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Ausgabe:

1883 Nr. 18

Spalte:

425

Autor/Hrsg.:

Künding, Eucharius

Titel/Untertitel:

Erfahrungen am Kranken- und Sterbebette. 5., verm. u. verb. Aufl 1883

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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4?5

Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 18.

426

weiter und weiter geworden, feitdem Hartmann zum
erften Mal in die theologifche Arena herabgeftiegen ift.

Leipzig. Härtung.

Kündig, f Pfr. Eucharius, Erfahrungen am Kranken- und

Sterbebette. Ein Beitrag zur praktifchen Theologie.
5. verm. u. verb. Ausg., hrsg. von Pfr. Rud. Anstein.
Bafel, Schneider, 1883. (VIII, 337 S. gr. 8.). M. 3. —

Es ift zu beklagen, dafs dies Buch, das zuerft im
Jahre 1856 herausgekommen ift, nach 27 Jahren erft in
fünfter Auflage erfcheint. Ift es doch eines der treff-
lichften Hülfsmittel und Wegweifer in der fo fchweren
und verheifsungsvollen Thätigkeit der Seelforge, und es
wäre dringend zu wünfchen, dafs kein junger Pfarrer
ins Amt träte ohne dies Vademecum. Aus einer nahezu
fünfzigjährigen Praxis heraus, die der Herr Verf. als
Seelforger durchlebt, mit echtem Hirtenherzen, in evan-
gelifcher Innigkeit und Nüchternheit, theilt der reiche
Mann aus feinem grofsen Befitze der paftoralen Erfahrung
Gaben in Fülle aus, wie nur des Lebens grüner
goldener Baum, den Gott gepflanzt und hat gedeihen
laffen, fie hervorzubringen vermag. Wie gut würde es
mit der evangelifchen Kirche flehen, wenn der Herr
Verf. zahlreiche Nachfolger hätte, die in derfelben Treue
und Liebe und in derfelben Weisheit arbeiteten, wie der
Vollendete gearbeitet hat.

Dem Herausgeber dürfen wir für feine Vermehrungen
und Verbefferungen, die er in Anmerkungen unter dem
Texte gegeben hat, dankbar fein. Die meiften derfelben
find wirkliche, ob auch nicht gerade erhebliche, Verbefferungen
. Unnöthig erfcheinen dem Referenten die
Anm. auf S. 168, 171 u. 221, weil dasfelbe im Text bereits
, nur kürzer, gefagt ift. Keine Verbefferung vermag
ich in der Anm. S. 207 zu erblicken, und überflüf-
fig dürfte die Anm. S. 35 fein, da ganz dasfelbe bereits
in der Anm. S. 30 fleht, worin übrigens der Fehler K.
H. Rieger ftatt G. K. Rieger uncorrigirt geblieben ift.

Dagegen würde eine Umarbeitung des Abfchnittes
S. 56—62 (69) dem Buche nur wohlthätig gewefen fein.
Bei allem Zufammenhang von Sünde und Ucbel, an dem
wir nicht zu rütteln gedenken, ift wohl zu erwägen,
dafs nach dem N. Teft. für die gläubigen Chriften das
Leiden eines der werthvollften Mittel der Lebensförderung
, ja nach Hebr. 12 ein Kennzeichen der geliebten
Kinder Gottes ift, und dafür hat des Verfaffers Darftel-
lung keinen Raum. Auch S. 70: Die Begründung der
Warnung vor dem Erbitten eines kranken Kindes zur
Gcnefung fcheint dem Referenten nicht unbedenklich zu
fein; der Widerfpruch von S. 70 und 71 ift nicht bemerkt
. Zu S. 200 dürfte die Thatfache ergänzt werden,
dafs die in Rede flehenden Kranken (Wafferfüchtige)
meift in grofser Hemmung aller geiftigen Erhebung, in
religiöfer Kraftlofigkeit und Verödung fleh zu befinden
pflegen und demgemäfs auch feelforgerlich zu behandeln
lind. — Der Satz von der gänzlichen Taubheit S. 194
und der erfte Satz S. 199 find dem Ref. unverftändlich
geblieben.

Marburg. Achelis.

Franck, Paft. K., Aus dem inneren Heiligthum. Ausgewählte
Pfalmen, der Gemeinde zur Erbauung dargeboten
. Berlin, Wiegandt & Grieben, 1883. (III, 301 S.
8.) M. 2. 50.

Die Erwartung, welche der Titel diefer 16 Betrachtungen
oder religiöfen Reden erweckt, wird durch den
Inhalt nicht getäufcht. Der Herr Verf. führt an der
Hand von 14 Pfalmen, aus den erften 43 Nummern des
Pfalters ausgewählt, in das innere Heiligthum des chrift-
lichen Glaubenslebens ein, indem er aus einem reichen
inneren Leben heraus feine Gaben darbietet. Jeder Pfalm

ift, wie das Vorwort fagt und die Ausführung beftätigt,
als ein Ganzes und vor Allem in feinem urfprünglichen
und gefchichtlichen Sinne, über deffen richtige Ermittelung
allerdings Meinungsverfchiedenheiten obwalten werden
, erfafst.

