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Ausgabe:

1883 Nr. 18

Spalte:

412-413

Autor/Hrsg.:

klimek, Paulus

Titel/Untertitel:

Coniectanea in Julianum et Cyrilli Alexandrini contra illum libros. Diss 1883

Rezensent:

Neumann, Karl Johannes

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4ii

Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 18.

412

lig friedlichen Einvernehmen der Juden und Chriften im
1. Jahrhundert befeitigt.

Es ift doch wohl nicht Befcheidenheit des Verfaf-
fers, dafs er feine gefchichtlichen Bilder und Auffaffungen
als Mofaiken aus chriftlichen Werken vorgeftellt hat.
Er erreicht es fo, dafs feine Darfteilung gleichfam als
das letzte Wort der modernen Forfchung erfcheint. Aber
ich fürchte nicht, dafs fich Viele imponiren laffen werden.
Denn es ilt fo ziemlich überall das Verkehrtefte oder
doch das Unficherfte, was er fich als fchätzbares Material
aus den genannten Werken angeeignet hat, und die
Combination ift in den meiften Fällen eine höchft gewagte
, die Tragweite, die er feinen Schlüffen giebt, eine
ungerechtfertigte, die Nichtachtung der entgegenftehen-
den Zeugniffe eine conftante. Dazu: für das felbftän-
dige, hingebende Ouellenftudium des Verfaffers legen 1
feine Ausführungen kein Zeugnifs ab, und was er aus
jüdifchen Quellen beizubringen weifs, ift wenig erheblich
. Man kann fchon die Apoftelgefchichte für die
Frage, auf welche es dem Verf. ankommt, nicht einfach
mit dem Verdicte abthun, dafs fie unglaubwürdig fei;
ferner die Beanftandung der paulinifchen Hauptbriefe
darf als Skrupelfängerei bezeichnet werden, und endlich
die johanneifche Apokalypfe bezeugt das Gegentheil von
dem was der Verf. fie fagen läfst. Freilich an diefem
Punkte ift das von Baur in Kurs gefetzte Vorurtheil
noch ganz befonders zäh, hat doch felbft Renan hier
fich völlig verblenden laffen. Allein es ift zu hoffen,
dafs man den Judaismus des Apokalyptikers auch noch
preisgeben wird, d. h. das Urtheil, dafs die Offenbarung
Johannes von einem Mann gefchrieben fei, der fich nur
durch die Anerkennung der Meffianität Jefu von einem
Juden unterfchieden habe. Bei dem allem ift der Beur-
theilung noch nicht gedacht, welche Joel den evangeli-
fchen Berichten über den Procefs Jefu angedeihen läfst.
Es würde zu weit führen, auf diefelbe einzugehen. Es
wäre leicht zu zeigen, dafs der Verf. hier zuviel und
darum nichts beweift.

Zum Schluffe möchte ich das oben ausgefprochene
Urtheil, dafs fich in der Abhandlung doch manches
Beachtenswerthe finde, belegen. Ich verweife auf den
7. Abfchnitt (S. 149 bis 169). Hier wird der Bericht über
das Martyrium des Polykarp, foweit Juden an demfelben
angeblich betheiligt waren, fowie die Erzählung des Xi-
philinus über jüdifche Graufamkeiten auf Cypern (Auf-
ftand v. J. 116) einer fcharfen Kritik unterzogen. Nicht
unverdient ift auch die Rüge, die Joel Renan ertheilt,
indem er einen Theil der zahlreichen Widerfprüche aufdeckt
, die diefer grofse Gelehrte und Schriftfteller in
feinen ,Urfprüngen des Chriftenthums' fich hat zu Schulden
kommen laffen (f. S. 10 f., 77 f., 127 f., 159 f.). Lehrreich
ift auch der Nachweis, in welcher Weife von
neueren Hiftorikern die fpärlichen Nachrichten der Alten
über das Leben und Treiben der Juden in Rom aufgeputzt
, bereichert und entftellt zu werden pflegen. Der
Verf. hat fich mit diefem Nachweife ein Verdienft erworben
. Ueberhaupt — die Anforderungen ftrenger
Kritik find ihm nicht unbekannt und er hätte etwas
Tüchtiges leiften können, wenn er nicht fo bereit zum
Generalifiren wäre. Warum begnügte er fich nicht mit
dem pünktlichen Nachweife — wenn ein folcher erbracht
werden kann —, dafs es bis zum Anfang des 2. Jahrhunderts
ein Chriftenthum gegeben hat, mit dem der
Pharifäismus innigft befreundet war? Aber freilich —
die Tendenzlegende vom fchuldlofen und geduldigen
Judenthum, deffen Fehler das Schweigen war, hätte er
den Tendenzlegenden vom verworfenen Judenthum dann
nicht mehr fo zuverfichtlich entgegenftellen können.

