger, diefer
liebenswürdigen, echt lutherifchen, volksthümlichen Pre-
digergeftalt. Der Geift jener alten Poftille, der Geift
Herzberger's, wie ihn auch das Volk treffend nennt,
durchweht auch diefe Predigten und bezeugt in ihnen
in diefer Sprache, in der Sprache des 19. Jahrhunderts,
wie es fein foll, das alte Evangelium. Es ift diefelbe
Pleropherie eines aus den Tiefen des Evangeliums, wie
aus den Tiefen eigener Herzenserfahrung heraus ge-
fchöpften Glaubens, die Einem hier wie dort begegnet;
es ift diefelbe Wärme und Innigkeit eines in fruchtbarftem,
lebendigem Austaufch mit der Gemeinde flehenden, treuen
Hirtenherzens, das in überaus fympathifcher Weife zumal
zu den Angefochtenen zu reden verlieht; es ift diefelbe
Sinnigkeit eines poetifchen, das wirkliche Leben verklärenden
Geiftes, der mit intuitivem Blick an die ein-
fachften, natürlichen Erfcheinungen und Vorgänge höhere
Beziehungen anzuknüpfen weifs, dem das ,Vergängliche
ein Gleichnifs' wird. Die eigentümliche Gabe des Verf.'s
eignet ihn darum auch ganz befonders zum Interpreten
der Evangelien. Die Gefchichte, welche die Evangelien
bieten, die wirkliche oder ideelle, erweitert fich ihm von
felbft zu einer allgemeinen Gefchichte, die alle Tage in
anderer Geftalt neu gefchieht, zum Erlebnifs des Einzelnen
, in welchem fich feine eigenften innerften Erfahrungen
fpiegeln. Eine Fülle von Bildern und Gleich-
nifsen enthalten die Predigten, meift lehr treffend gewählt
und durchgeführt, wenn wir auch einzelne als unklar,
oder gebucht und manierirt beanftanden möchten (wie
z. B. S. 185, S. 427 f., S. 474), und diefe Bilder dienen
nie blofs zur Ornamentik, es find fymbolifirte Gedanken,
Gedanken in Anfchauung getaucht, die der künftlerifch
begabte Verf. in plaftifcher Geftalt und mit jener echten
Popularität vor Augen Hellt, die für die verfchiedenen
Stufen der Bildung den Ton zu treffen weifs; denn da
ift keine forcirt, etwa in alterthümelnden Wendungen
fich ergehende, vielmehr eine den hochgebildeten, wie
den fchlichten Mann des Volkes gleich anfprechende
Popularität edler Einfalt, die ihren Gefchmack an klaffi-
fchen Vorbildern genährt hat und oft in hoher Schönheit,
mit tiefer Poefie redet. Meifterhaft verlieht es der Verf.,
die Gefichtspunkte, unter denen er die einzelnen Texte
betrachtet, und die Fülle der anregenden Gedanken, die
er in denfelben erkennt, in einfachen grofsen Zügen
zufammen zu faffen, und die Predigten zu einem in fich
gefchloffenen einheitlichen Ganzen mit bedeutenden Per-
fpectiven abzurunden. So viel gerade die Evangelien,
die der Verf. hier ausgelegt hat, zumeift die alten evangelifchen
Perikopen, in den verfchiedenen Zeiten der Kirche
durchdacht und durcharbeitet worden find, fo hat der
Verf. doch neben dem bewährten Alten den Evangelien
auch viele neue Gedanken und Wendungen, oft mit
überrafchend glücklichem Blick und genialem' Griff abzugewinnen
verftanden, und gezeigt, wie auch die fchein-

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