Die Reden find in der Aula einer Schule gehalten;
es find keine Predigten und follen es auch nicht fein.
Die Gemeinde der Hörer gehört offenbar dem fogen.
gebildeten Publicum an; fonft wäre es wohl nicht thunlich
gewefen, an die Stelle von Luther's Ueberfetzung
eine eigene treten zu laffen und die Höhe der Diction,
die fie für das Gros der chriftlichen Gemeinde unverftändlich
macht, inne zu halten.

Manche der Betrachtungen find von vorzüglicher
Schönheit — ausgezeichnet feien diebeiden über den 22. Pf.
— andere, z. B. die über den 14. Pf., von untergeordnetem
Werthe; alle von ernfter Tiefe und fehr edler Haltung.
Eine unverkennbare poetifche Begabung, die auch den
Schönheiten der Pfalmen gerecht wird, macht überall
fleh geltend. Zu männlicher Reife ift diefe Begabung
jedoch nicht gediehen; der weiche empfindfame Ton
zeugt davon, die durchgehende Naturfchwärmerei mit
Klopftock'fchen Ueberfchwänglichkeiten, in welchen
der Herr Verf. beim Untergang der Sonne ,Verklärung
fchweben fleht um Bufch und Strauch' und ,der Nachtigall
fchmetterndes (?!) Lied' vernimmt u. dgl. Der
Herr Verf. fagt fehr richtig S. 136: ,Du weifst erft dann,
was Gott fei, und haft des Höchften Thun erkannt, wenn
du feine erbarmende Gnade in Jefu Chrifto gläubig hingenommen
haft' u. f. w., aber nur zu häufig tritt dies in
den reichlich eingeftreuten religiöfen Naturbetrachtungen
völlig zurück. Vielleicht hängt es auch mit derfelben
weichen Art zufammen, dafs das bleibende Werden
des Chriftenftandes auf Koften des Seins und Habens
fall ausfchliefslich betont wird. Sätze wie S. 247 : ,im
Grunde ift unfer ganzes Innenleben ein Sehnen', oder
S. 38: ,wie gehört doch der Glaubenskampf eines
ganzen Lebens dazu, um fo (wie Pf. 73,25 und Phil.
3, 8) in der Gemeinfchaft mit Gott fein fchönftes Glück,
feinen werthvollften Befltz zu finden', find doch nur
halbwahr. — Von diefen Schwächen abgefehen gehört
das Büchlein ohne Frage zu den befferen oder gar
beften Erzeugnifsen moderner fogen. Erbauungsliteratur.
Marburg. Achelis.

Sturm, Jul., Ich bau auf Gott! Eine Feftgabe. Neue reli-
giöfe Gedichte. Bremen, Heinflus, 1883. (208 S. 8.)
M. 3. 50; geb. M. 4. 50.

Das Erfcheinen diefer Gedichtfammiung ift eine Be-
j ftätigung der Hoffnung, mit der Robert Koenig feine
fo fchnell populär gewordene DeutfcheLiteraturgefchichte
fchliefst, ,dafs die Zukunft ohne allen Zweifel auch für
unfere Dichtung noch fchöne Tage der Blüthen und
Früchte im dunklen Schofse berge'. Was der fchon
alternde Dichter, neben Gerok ohne Frage der hervor-
ragendfte Vertreter geiftlicher Lyrik der Gegenwart, in
diefem Bande darbietet, find reife Früchte, am Baume
wahrer Dichtung gewachfen, die Allen, welche für geift-
liche Poefle Sinn und Verftändnifs haben, eine hochwillkommene
Gabe fein werden. Die Vorzüge der früheren
Dichtungen Sturm's, die ihm fo fchnell die Herzen gewonnen
haben, finden fleh auch hier wieder: die Zartheit
der Empfindung, die Innigkeit und Wärme des
religiöfen Gefühls, die leichte, abgerundete Form. Wenn
vielleicht an unmittelbarer Frifche und Lebendigkeit
diefe ,neuen' religiöfen Gedichte hinter den erften zurück-
zuftehen fcheinen, fo bietet dafür einen Erfatz das mehr
hervortretende contemplative Element, dem in der geift-
lichen Poefle am wenigften Jemand feine Berechtigung
abfprechen wird. -Von dem reichen Inhalt der Sammlung
kann hier nur eine flüchtig andeutende Skizze gegeben
werden. Ein leifer Ton der Wehmuth klingt