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Ausgabe:

1883 Nr. 18

Spalte:

428-429

Autor/Hrsg.:

Pape, Jos.

Titel/Untertitel:

Ehe Völker waren 1883

Rezensent:

Thoenes, Karl

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Seite 1, Seite 2

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427 Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 18. 428

durch diefelbe hindurch. Der Dichter fühlt es felber.
,Bergab geht meine Bahn'. Wohl vernimmt er noch
jetzt bei der Betrachtung der Natur, in die er mit Vorliebe
fich vertieft und deren wechfelnde Stimmungen er
fo meifterhaft zu deuten verfteht, aus dem Chor der
Creaturen heraus das Gloria in excelsis, wohl mahnt er:

,Du lies im Schöpfungsbuch

Freudig und unbeirrt,

Drin fleht fo mancher Spruch,

Der dich erbauen wird' —
aber immer wieder find es Bilder der Vergänglichkeit,
die ihm entgegentreten. Die Wellen des Baches mahnen
ihn:

,Mein Leben auch ftrebt ohne Ruh
Dem Meer der Gnade Gottes zu'.
Die Sonne, die die Thauperlen im Gräfe auffaugt,
wird ihm zum Bild der ewigen Liebe, die einmal ab-
wifchen wird alle Thränen: ,Und eh ihr's kaum gedacht,
hat fie hinweggeküfst die letzte fanft, die ihr auf Erden
weinen müfst'. Der Frühling, der noch ebenfo fchön
ift wie in den Tagen, da ihm jugendfrifch fein Herz
entgegenfchlug, erinnert ihn jetzt ,an jenen droben, zu
dem fein Geht fich fchon emporgehoben'. Dennoch
kann der Dichter mit vollem Recht von fich fagen:
,Mein Herz ift jung geblieben
Trotz meinem grauen Haar —
Es flammt nicht mehr in wilder
Unbändger Leidenfchaft,
Die Gluthen wurden milder,
Doch reicher nur an Kraft'.
Dafs es an kräftigen Klängen nicht fehlt, davon
zeugt die Bearbeitung des 2aten Pfalms im Klopftock'-
fchen Odenton gehalten, oder das Kampflied: ,Auf,
Zion, auf, ich bin mit dir', oder der in der Form allerdings
nicht ganz anfprechende Mahnruf: ,Kopf hoch', oder
das ,nach Savonarola' ausgeführte Bild vom Siegeszug
des Gekreuzigten u. a. m. Der Wahlfpruch, der der
Sammlung den Namen gegeben hat: ,Ich bau auf Gott'
klingt in immer neuen Variationen durch diefelbe
hindurch wie in dem fchönen , Morgenlied', oder in dem
auch in der Form befonders vollendeten Gebet: ,In
deine Hand befehl ich meinen Geht' u. a. Von den an
chriftliche Feftzeiten anknüpfenden Liedern ift unftreitig
das fchönfte das kurze einfache Weihnachtslied mit dem
Schlufsvers:

,Kindlein, uns gleich an Geberden,
Aber nicht fündig wie wir,
Laffe zu Kindern uns werden
Eins in der Liebe mit dir'.
Weniger anfprechend erfcheinen die beiden Paffions-
lieder: ,Maria unter dem Kreuze ihres Sohnes', das der
Mutter des Herrn etwas zu moderne Empfindungen in
den Mund legt und ,Golgatha', bei dem man trotz aller
kirchlichen Correctheit die rechte Wärme vermifst. Dagegen
ift die fubjective Ofterftimmung in dem erften
jOftern' überfchriebenen Gedicht fehr treffend wiedergegeben
, während das zweite, ftreng genommen kein
fpecififch religiöfes Gedicht, mit wenigen Strichen ein
reizendes Frühlingsftimmungsbild giebt. Aus den Zeitgedichten
fei der Mahnruf an die deutfchen Katholiken
hervorgehoben:

/Bleibt eurem Glauben treu, doch fetzt bei Seite
Um Rom nicht eures Volkes Recht und Ehre',
fo wie die freilich etwas düfter gehaltene Klage: ,Ift das
mein Volk noch?' Von den Gedichten allgemeinen Inhalts
verdienen befonders Erwähnung die finnig dargettellten
Legenden vom Kreuzfchnabel, von der Efpe, von der
Winde (Muttergottesgläslein). Eine reiche Auswahl von '
Erfahrungsfprüchen, theils allgemeineren, theils pädago-
gifchen Inhalts (,Aus dem Tagebuch eines Erziehers')
fchliefst die Sammlung ab. Schon diefe kurze, keineswegs
erfchöpfende Ueberficht wird einen Eindruck geben
von der reichen Fülle des Inhalts, bei der man denn

auch einmal ein weniger inhaltreiches Gedicht, wie z. B.
das: ,In fchlaflofer Nacht', oder das etwas fpielende
,Amavi, amo, amabo' mit in den Kauf nehmen wird.
Die Ausftattung — bei einer Gedichtfammlung keineswegs
eine Nebenfache — ift, von einigen Druckfehlern
abgefehen, eine des fchönen Inhalts würdige.