Im Einzelnen begegnen .nicht wenige Flüchtigkeiten.
Ift der Poet Lucian etwa Lucan? (S. 98). Ift Renan
Renan? Die Schreibung wechfelt durchgehends. Soll
Origines wieder einmal Origenes fein? Wo find ,die
zahlreichen dem Antoninus Pius untergefchobenen Re-

fcripte und Briefe zu finden, von denen ein Theil auch
von orthodoxer Seite als gefälfcht preisgegeben wird?
(S. 38) u. f. w.

Giefsen. A. Harnack.

Klimek, Paulus, Coniectanea in Julianum et Cyrilli Alexandrini
contra illum libros. Differtatio inauguralis philo-
logica. Vratislaviae, 1883. (44 S. 8.;

Aus der langen Reihe der z. Th. recht probabeln
Verbefferungsvorfchläge des Verfaffers zu den Schriften
Kaifer Julians werden die Bemerkungen zu den Büchern
gegen die Chriften (S. 22—27) fich auch an das Intereffe
der Theologen wenden dürfen. Im Ganzen finden hier
17 Stellen ihre Behandlung, und 9 Vorfchläge würden, ihre
Richtigkeit vorausgefetzt, für das Verftändnifs des Textes
von Belang fein. S. 164, 15 m. A. erkennt der Verf.
in 'Eßgaioig eine xoig äno Motvottog erklärende Interpolation
; 174,21 fchreibt er axonei ovv i'xi für 0x6/1 tb
ovv ort; 183, 12 f. ftellt er avio&ev vor xaxrjlirsv; 208, 17
verwirft er die Einfchiebung von yäg; endlich verwandelt
er 231, 3, ebenfalls mit Recht, rW|o> in deigeb. Die
Behandlung der vier anderen fachlich relevanten Stellen
halte ich dagegen nicht für befriedigend. 171, 18 ift zwar
meine Ueberfetzung unhaltbar, aber des Verf.'s wg zreot
(oü) yeyovoxwv verftöfst gegen eine Grundregel philolo-
gifcher Kritik. Die Einfchiebung von ov und fit] ift als
kritifches Mittel durchaus verpönt, aufser wenn, wie z. B.
187, 10, der Ausfall durch befondere Umftände erklärt
werden kann. Ueberdies ift der Text in Ordnung: .obwohl
er diefe Dinge oft erwähnt, fpricht er von ihnen
durchaus nicht wie von gewordenen Dingen.' S. 168,
10—12 verkennt der Verf., worauf es ankommt. av&QÖJmj)
hinter zbtttwzegov darf nicht geftrichen werden: entweder
fchreibe man dafür nach meinem Vorfchläge avxgi, oder,
was vielleicht vorzuziehen, man laffe es unverändert und
ftreiche mit Ufener das erfte dv&gto7c<i) vor yevaao.'ha.
Uebrigens fcheint der Verf. das paläographifche Com-
pendium für av&oomog nicht zu kennen. 194, 4 ift die
Annahme einer Lücke vor ngbg xooovxov iityeirog rri^virt]
nicht ausreichend begründet; unmotivirt ift ebendafelbft
Z. 7 die Aenderung von xd di) xgia in xavxa dt) xgia.
Auch der Verf. hat die folgenden Zeilen nicht verftan-
den; ich verdanke ihr Verftändnifs Herrn Prof. Hiller.
Die Mufik ift xo sv xolg aoi&fioig ivctgiioviov, fie be-
fteht alfo nicht neben den ägbdfxoi, fondern »fie ift ein
Theil derfelben. Ebenfowenig wie /.beza xyg ift ovvagtirriov
verdorben: ,diefe drei (Aftronomie, Geometrie, Arithmetik
) nebft der (in diefer Dreizahl bereits) einbegriffenen
Mufik verbanden die Hellenen zur Einheit' Im Folgenden
ift mit Ufener hinter Tcgooag/nooavteg xovg dgt{r/.iovg
ein Kolon zu fetzen und der Punkt hinter xaxavorjoavxsg
zu ftreichen. S. 198, 11 ff. erklärt Klimek richtiger als
ich: ,denn dann würdet ihr an Stelle vieler Götter einen
einzigen verehren und nicht einen Menfchen' u. f. w.
Aber deshalb ift es noch nöthig &ewv in O-edv zu cor-
rigiren.

Alles übrige find kleinere ftiliftifche Aenderungen,
einige ficher, andere zweifelhaft oder doch nicht durch
genaue Unterfuchung des julianifchen Sprachgebrauchs
ausreichend begründet.

Gegen meine Behandlung des Hiatus bei Julian wendet
fich die 2. Thefe S. 44, in deren Formulirung der
Verf. aber wenig Glück gehabt hat. Ganz beftimmt ift
jeder hiatus neque respiratione neque frequenti vocis usu
neque dicendi consuetitdine excusatus a Juhano prorsus
alienus. Nur die dicendi consuetudo ift genauer zu be-
ftimmen, als ich dies feiner Zeit gethan. Ich verdanke
Herrn Prof. Diels eine lehrreiche Behandlung diefer Frage,
welche, meine Grundanfchauungen theilend, eine Reihe
der S. 159 f. vorgefchlagenen Aenderungen als entbehrlich
nachweift.