Nuffe. H. Lindenberg.

Pape, Jof., Ehe Völker waren. Gefchichte der Menfchheit
als Familie. Bremen, Heinfius, 1883. (123 S. gr. 8.)
M. 2. 25.

Die Schrift von Pape ift nicht unintereffant. Er will
diejenige Gefchichte der Menfchheit erzählen, welche fich
zutrug, als Völker fich noch nicht entwickelt hatten.
Als Quelle benutzt er das vierte und fünfte Capitel der
Genefis; wo es nöthig erfcheint, werden auch die drei
erften und die dem fünften nachfolgenden fechs Capitel
benutzt, die letzteren vorzüglich im zweiten Theil der
Schrift, welcher den Zweck hat darzuftellen, wie die im
erften Theile gewonnenen Refultate durch die Gefchichte
Noahs beftätigt werden.

Was ift es nun, das uns der Verfaffer über jene Ur-
gefchichte zu berichten weifs? Was Eden betrifft, fo
erzählt er, was Gen. 2 an die Hand giebt, nur dafs er
die Angaben über die vier Ströme des Paradiesfluffes
und der von ihnen berührten Gebiete für ein fpäteres
Einfchiebfel in die Paradieserzählung erklärt; das Wunder,
dafs Gott die Thiere zu Adam brachte, dahin deutet,
dafs die Thiere theils durch die Schönheit des Edenlandes
angezogen, theils durch eine Erdkataftrophe herbeigeführt
worden, und wegen des Fluffes in Eden auch
noch Waldreichthum der Gegend vermuthet. — Aus
dem Paradiefe wurden nach Pape die Menfchen vertrieben
durch vulkanifche Thätigkeit. Diefe Vermuthung läfst
er fich durch Gen. 3, 24 in der Art beftätigen, dafs er
den Ausdruck fSBnFflSn Sinn ünb überfetzt: .Flamme
der fich wälzenden Verwüftung'.

Nach der Vertreibung aus dem Paradiefe trieben
die erften Menfchen nach Pape Ackerbau und Viehzucht;
Adam befafs fchon ein reiches Naturerkennen; man wufste
fchon das Feuer zu benutzen, genofs vielleicht fchon in
der erften, ficher aber in der zweiten Generation neben
vegetabilifcher animalifche Nahrung, lernte das Verfertigen
von Kleidern durch kunftfertige Thiere, welche
herannahten, und zur Arbeit, wie zur Abwehr von feindlichen
Thieren verfertigte man fich allerlei Geräthfchaften.
Aber auch in religiöfer Erkenntnifs fchritt man fort.
Durch das Protevangelium hatten die erften Menfchen
fchon die Idee der Menfchwerdung Gottes auffaffen
lernen und zwar in der Tragweite, dafs fie erwarteten,
der Gottmenfch werde als Erftling vor allen andern
Kindern geboren werden. Dies folgert Pape aus
Gen. 4, 2, welche Stelle er überfetzt: ,Ich habe als
Mann (oder als Menfch) den Jehova erlangt' Aus
der Idee der ,Gottmenfchwerdung' feien dann die Ideen
des Priefterthums und Königthums entfprungen, deren
Vertreter Abel und Kain gewefen. — Kain und Abel
opferten. Die Opferftelle ift der Vulkan, welcher das
Paradies verfchliefst; dafs beide opfern, liegt daran,
dafs Chriftus Priefter und König zugleich ift: das blutige
Opfer Abel's entfpricht dem priefterlichen Chrifti, das
unblutige Kain's der Einfetzung des hl. Abendmahls,
bei welcher der Heiland ,auf fein Reich hinwies'.
Nur das Opfer Abel's wird von der Flamme des Vulkans
ergriffen und verzehrt d. h. von Gott gnädig angenommen
. Gott redete die bekannten warnenden Worte zu
Kain durchs Gewiffen. Abel's Grab, nahe bei der Opfer-
ftätte gelegen, wurde fortan verehrt. Die Gerichtsworte
Gottes über Kain's That find ebenfalls die Stimme des
eigenen Gewiffens. Aber es kam auch ein äufseres Straf-
ereignifs. Der Vulkan brach bald nach Abel's Tode
heftiger aus, Edens Naturbefchaffenheit wurde wiederholt